Beitragvon rot-blau » 08.08.05 @ 7:06
Bedingt europakompatibel
Thun fällt das Glück in den Schoss - Taini lässt es fallen
tre. Die Anhänger des FC Zürich bevorzugen den Blick zurück; denn früher war vieles besser. So flimmerten nach dem 2:2 gegen den FC Thun Bilder von zeitloser Schönheit auf der Grossleinwand der Flachpass-Bar - Bilder der denkwürdigen Zürcher Uefa-Cup-Auftritte (1:1, 4:2) gegen Celtic Glasgow im Herbst 1998. Leute wie Lima und Bartlett, die später Weltkarriere machen sollten, führten den FCZ bis in den Achtelfinal gegen die AS Roma.
Jetzt stehen die Zürcher wieder an der Pforte zu Europa, und es sind Parallelen zu damals auszumachen. Wie vor sieben Jahren verfügt der Stadtklub über eine technisch versierte, gut eingespielte Mannschaft, die das Publikum begeistern kann. Auch gegen Thun wurde phasenweise ersichtlich, dass es Trainer Favre immer besser gelingt, seine Vorstellungen von einem kultivierten, durchdachten Fussball auf den Rasen zu übertragen. Doch ganz der (schlechten) Tradition entsprechend kommt hier das Wenn und Aber: Wie vor sieben Jahren, als der FC Zürich aufgrund seines spielerischen Potenzials hätte um den Schweizer-Meister-Titel mitspielen müssen, fehlt der Mannschaft auch heute die Konstanz. Nach dem idealen Saisonstart mit Siegen in St. Gallen und gegen GC ist die Equipe vom Kurs abgekommen. Das 1:2 in Basel und das Remis gegen Thun sind zwar keine katastrophalen Schadensmeldungen, doch vor dem Hintergrund, wie leicht der FCZ in der Vergangenheit jeweils aus der Balance zu kippen war, kommen düstere Gedanken auf. Am Samstag fokussierten sich Kritik und Enttäuschung auf einen Mann: Torhüter Davide Taini. Natürlich ist der Goalie das schwächste Glied in der Kette - macht er einen Fehler, ist der fast immer irreparabel -, doch im Letzigrund-Ensemble häufen sich die Aussetzer vor dem eigenen Tor in besorgniserregendem Masse. Gegen Thun sah Taini beim ersten Gegentreffer unglücklich und beim zweiten schlecht aus. Hinter einer Verteidigung, die ein Durchschnittsalter von 22 Jahren auf den Platz bringt, ist ein derart destabilisierender Faktor schlicht untragbar. Böse Zungen behaupten, mit Taini liesse sich nicht einmal das Grümpelturnier von Seebach gewinnen.
Was den Zürchern am Donnerstag in Warschau bevorsteht - nämlich ihre Europakompatibilität zu beweisen -, haben die Thuner bereits hinter sich. Kiew war das Husarenstück, gegen Malmö soll nun die Meisterprüfung folgen. Anlässlich des Zwischenhalts in Zürich Aussersihl vertrauten die Berner Oberländer im Letzigrund auf dasselbe Mittel wie am vergangenen Mittwoch: Zwei kompakte Defensivriegel, nur eine Sturmspitze (Lustrinelli) und eine simple Kontertaktik. Das sah in der ersten Halbzeit sehr stilsicher aus und war nach der Pause von beneidenswerter Effizienz: Aus einer halben Chance machten die Berner Oberländer zwei Tore. Zunächst profitierte Ferreira von einem kollektiven Aussetzer der FCZ- Hintermannschaft, in der 89. Minute düpierte Adriano Taini mit einem Weitschuss aus dem Nichts. Di Jorio und Nef hatten das Heimteam zweimal in Führung geschossen.
Die Torfolge definierte die Gemütslage nach dem Spiel: Während der Zürcher Coach Favre von einer «Enttäuschung» sprach, kehrten die Thuner mit einem zufriedenen Lächeln zum Auslaufen zurück. Sie scheinen im Moment alles richtig zu machen. Das Glück fällt ihnen quasi in den Schoss. Doch irgendwann kommen wieder andere Zeiten. Spätestens dann ist vom Schönenberger- Team auch in der Vorwärtsbewegung etwas mehr Aktivismus gefragt. Die Zürcher werden sich in ihrer Situationsanalyse auf das Verhalten im eigenen Strafraum konzentrieren. Wer immer drei Tore erzielen muss, um ein Spiel zu gewinnen, stösst automatisch an seine Grenzen. Die Zeit ist reif für Taini-Ersatz Johnny Leoni.
Quelle: Online-NZZ 08.08.05
FC Basel; still going strong!