Beitragvon spitzkicker » 30.05.24 @ 8:32
Aus der NZZ vom 30. Mai, 2024
Habe in diesem Qualitätsblatt selten einen solchen Frustartikel gelesen, der jede Qualität vermissen lässt. Und am Schluss noch ein paar billige Sätze, es könnte ja doch noch gut kommen.
Ist alles gut beim FC Zürich? Mitnichten
Es ist unklar, ob sich der FCZ mit dem neuen Sportchef Malenovic auf dem richtigen Weg befindet
Stephan Ramming
Alles ist gut beim FC Zürich, der letzte Eindruck wäre gültig: Der Sieg in St. Gallen zum Schluss war der Vierte in Folge, mit dem vierten Tabellenplatz ist die Teilnahme an der Conference League erreicht und das Saisonziel erfüllt. Dazu kommt ein Leistungsrekord, und auch die wichtige Trainerfrage für die kommende Saison mit dem energischen Niederländer Ricardo Moniz wird vorzeitig beantwortet. Ist alles gut beim FCZ? Mitnichten.
Die Momentaufnahme der letzten Tage kann nicht über eine Saison hinwegtäuschen, in der es drunter und drüber ging. Der Tabellenverlauf von steil nach oben, dann nach unten zur Zitterpartie vor der Zweiteilung des Tableaus ist das Abbild einer wilden Achterbahnfahrt. Sie endet mit großem Aufatmen: Gerade noch knapp die Kurve gekriegt. Dem FCZ dürfte noch immer etwas schwindelig sein. Der Schwindel, den die Mannschaft im Spätherbst befiel, war hausgemacht. Hausgemacht bedeutet im FC Zürich: Gemacht vom Besitzerpaar Ancillo und Heliane Canepa. Er wolle «den FC Zürich neu erfinden», hatte der Präsident an der Generalversammlung vor Weihnachten verkündet. Er sagte das zu einem Zeitpunkt, als die Mannschaft den Tritt zu verlieren begann. Und es war die Phase, in der auch aus dem Nachwuchs und dem Betrieb Rumpeln und Knirschen zu übernehmen waren.
Milos Malenovic ist der Mann, den die Canepas für die Neuerfindung ihres Klubs erkoren haben. Malenovic ist ein einflussreicher Spielerberater, der im letzten Sommer nach dem überraschenden Wechsel von Marinko Jurendic und Heinz Moser nach Augsburg von den Canepas vorgestellt wird. Zwar als «externer Berater», aber schon damals war klar, dass Malenovic ab Oktober auch offiziell der neue FCZ-Sportchef werden würde. Und zumindest, wenn es so weit ist, wird es einen neuen Wind im FCZ geben. Ein eiskalter Wind.
Unzimperlich beim Umbau
Er habe zwar „Respekt vor seinen Ergebnissen“, sagte Malenovic vor der Winterpause über die Arbeit des Trainers Bo Henriksen. Es war die Art des neuen Sportchefs, immer wieder durchblicken zu lassen, dass ihm an der Arbeit von Henriksen wenig gelegen kam. Schließlich hatte er, Malenovic, den Dämonen ausgewählt. Die Spielweise, die eingesetzten Spieler, diese und jene Statistiken – es waren subtile Destabilisierungsmanöver, bis Henriksen die seit Anfang Saison schwelende Trainerdebatte beendete und im Februar nach Mainz wechselte. Und schon sass Malenovic selber auf der Trainerbank. Als «Inputgeber» für Interims-Co-Cheftrainer. Es ging nur noch abwärts.
Als schließlich der Coach Ricardo Moniz übernahm, der im Oktober in den Nachwuchs geholt worden war, schloss sich der Kreis zum endgültigen Muster: Malenovic installierte an allen Stellen in der Sportabteilung Leute, die er kennt, mit denen er aus irgendeinem Zweig seines weitverbreiteten Spielerberater-Netzwerks Verbindungen pflegt, Trainer und Spezialisten, die ihm wohlgesinnt sind – und umgekehrt.
Das gilt für Moniz, dessen Assistenten Johan Vonlanthen, den U-19-Trainer Dennis Hediger und viele andere. Für Daniel Gygax, Genesio Colatrella, Murat Ural und einige mehr gilt das nicht. Sie alle gingen oder mussten gehen wie jener Nachwuchstrainer, der nach einer Niederlage gegen die Gleichaltrigen der Grasshoppers sofort fortgeschickt worden war.
Das alles folge „einem klaren Plan“, es finde „ein Prozess Schritt für Schritt“ statt, sagte Canepa mehrfach über die unzimperliche Art und Weise, wie mit dem Segen des Besitzerpaares der Sportchef die Neuerfindung des FCZ vorangetrieben hat. Eine der Fragen in den nächsten Monaten lautet deshalb, ob nach dem groben Umbau wieder etwas Ruhe einkehren kann. Sie wären Voraussetzung für ein gedeihliches Fortkommen im Plan, dorthin zu gelangen, «wo heute die Young Boys sind und wo früher der FC Basel war». So nennt Malenovic den Plan für die kommenden zwei, drei Jahre.
Das bedeutet: Tore, Titel, Transfers. Letzteres ist Malenovics Kernkompetenz als Spielerberater. Allerdings sitzt er als Sportchef nun auf der anderen Seite des Tisches. Wie noch vor kurzem, als er etwa für Antonio Marchesano einen möglichst guten Vertrag beim FCZ aushandelte. Schon früh im Jahr hat Malenovic angekündigt, dass er sich darauf freue, neue Spieler zu verpflichten und das zu tun, worin er sich auskennt. Vor allem seine Antwort auf die Stürmer-Frage, die sich als wiederkehrender Witz während der ganzen Saison darstellte, wird interessant sein.
Fit werden für eine Übernahme
Ohnehin wird die Zusammenstellung der Mannschaft die Handschrift Malenovics tragen. An ihrem Erfolg wird sich der Sportchef messen lassen. Aber nicht nur: Auch daran, ob sich im FCZ Spieler zeigen, die mit Gewinn wiederverkauft werden. In den Größenordnungen, wie es YB gelingt oder noch immer dem FCB. Also nicht nur für 4 Millionen wie im letzten Sommer Ayegun Tosin, sondern für 10 Millionen wie Fabian Rieder von YB. Auch das ist Teil der «Neuerfindung».
Geht der Plan auf, spielt der FCZ vielleicht sehr bald in der Gruppenphase der Champions League; Die bevorstehende Qualifikation für die Conference League gibt einen Vorgeschmack. Denn ausgeschlossen ist nichts. Wie immer im Fußball. Dies ist die Basis, auf der die Familie Canepa Malenovic eine robuste Rückendeckung gibt. Auch die Besitzer sehen – obwohl sie das Gegenteil behaupten – irgendwo am Horizont die eigene Endlichkeit des Daseins als FCZ-Besitzer. Der Klub soll für die Übernahme durch neue Steuerleute fit gemacht werden. Malenovic steht bereits am Ruder.