Beitragvon pexito » 20.10.05 @ 18:46
Die Frage sei erlaubt
Allgemein ist frühestens seit der EM-Vergabe und spätestens nach Kopenhagen, eine neue Tagesordnung für den Fussballfan angebrochen. Die direkten Auswirkungen nach Kopenhagen konnten in Aarau festgestellt werden, da war das Polizei Aufgebot grösser als auch schon. Auf die Zwischenfälle dort möchte ich nicht näher eingehen. Oder den Zivilbullen im Hardturm mit Kamera. Dennoch seien gewisse Fragen erlaubt. Doch davor eine Bestandesaufnahme von Fankategorien (nicht ausschliesslich auf FCZ Fans vollzogen).
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Hooligan
Der verbreiteter Ausdruck für einen gewalttätigen, randalierenden Fan. In den vergangenen Jahren haben sie sich hauptsächlich um Ihre eigenen Prügelaktionen und Versammlungen gekümmert. Hauptsache Schlägerei mit Ehrenkodex und Adrenalinaustoss, danach fühlt man auch wieder. Ob Schmerz oder Freude ist ganz von der Prügelei abhängig, ich nehme an, normalerweise beides. Sie betrachten die Treffen als Sport, als Extremsport sozusagen. Meine Kenntnisse von Hooliganismus sind begrenzt, allerdings zeichnen sich Trends ab, die bei Hooligans unerwünscht oder zumindest nicht gewünscht sind. Der sozial gut situierte Hooligan, welcher sich am Wochenende ohne Einsatz von Waffen prügeln und messen will, verendet langsam zum Mythos. Die kleine Anzahl solcher Hooligans entspricht kaum mehr der grossen randalierenden Masse an. Ihre Identifikation zum Klub war, etwas verallgemeinert, nie sonderlich gross. Und sie wird kleiner, denn die von Ihnen gesuchte ‚Action’ wird rar. Hool-Gruppierungen haben Prügeleien als oberstes Ziel, alles andere ist auswechselbar und muss es auch sein. Denn Gewalt kann für Hools zur Droge werden. Ziel der Hool-Gruppierung: Einerseits soll die Gruppe stark und zahlreich sein, anderseits sich im Groben an den Kodex halten. Sie überschreiten die Gesetzesgrenzen bei Ihren Schlägereien und gelegentlich mit randalierendem Auftreten. In den Medien wird gerne das Schlagwort „Hooligans“ für anderweitig orientierte Fans benutzt.
Ultras
Der Ausdruck sollte eigentlich eingefleischte Fans betiteln, welche mit verschiedenen Mittel die Unterstützung des geliebten Fussballklubs anstreben. Singen, Klatschen, Chöre und Choreographien sind das Repertoire, allenfalls kombiniert mit pyrotechnischen Aktionen. Sie können sich in mehreren Gruppen organisieren, müssen aber nicht. Typischerweise sind sie durch das Tragen von speziellen Fanartikeln (Schals, Doppelhalter, Banner) erkennbar. Ultras können auch vereinzelt auftreten, solange die Ideologie sich deckt. Das Messen zwischen Ultras begnügt sich traditionellerweise auf die Choreos, Gesänge, Sprechchöre, kurzum auf die Unterstützung des Klubs. Der Ultra erhebt teilweise unberechtigten Anspruch auf spezielle Betreuung vom Klub. Sei es im Preissegment, erfüllen von Wünschen, speziellen Schutz gegenüber dem Gesetz, Anhörung seiner Umstände bei Klubverantwortliche. Ultras sind in der Schweiz im Aufwind. Sie stellen die Mehrheit an treuen, reisefreudigen, kreativen Fans. Ihre Identifikation mit dem Klub ist sehr stark, Ihre Arbeit ehrenamtlich. Oftmals werden Ihre Projekte wirtschaftlich genutzt, nicht immer aber zum Wohle des Klubs. Fallen Ultras negativ in den Medien auf, dann vor allem wegen Aktionen innerhalb der Stadien (Pyro, Kassensturm etc.). Oftmals wird der Begriff Ultras und Hooligan in den Medien vermischt, was zur Unbeliebtheit und Kriminalisierung von Ultras führt.
Fussballkenner, -liebhaber
Der Kenner des Fussballs verschreibt sich selbst mit Vorliebe dem Fussball, üblicherweise ist er ein bekennender Fan eines Vereins, nicht zwingend eines Schweizer Vereins. Nicht selten spielt er selber Fussball oder hat gespielt. Er kennt diverse Fussballproblematiken von einigen Klubs und verfolgt den Fussball regionenübergreifend. Falls sein Budget es ihm erlaubt, ist er vornehmlich in den Tribünen anzutreffen. Gegenüber den Normalos, kennt er die Zustände im Stadion und weiss wie er sich zu verhalten hat. Der Fussballkenner kommt nur selten in kritische Situationen. Seine Reaktionen und Bewertungen zu Matches sind nüchtern und sachlich. Emotionen kommen hin und wieder, aber nur im begrenzten Masse auf. Er trägt der Stimmung nicht sonderlich bei, allenfalls lässt er sich mitreissen zu Fangesängen, mehr nicht. In den Medien kommt er nur selten zur Geltung, weil er einerseits unkompliziert ist, er fällt nicht auf, und anderseits zu viele Kenntnisse hat um sich überhaupt mit den (schweizer) Medien zu befassen. Er hat fast nie Probleme mit dem Gesetz, weder als Ankläger noch als Beklagter.
Normalos
Das sind Fans die mal mehr, mal weniger sich mit dem Klub identifizieren, allerdings verleugnen sie Ihren Klub nicht. Üblicherweise ist der Fussball in Ihrem Leben eine Randerscheinung, ein Event, Unterhaltung. Daher verfolgen sie soweit wie möglich den Klub von zu Hause aus, im Fernseher und in den Medien. Sie kennen nur begrenzt die Schwierigkeiten des Klubs und erheben oft unhaltbare Ansprüche gegenüber dem Klub. Da sie immer noch die Mehrheit unter den Fussballfans stellen, richten sich die Medien stark nach Ihren Anforderungen. Zeitungen und Fernseher unterstreichen Ihre Meinung, die so zur allgemeinen Meinung verbreitet wird und auch von Fussball-Ignoranten übernommen wird. Normalos wünschen sich oftmals Zirkus-Gala mit spektakulären Resultaten und sind von einem taktischen und unterhaltsamen 0-0 enttäuscht. Auf eine Kanterniederlage folgt eine mindestens dreiwöchige Fussballabstinenz. Nur Tore zählen, am besten Direktabnahmen und Fallrückzieher. Falls es ihr Budget erlaubt, besuchen sie alle möglichen CL-Spiele und erhoffen sich einen Mehrwert. Normalos sind gesetzestreu und wollen ohne Umwege und ungehindert an Spiele, ohne sich den üblichen Zuständen in Stadien unterzuordnen. Mit den Kindern in die Kurve, protestieren sie gegen Raucher, Flucher und anderen emotionsgeladenen Fans. In erfolgreichen Phasen des Klubs, treten sie öfters auf als bei schwächeren Phasen.
Modefans
Solche Trendverfolger sind eng mit den Normalos verwandt, allerdings möchten sie zu gerne zu den hartgesottenen Anhänger gehören und orientieren sich hauptsächlich an die Ultras. Modefans sind meistens zwischen 14-25 Jahre alt. In Ihrer Laufbahn als Fussballfan ist alles möglich, vom Abbruch und Fussballhasser bis hin zum Klubwechsel. Einige von Ihnen entwickeln sich sogar zum Ultra oder Fussballkenner, über Ihre Beweggründe nicht ganz erhaben, ist diese Entwicklung vom Verlauf Ihrer Fankarriere abhängig. Haben sie sich einmal integriert, gibt es für sie kaum ein Zurück mehr. Modefans sind zu Beginn Ihrer Fankarriere nur begrenzt Fussball-interessiert, dementsprechend sind auch Ihre Fussballkenntnisse. Sie übernehmen oft die Meinungen von gewissen Ultra- und Hooliganvertretern, weil sie denen Nacheifern wollen.
E-Fans / B-Fans
Diese vieldiskutierte Kategorie von E-Fans bezeichnet man üblicherweise als Erlebnisorientierte und gewaltbereite Fans. Ihre Absichten sind weder erkennbar noch transparent. Oft gehen sie als Ultras durch, je nach Situation greifen sie aber bei Randalen ein. Prügeln und randalieren ist bei Ihnen nicht immer eine Sache der Einstellung, sondern der gegebenen Situation. Mann könnte sie auch vandalistische Opportunisten bezeichnen, die bei gegeben Möglichkeiten ihren Beitrag zur Zerstörung oder Keilereien leisten. Normalerweise gehören sie nicht zu den organisierten Gruppen, sondern zum Typ Mitläufer. Viele Hools und Ultras-Gruppen haben diese Entwicklung nicht unter Kontrolle, sie sind nicht wirklich erwünscht, oft aber toleriert. Während Hools allwöchentlich ihrer Gefahr und ihrem Tun bewusst sind, sind die Reaktionen von E-Fans nur schwer nachzuvollziehen. Entsteht Gefahr, weiss man nie wie es ausgeht. Solche E-Fans können mit dem Kick und Eskalationen nicht ähnlich erfahren wie Hools umgehen, dabei können bewaffnete E-Fans (Stangen, Flaschen, Pyro) erheblichen Schaden und Verletzungen verursachen. Es kann auch zu übergriffen mit der Polizei oder gar mit stadioninternen Betrieben führen. E-Fans haben, ähnlich wie die Hooligans, selten eine Affinität zum Klub. E-Fans sind im Unterschied zu den Hooligans getrieben von Frust und Wut, sie funktionieren nach dem Motto „In der Gruppe sind wir stark“. Meistens stellen andere die Gruppe.
B-Fans, die sich selbst oft als Ultras bezeichnen, identifizieren sich meisten mit dem Klub, ähnlich wie die Ultras. Im Grunde ist der Begriff schwammig, zwischen E-Fans und B-Fans gibt es keine klaren Grenzen. Von jenem der nur als Gaffer dabei sein will, über jener der seine Gewalt auf dem Boden liegende Gegner bearbeitet, bis hin zum Stewards verprügeln. Die Spanne ist weit und nicht klassifizierbar. Gemäss „Hooligan-Experten“ liegt die Gefahr bei diesen E/B-Fans, sie seien nur schwer kontrollierbar. Der grosse Unterschied zwischen den B- und den E-Fans liegt in der Natur des Stadionsbesuches, während E-Fans auf Ausschreitungen hoffen und sich nur begrenzt für den Klub interessieren, gehen B-Fans grundsätzlich des Vereines wegen ins Stadion. B-Fans lassen sich je nach Ausgang der Partie und ihren Emotionen, vor allem unter Einfluss von Alkohol- und anderen Drogen, zu gefährlichen Aktionen hinreissen.
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Bei Ausschreitungen aller Art, sind die ersten die sich darüber mokieren die Normalos. Und weil sie in den Medien Anklang finden, beschweren sie sich immer wieder über die herrschenden Tatsachen im und ums Stadion. Was immer sie finden können. Sie empfinden übermässigen Polizeieinsatz als gerechtfertigt, ohne dass sie irgendwelche Kenntnisse über Fangesinnungen haben. Für sie sind alle die lauten, trunkenen und ungepflegten „sogenannte“ Hooligans und gehören:
a) verprügelt
b) verurteilt
c) ins Gefängnis
Denn genau diese Jungs stören ihren Fussballalltag, in dem sie für sich den Klub und den Fussballsamstag/Sonntag in Anspruch nehmen. Dabei gehört dieser Tag doch ihnen und bei Gelegenheit darf auch mal ein Federer mitgucken. Sollte aber mal im Fernseher ein Spiel in einem „Hexenkessel“ laufen, fragen sich die Normalos warum bei Ihnen im Stadion keine solche Stimmung aufkommt. Illusion und Realität sind und waren schon immer zwei Worte die man verwechselt hat. Kurzum, sie unterstützen generell die Repression der Polizei und mit den Medien haben sie ihren Partner damit gefunden. Wenn sie wüssten wie Hooligans aussehen, könnten sie keine Minute im Stadion geniessen. Jederman könnte einer sein. Scheinheilige Bilder aus VIP-Logen und der kommerzialisierten englischen Premier League geben ihnen Recht. Und den emotionslosen Journalisten auch. „Gopfertelli“! Wir leben ja auch in einem Land in dem es offiziell keine Streike gibt, ‚odär’?
Den Fussballkenner kümmert es nicht viel, sie vermissen vielleicht die Stimmung, anderseits haben sie gegen etwas mehr Sicherheit nichts einzuwenden. Für sie ist es eher eine Frage der Ideologie. Sollte man Fans einfach einsperren oder nicht? „Eher nicht“, ist die Haltung, aber wer fragt sie schon.
Repression greift üblicherweise auf alle anderen Fankategorien zu. Ultras können nur beschwerlich ihre Unterstützung bewerkstelligen, sind sie doch für viele Unwissende die Übeltäter. Derweil es die Modefans nur bedingt tangiert, wollen sie doch dabei sein, werden sie sich schnell den neuen Gesetzen und den Gewohnheiten unterordnen. E- und C-Fans sind geschickter, auf Bilder sind sie nur schwer als Fans identifizierbar und haben demnach mehr Bewegungsfreiheit, obwohl einige unter ihnen bei der Polizei bekannt sind. Die Polizei ist nach Ausschreitungen gefordert und üblicherweise handelt sie extrem. Zahlen und Bilder in den Medien sprechen eine einfache Sprache, da kann nicht viel missverstanden werden. Für Normalos ein gefundenes Fressen. Darauf stürzt sich auch der SFV, der sich von solchen Vorgehen nicht distanziert und die EM mit Kommerzfans plant. Repression ist nicht nur wegen der EM vorprogrammiert.
Seit geraumer Zeit sind zwei Szenarien abzusehen, Repression oder Selbstregulierung. Die Sache bei der Selbstregulierung ist etwas komplizierter als von vielen geplant. Wie kriegt man Vandale und Randale gemässigt? Wie können sich nicht gewalttätige Fans davon distanzieren? Selbst die Hooligans haben so ihre schlechten Erfahrungen damit gemacht und entfernen sich immer mehr von den Stadien, arrangieren Abseits davon ihre „Treffen“. Die Polizei hingegen sammelt Daten von jedem und allen, die Hooligan-Datenbank wird gefüllt, ob gesetzlich erlaubt oder nicht. Die Auswirkungen werden sich sukzessive zeigen. Die Endrunde läutet ein, es seien schon gesetzliche Vorlagen da, welche eine Datenbank gewährleisten. Na dann viel Spass. Einzelne Fälle werden den Weg für Massendokumentationen ebnen. Egal ob Basel, GC oder FCZ.
Die Frage sei erlaubt, was gedenken die respektiven Kurven zu tun? Zu welchem Szenario werden sie tendieren? Repression oder Selbstregulierung? Das soll jetzt keine rhetorische Frage sein, denn für die Selbstregulierung muss auch was geschehen. Ansonsten fällt die Wahl auf Repression. Und ausser den Normalos, Normalo-Medien und SFV, hat niemand daran direktes Interesse. Contra Kommerzfussball!
Subjektive Sicht:
Als einen Fussballliebhaber mit Ultragesinnung, muss ich mir die Frage stellen, wo meine Grenzen liegen. Was ist für mich tragbar? Totale Fussballabstinenz kann ich mir momentan nicht vorstellen. Möchte ich mich deswegen als ein gesuchtes Objekt im Auge der Repression sein? Die Südkurve läuft einem Problem entgegen. Die Selbstregulierung greift nicht, obwohl viele der Täter bekannt sind. Wurststände zu überfallen, Stewards den Rest geben beim Kassenstürmen oder bei der Platzinvasion (Cupfinal in Basel), kann ich nicht akzeptieren. Ich muss mich in nächster Zeit entscheiden, wo ich mich hin bewegen will. Fussball und FCZ haben höchste Priorität, da weich ich lieber noch auf eine Tribüne aus, solange ich von der Repression verschont werde (möglicherweise schon zu spät). Muss ich die Kurve aufgeben? Dann habe ich dem Fussball eigentlich nicht geholfen. Aber dastehen und zusehen, kann es auch nicht sein. Eingreifen? Jetzt habt ihr mich erwischt, ich getraue mich nicht. Ich bin ein einzelner und es wird wenige interessieren, was ich zu melden habe. Dennoch die Frage müsst ihr Euch auch erlauben.
Wo liegt bei Euch die Grenze? Wie wird Eure Konsequenz aussehen?
Darum, die Frage sei mir erlaubt: Geliebte SK, Repression oder Selbstregulierung?
Gruss Pexito
"We will always rebel against a threatening defeat" RED REBELS