Beitragvon johnny » 18.02.22 @ 19:45
Aus dem Tagi von eben:
FCZ-Trainer André Breitenreiter
«Egal was kommt, es wird einfach toll sein»
Nach 21 Runden weiss Breitenreiter bereits, dass diese Saison als Erfolgsgeschichte enden wird. Eine Prognose wagt er bei aller Demut: dass der FCZ am Schluss mindestens den 3. Platz belegt.
Manchmal sind es die kleinen Dinge des Lebens, die für ein Strahlen sorgen können. Bei André Breitenreiter ist das an diesem Freitag der Fall, weil er keine Maske mehr tragen muss, als er zur Pressekonferenz kommt. Endlich sehe man wieder Gesichter, sagt er.
Die Runde ist klein, die sich auf dem Heerenschürli versammelt hat. Dass es gerade mal zwei Journalisten sind, kümmert Breitenreiter nicht weiter. Er redet so lange, als wären zwanzig da. Es gibt für ihn ja auch keinen Grund, nicht zu erzählen und ausführlich zu antworten. Schliesslich ist er mit dem FCZ auf Wolke sieben unterwegs.
Die Statistik liefert dafür die offensichtliche Begründung: seit dreizehn Spielen ungeschlagen, davon zuletzt neun in Folge gewonnen, zehn Punkte Vorsprung auf YB, zwölf auf Basel. Das verleitet sogar Breitenreiter zu einer ersten Feststellung: «Ich kann heute sicher sagen: Mit dem Abstieg werden wir nichts mehr zu tun haben.»
Und eine zweite kommt dazu. Ausgangspunkt dafür ist die Frage, ob er denn mit seinen Resultaten in der Schweiz interessanter für Deutschland geworden sei, ob er Begehrlichkeiten wecke in seiner Heimat. Völlig unwichtig sei das, sagt er, es gehe immer um den FCZ, um dessen Erfolg. «Eines können wir schon sagen: Es ist eine tolle Erfolgsgeschichte. Es ist eine fantastische Saison. Sie wird nie in einer Enttäuschung enden. Egal was kommt, ob wir Erster, Zweiter, Dritter oder Vierter werden, es wird einfach toll sein.» Wobei er eine Präzisierung noch macht. Dass der FCZ nur Vierter wird, glaubt er nicht. Mit 16 Punkten ist die Reserve auf Lugano für ihn schon zu gross.
Ins Bewusstsein gebrannt
Breitenreiter stört sich nicht, wenn permanent die Meisterfrage gestellt wird, ob nach einem nächsten Sieg am Fernsehen oder vor dem Gang am Sonntag nach Sitten. Im Grunde genommen sei das doch nur für die Medien ein Thema, sagt er. Im Club wollen sie es anders halten. Selbst der in der Vergangenheit zum Überschwang neigende Präsident Ancillo Canepa zieht es vor, realistisch zu sein, wie er das selbst sagt. Bloss nichts verschreien. Wenn der FCZ drei Runden vor Schluss zehn Punkte Vorsprung habe, könnte es vielleicht zum Titel reichen, sagt er.
Der Trainer findet in diesem Zusammenhang Gefallen am Wort demütig. Für ihn heisst das: «Die Gegebenheiten zu akzeptieren und das Beste aus ihnen zu machen. Sie sind so, dass der FCZ dreimal fast abgestiegen wäre.» Die Ränge 7, 7 und 8 haben sich auch beim Deutschen, der erst im vergangenen Sommer in die Schweiz gekommen ist, regelrecht ins Bewusstsein eingebrannt. Und noch etwas fällt ihm ein: der Unterschied an Finanzkraft zu Basel und YB. 2020 zum Beispiel wies der FCB 67 Millionen Franken an Einnahmen aus und YB 56, der FCZ dagegen nur 23. Für Breitenreiter wertet dieser wirtschaftliche Nachteil den aktuellen Erfolg des FCZ auf. «Das ist einfach schön», sagt er.
Ein grosser Anteil an diesem Wandel wird ihm zugeschrieben. Das liegt nahe, weil er ein Gesicht des Vereins geworden ist und zugleich der Mannschaft ein Gesicht gegeben hat. Er liest das, es freut ihn auch, nur ändern tue ihn das nicht. So sagt er das.
Die deutschen Medien beschäftigen sich mit ihm. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hat ihm im Januar einen Artikel gewidmet, der «Kicker» interviewte ihn, «Bild» und «SportBild» schrieben über ihn. Der FAZ sagte er, dass er die Champions-League-Hymne einmal als Trainer hören möchte – «am liebsten mit dem FCZ». Da erzählte er auch, dass er einen Satz auf Schweizerdeutsch schon gut beherrsche: «Ischs guet gsi?»
Im «Kicker», dem Fachblatt, schwärmte er von der Schweizer Liga («hochattraktiv, sehr offensiv»). Und erklärte er den Unterschied zu den eigentlichen Titelfavoriten: «Vielleicht haben wir nicht die besseren Einzelspieler als Basel und Bern, aber als Mannschaft funktionieren wir besser.»
In Basel ist der dauerhafte Umbruch ein Problem, in Bern sind es die Verletzungen. 16 Spieler sind diese Saison schon davon betroffen gewesen, einzelne wie Fassnacht oder von Ballmoos mehrmals. Beim FCZ wird die Konstanz bevorzugt und fällt kaum einer einmal wegen einer Verletzung aus. Nur Aiyegun Tosin hat es wegen eines kaputten Knöchels gleich mehrere Monate getroffen.
Breitenreiter beginnt als Erklärung von der Belastungssteuerung zu reden, von der Arbeit der Reha-und-Athletik-Trainer und der Physiotherapeuten, von der App, auf der die Spieler eintragen, wie sie geschlafen haben, und die Intensität des Trainings einschätzen, und er redet von der positiven Stimmung in der Mannschaft und im Verein. «Wer mit Freude und positiv eingestellt zum Training kommt, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass er sich nicht verletzt», sagt er.
Dass sich einer wie letzthin Blaz Kramer beim Aussteigen aus dem Auto etwas zerrt, kann ja einmal vorkommen. Das ist das Pech, das dem FCZ bisher erspart geblieben ist. «Es braucht auch das nötige Glück in Zweikämpfen, um sich nicht schwer zu verletzen», sagt Breitenreiter und klopft dreimal auf den Tisch: «Toi, toi, toi.»
«Keine One-Man-Show»
Im «Kicker» berichtete er auch von seiner Spielphilosophie, dem 3-5-2 mit der Absicht, schnell vertikal zu spielen und mit klaren Ablaufplänen zu agieren. 50 Tore sind bislang die Folge davon, so viele hat keiner sonst in der Liga erzielt. Diese Woche hat Breitenreiter im Training auf die schlechte erste Halbzeit letzten Sonntag gegen Lugano reagiert und vermehrt die Spieleröffnung üben lassen. So wie beim 2:0 stellt er sich das vor: der weite Abschlag von Goalie Brecher, das schnelle Passspiel von Ceesay und Guerrero, das Gnonto den entscheidenden Raum öffnet. «Alles kein Zufall, kein Glück», sagt Breitenreiter, «das ist harte Arbeit.»
Inzwischen mag er nicht mehr mit den deutschen Medien reden. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil es für ihn sonst zu viel würde, wenn er jeder Anfrage nachkäme. Er freut sich an den Schlagzeilen, die der FCZ liefert, er braucht sie nicht für sich selbst. «Ich will nicht, dass sich alles auf mich fokussiert», sagt er, «das hier ist keine One-Man-Show.»
Der ganze SVP Scheisshaufen ist die Bremsspur im Schlüpfer von Helvetia. (Zhyrus, 2023)