Beitragvon alpo » 24.11.12 @ 11:56
Aus der Nzz (.ch)
FUSSBALL
Interview Rolf Fringer
«Hier ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen»
Fussball Heute, 09:00
Rolf Fringer: «Der Präsident hat ein sehr gutes Zeichen gesetzt.» (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Der FCZ wollte im Frühling einen Trainer, der schon Titel gewonnen hat. Doch jetzt muss Fringer mit vielen jungen Spielern Aufbauarbeit leisten.
Interview: Flurin Clalüna, Christine Steffen
Diese Woche gab es Wirbel im FCZ. Wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Strategie des Vereins ist der Vizepräsident Gregor Greber aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten, offenbar tobte seit längerem ein Machtkampf. Inwiefern haben die Vorgänge Sie tangiert?
Natürlich wurden wir häufig darauf angesprochen, wir haben Telefonanrufe erhalten. Es kursierten seit längerem diverse Gerüchte. Es ist klar, dass vor allem im Staff viel darüber gesprochen wurde. Das sind Nebenschauplätze, die es nicht braucht, weil wir uns auf das Wesentliche konzentrieren wollen. Das gelang in den letzten Wochen vielleicht nicht wunschgemäss – was allerdings keine Ausrede sein soll.
Was haben Sie gedacht, als Ihnen zugetragen wurde, dass eine Agenda im Hintergrund existiert – sie ging ja so weit, dass es bereits einen Namen als Ersatz für Sie gab.
Ich habe gelernt, dass im Fussball immer Unerwartetes geschehen kann, darum lasse ich mich nicht so schnell aus der Bahn werfen. Aber wir sind alle glücklich, dass sich die Sache nun geklärt hat.
Als Sie Anfang Saison zum FCZ kamen – wussten Sie da bereits, dass es hinter den Kulissen brodelt?
Wenn ich ehrlich bin: Ja. Ich habe bereits bei der Vertragsunterzeichnung gewusst: Hier ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Trotzdem habe ich mich gefreut auf die Herausforderung.
Waren Sie überzeugt, dass sich die Führung um den Präsidenten Canepa halten kann?
Es ist schwer für mich, über die Führung zu sprechen. Ich weiss, dass bereits im Frühling und Sommer vieles im Gang war. Aber es wurde jetzt wieder in die richtigen Bahnen gelenkt, der Präsident hat ein sehr gutes Zeichen gesetzt. Auch die Mannschaft und der ganze Staff freuen sich über diese Entwicklung.
Stark tangiert war auch der Sportchef Fredy Bickel. Wie haben Sie das gespürt?
Wir haben immer wieder über die Vorgänge gesprochen – darüber, was uns beiden zugetragen wurde.
Haben Sie gemerkt, dass Fredy Bickel unter der Situation leidet?
Absolut. Er ist mit Leib und Seele FCZler und am Ursprung vieler Erfolge. Was er hören musste, ist nicht in der Ordnung. Klar hat mich das gestört, Bickel steht mir nahe.
Sie sagen, Sie hätten gewusst, dass Unruhe herrscht. Trotzdem hiess es bei Ihrem Stellenantritt: «Wir brauchen einen Trainer, der schon einmal einen Kübel gestemmt hat.» Ihr Job gleicht aber mittlerweile eher einer Aufbauarbeit.
Das ist so.
Davon sind Sie bei Stellenantritt aber nicht ausgegangen.
Es ist klar, dass man in dieser Saison angreifen wollte, nachdem man in der letzten Achter geworden war. Nur müssen wir uns sicher fragen, ob die Voraussetzungen wirklich gegeben waren. Weh tut mir, dass wir die Langzeitverletzten nicht aufs Feld bringen konnten. Das erforderte eine Planänderung.
Anfang der Saison haben Sie gesagt, der Stürmer Chermiti sei ein neuer Mensch. Bald gab es wieder Probleme. Was ist passiert?
Er hat in der Vorbereitung gut angesprochen und hatte viel Elan. Aber es kam der Tag, an dem Gavranovic und Drmic spielten. Da wurde es wieder schwieriger. Und anschliessend wurde er durch eine Verletzung zurück geworfen. Fragen Sie etwas anderes.
Spürt man in den Handlungen des FCZ nicht generell Not? Jetzt soll Milan Gajic aus der U 21 Aufwind bringen.
Not würde ich nicht sagen. Aber die Situation mit den Verletzten hat sich nicht positiv entwickelt. Uns fehlt im Mittelfeld in der derzeitigen Konstellation die Erfahrung. Ich kenne Gajic aus meiner Luzerner Zeit sehr gut, und er hat sich im Nachwuchs richtig aufgedrängt. Wir wollten Gajic in der Rückrunde sowieso wieder ins Team nehmen. Nun haben wir das wegen der Verletzten vorgezogen.
Wird nicht etwas viel erwartet von Gajic? Erst wird er jahrelang hin und her geschoben, nun soll er das Team mitreissen.
Wir erwarten keine Wunder. Nur dass er sich traut, den Ball zu verlangen, und eine gewisse Kreativität ins Spiel bringt. Wir müssen den Jungen im Mittelfeld helfen. Die Aufgabe am Samstag gegen Servette ist schwierig, da darf man nicht ängstlich und zappelig sein.
Sie strahlen immer Ruhe aus. Woher nehmen Sie die Gelassenheit?
Ich habe im Leben Verschiedenes erfahren. Es geht immer weiter, und wenn man eine positive Einstellung hat, geht es in der Regel gut weiter. Wir sind nur im Fussball tätig. Viele Leute machen Gescheiteres; da darf man sich nicht in eine Sackgasse begeben und meinen, es gehe um Leben und Tod – bei aller Seriosität und Anspannung.
Sie hatten Ihren ersten Trainerjob vor 27 Jahren; das ist eine lange Zeit. Wie bleibt man eigentlich als Trainer à jour?
Mich nimmt alles wunder, Tendenzen, Systementwicklungen, auch im Ausland. Natürlich hat sich vieles verändert. Wir sind kein Verein mehr, in dem 15 Zürcher Bowling spielen und am Samstag zusammen einen Match haben. Wir sind Multikulti. Das ist spannend und schön. Aber vieles ist auch gleich geblieben: die Spannung, immer bestehen und gewinnen zu müssen – das möchte ich nicht missen. Ich will nicht im Büro warten, bis man mich anruft und mir mitteilt, ich müsse einen Kartoffelsack von A nach B bringen. Das ist nicht despektierlich gemeint. Aber es macht mir Freude, Druck auszuhalten.
Sie arbeiten mit vielen Jungen. Wer muss sich wem anpassen?
Beide müssen sich anpassen. Als Trainer muss man ein Stück weit mit dem Zeitgeist gehen. Ich weiss, dass es nicht mehr ist wie früher. Als Bub bin ich noch auf Bäume geklettert. Ich weiss gar nicht, ob die Jungen heute überhaupt noch in den Wald gehen. Sie sind aber sehr gut geschult, fussballerisch sind sie mit 18, 19 Jahren schon sehr reif. Auf der anderen Seite leidet die Persönlichkeitsentwicklung. Wenn es einem gutgeht, wenn man verwöhnt ist und alles hat, dann ist die Persönlichkeit das Letzte, was sich entwickelt. Aber da kann man den Jungen keinen Vorwurf machen.
Müssen Sie erziehen?
Ein Teil geht sicher in diese Richtung. Ich versuche erzieherisch zu wirken, indem ich eine gewisse Monotonie und Lethargie aus der Welt schaffe. Ich will positive Emotionen. Man soll schreien, Freude haben. Das ist etwas auf der Strecke geblieben.
War es früher einfacher?
Ich gehöre nicht zu denen, die finden, dass früher alles besser war. Aber der Wohlstand und das Verwöhntsein haben auch Schattenseiten. Man muss die nötige Härte gegen sich entwickeln.
Laufen Sie nicht Gefahr, dass es plötzlich heisst: Er versteht diese Generation nicht mehr?
Nein. Es könnten ja alle meine Kinder sein. Ich habe einen 23-jährigen Sohn und eine 19-jährige Tochter. Ich weiss genau, wen ich vor mir habe. Die Spieler wissen, dass mich ihr Verhalten nicht stört – sofern sie im richtigen Moment aus sich herauskommen. Aber es ist doch logisch: Wenn ich den ganzen Tag vor dem Computer sitze oder am Handy bin, immer Kopfhörer trage und nie den Mund aufmache, dann ist das kontraproduktiv. Es ist wie bei der Erziehung: Der Bub kann von mir aus Fernsehen schauen. Aber er muss die Hausaufgaben gemacht haben.