Super League: FC Zürich – FC Basel
Eigentlich kann es nur einen Sieger gebenBevor sich die Rivalen am Sonntag im Letzigrund treffen, spricht alles für die Zürcher – die Tabelle, die Arbeit der Führung, die Transferpolitik, der Trainer und die Struktur der Mannschaft.
Thomas Schifferle , Florian Raz
Publiziert heute um 08:53 Uhr
Ancillo Canepa hatte nicht immer Freude, als er, der passionierte Zeitungsleser, in der Vergangenheit die Zeitung aufschlug. Wenn etwas schiefging beim FCZ, wurde ihm die Schuld dafür gegeben, gerade 2016 beim Abstieg.
Inzwischen ist Canepa über 15 Jahre der Präsident, der zusammen mit seiner Frau Heliane den Verein führt. Und er sagt: «Man wird mit der Zeit nicht dümmer.» Das sagt er, weil auffallend ist, wie er sich öffentlich zurückhält.
Natürlich steht er weiterhin gegen Spielende gern an der Seitenlinie, um nahe dran am Geschehen zu sein. Aber er ist nicht mehr der Präsident, der den Eindruck vermittelt, er wisse alles. Wenn die Mannschaft Dynamik habe und hervorragend trainiere, dann brauche er doch nicht auch «reinzurufen».
Der FCZ vermittelt Geschlossenheit, nach innen und nach aussen. Er kommuniziert unaufgeregt. Was eben auch viel mit Sportchef Marinko Jurendic und Trainer André Breitenreiter zu tun hat. «Wir ticken alle gleich», sagt Canepa, «darum müssen wir uns nicht verbiegen.» Und wenn sie dann alle bei der Frage nach dem Meistertitel davon reden, dass sie Match für Match nehmen, weiss gerade er, wie blöd das tönt, «aber so ist es».
Canepa hat in seiner Amtszeit beim FCZ «selten so viel Freude» gehabt wie jetzt. Und weil er auch eine «gewisse innere Ruhe» hat, konnte er sich in den letzten Tagen getrost mit Frau und Hunden nach Pontresina zurückziehen.
In Basel ist noch kein Jahr vergangen, seit David Degen den Machtkampf um den FCB gegen Bernhard Burgener gewonnen hat. Seither haben Degen und sein Wegbegleiter Dani Büchi in der Clubführung kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Nachwuchschef? Ausgewechselt. Scouts? Entlassen. Sicherheitschef? Ausgewechselt. Verwaltungsrat der Holding? Erst frisch besetzt. Danach noch einmal neu aufgestellt.
53 Abgänge und 25 Zugänge auf der Geschäftsstelle vermeldete Büchi als CEO Ende Dezember. Das war bloss ein Zwischenstand. Seither wurde zum Beispiel mit Max Legath noch ein Leiter Scouting eingestellt und damit der langjährige Chefscout Ruedi Zbinden entmachtet.
Bisher haben Degen und Büchi als Powerduo funktioniert. Stellt sich bloss die Frage, ob die beiden dauerhaft in dieselbe Richtung ziehen. Die erste grosse Differenz gab es in der Trainerfrage. Degen wollte den Trainer nach Informationen dieser Zeitung bereits im Dezember entlassen. Büchi überzeugte ihn, Patrick Rahmen bloss neue Assistenten aufzuzwingen. Ein Experiment, das Degen bloss vier Spiele später für beendet erklärte.
Der Trainer: Vorteil FCZ«Manchmal sind Personalentscheide gut», sagt Ancillo Canepa, «und manchmal weniger glücklich.» Die jüngste Geschichte zeigt, dass er und seine Frau zweimal richtig gut gelegen haben: zuerst mit Marinko Jurendic als Sportchef, dann mit André Breitenreiter als Trainer.
Jurendic hatte letzten Sommer bei der Trainersuche wesentliche Vorarbeit geleistet. Und als Canepa auf der fünfköpfigen Shortlist den Namen Breitenreiter entdeckte, ordnete er umgehend an: «Alles abbrechen!» Für ihn kam nur noch der Deutsche mit Bundesliga-Erfahrung infrage.
Breitenreiter ist zum Gesicht des Clubs geworden: mitteilsam, ohne zu überborden, geschickt kommunizierend, stets lobend, aber auch immer kritisierend, sicher sendebewusst in eigener Sache, aber nie das Team ausser Acht lassend. Der 48-Jährige aus Hannover hat bislang das Glück, mit seinen Entscheiden alles richtig gemacht zu haben.
Vermutlich wäre es für alle direkt Beteiligten besser gewesen, hätte Degen bereits bei der Club-Übernahme einen Schnitt vollzogen. Es war von Anfang an klar, wie wenig er von Patrick Rahmen als Cheftrainer hielt. Das blieb bei Trainer und Spielern nicht unbemerkt. Was dazu führte, dass Rahmen nie die volle Kontrolle über sein Kader hatte.
Einerseits wusste der Trainer natürlich, welche Spieler er aufstellen musste, um Degens Wünschen zu entsprechen. Andererseits spürten die Fussballer, dass Rahmen nicht die Autorität hatte durchzugreifen, wenn ihm etwas missfiel.
Ein Cheftrainer wird beim FCB nur dann eine Chance haben, wenn ihn Degen als Fachmann respektiert. Und wenn sich der Verwaltungsratspräsident danach tatsächlich aus dem Geschehen auf dem Rasen heraushält. Guillermo Abascal erfüllt immerhin zwei Punkte, die Degen wichtig sind: Er ist mit 32 Jahren sehr jung. Und er gilt als Konzepttrainer. Es fehlen also nur noch spektakulär herausgespielte Siege, um den Chef zufriedenzustellen.
Die Transferpolitik: Vorteil FCZIn Zürich wurden die einschneidenden und entscheidenden Veränderungen während der Transferperiode im vergangenen Sommer vorgenommen, nicht überhastet, sondern nach reiflicher Analyse. 28 Spieler und Trainer kamen oder gingen. Zum Glück des FCZ wurde, dass schnell alles funktionierte und die Saison mit vier Siegen begann. Auf die kleine Ertragsdelle mit zwei Punkten aus vier Spielen folgte bis zum Winter die Serie mit zehn Spielen ohne Niederlage.
Sieben Punkte betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger Basel, als die Chefs die Vorrunde analysierten. Frage heute an Canepa: Wie gross war die Gefahr, drei Transfers zu machen, weil auf einmal der Titel gelockt hat? Antwort: «Es gab null Gefahr. Null. Null. Null!» Präsident, Sportchef und Trainer entschieden, nichts gross zu ändern, um den Teamgeist nicht zu gefährden. Mit Karol Mets kam nur ein Spieler dazu, den sie allerdings schon länger im Auge gehabt hatten.
Ruhe und Kontinuität zahlen sich aus. Und noch etwas zahlt sich aus: die Einsicht, bei Transfers keine Kompromisse mehr zu machen. «Entweder bekommen wir, was wir wollen», sagt Canepa, «oder wir lassen es sein.»
Zählt man dagegen in Basel die Wechsel auf den Trainerpositionen dazu, kommt man auf eine schöne runde Zahl: 50 Kaderbewegungen hat es in dieser Saison gegeben. In Worten: fünfzig.
Bei Degens Transferpolitik gilt: Die Spieler müssen in der Anschaffung günstig sein, aber später viel Geld einbringen. Darum werden praktisch alle Neuen testweise ausgeliehen – und erst verpflichtet, wenn sich die Hoffnung auf einen steigenden Marktwert verdichtet. Das Risiko, das unter diesen Umständen besteht: dass Spieler das Ich vor das Team stellen.
Das Konzept ist durchaus der Tatsache geschuldet, dass Degen einen FCB mit leeren Kassen übernommen hat. Allerdings glaubt Degen auch an seine Fähigkeit, im Ausland Teenager mit überragendem Talent zu entdecken. Was wiederum den Druck auf den aktuellen Trainer erhöht, der all die Rohdiamanten zum Glänzen bringen muss.
Wie sehr der FCB finanziell unter Druck ist, hat sich in der Winterpause gezeigt. Mit Arthur Cabral und Edon Zhegrova wurden im Winter 45 Skorerpunkte abgegeben und rund 24 Millionen Franken eingenommen. Damit haben die Basler ihre Titelchancen minimiert. Aber ihnen blieb mit Blick auf das Budget kaum eine Wahl.
Die Führungsspieler: Vorteil FCZIn Zürich ist es ein Trio, das die Hierarchie anführt. Es besteht aus dem Captainteam mit Yanick Brecher, Blerim Dzemaili und Antonio Marchesano. Sie sind erfahren, zwischen 28 und 36 Jahre alt und tief verbunden mit dem FCZ, auch und gerade Dzemaili trotz seiner langen Wanderjahre im Ausland. Brecher spielt eine gute Saison, Dzemaili hat zur Fitness gefunden, die ihn auch auf dem Platz zum Gewinn machen kann, und Marchesano ist der offensiv wirkungsvollste Mittelfeldspieler der Liga.
Dazu gibt es noch Assan Ceesay und Ousmane Doumbia, die aufgrund ihrer Leistungen zu Leaderfiguren gewachsen sind. Ceesay dank einer Treffsicherheit, die angesichts seiner ersten Jahre in Zürich verblüffend ist, und Doumbia dank einem Gespür für den Zweikampf, das in der Liga kaum einer hat.
Wenn ein Club eine Menge junger Leihspieler verpflichtet, braucht es ein funktionierendes Gerüst erfahrener Profis. In Basel fehlen darin derzeit ein paar Schrauben.
Valentin Stocker ist Captain und Liebling der Fans. Aber beim wegweisenden Match in Bern ist der 32-Jährige Ersatz. Taulant Xhaka kann ein Team mit seiner Aggressivität aufrütteln. Aber seit er die letzte Saison verletzt verpasst hat, wirkt er kraftlos.
So geht es weiter in der Liste. Michael Lang kommt erst langsam in Form. An Goalie Heinz Lindner glaubt Degen nicht so richtig. Pajtim Kasami wird zwar von Degen öffentlich gelobt. Dafür hat er derzeit keine Lust auf eine Vertragsverlängerung.
Bleibt noch Fabian Frei, der immerhin Ende 2021 als Innenverteidiger überzeugt hat. So gross ist die Sehnsucht nach einem Führungsspieler, dass Adam Szalai als Hoffnungsträger gilt. Und das, obwohl der Stürmer vor seinem Wechsel in dieser Saison bloss 251 Minuten in der Bundesliga gespielt hat.