Beitragvon billy » 17.09.03 @ 7:58
Quelle: Tagi vom 17.09.2003
Die Ausländerbeschränkungen im Schweizer Mannschaftssport sind juristisch nicht haltbar. Die Auswirkungen für die Spitzenklubs und Ligen sind ungewiss.
Der Unihockeyklub Basel Magic hat ein Steinchen losgetreten, das sich keineswegs zur Lawine entwickeln muss - aber einige Auswirkungen auf die Schweizer Sportszene haben kann: Die von den Klubs untereinander abgesprochene Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl spielberechtigter Ausländer hält den gesetzlichen Vorgaben nicht stand. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie wurde jetzt durch das Aufbegehren von Basel Magic erstmals gerichtlich zum Fakt.
Am Anfang standen die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedsländern, die unter anderem eine freie Wahl des Arbeitsplatzes untereinander gewährleisten. Diese Verträge stehen im Widerspruch zu selbst auferlegten Beschränkungen, wie sie Sportklubs gemeinsam getroffen haben, um den Spielbetrieb in ihren Ligen zu strukturieren - so dürfen zum Beispiel in der höchsten Eishockeyliga nur drei Ausländer pro Verein im Spiel eingesetzt werden, fünf dürfen lizenziert sein. Gemäss EU-Recht ist diese Beschränkung juristisch nicht haltbar.
Hält das Gentlemen’s Agreement?
Das spielt aber eigentlich keine Rolle, solange sich alle Klubs an diese Art von internen Regelungen, letztlich Gentlemen’s Agreements, halten. Basel Magic hat dies in der Unihockey-NLA nicht getan. Als das Team vergangene Saison bereits als Teilnehmer der Abstiegsbarrage feststand, trat es - entgegen dem Reglement - mit einem zweiten EU-Ausländer an.
Die Partie ging folgerichtig forfait verloren, sportlich hatte dies keine Auswirkungen mehr - juristisch dafür umso mehr: Vor einem Zivilgericht bekam Basel Magic mittlerweile recht, die Beschränkung der Zahl ausländischer Spieler aus dem EU-Raum ist nicht haltbar. EU-Recht steht wegen der bilateralen Verträge über Verbandsstrukturen und Abkommen der beteiligten Klubs. Das Urteil war in diesem Sinn erwartet worden. Allerdings hatten einige Verbände mit einer Übergangsfrist gerechnet, das Urteil für Basel Magic macht klar, dass es eine solche nicht gibt.
Was aber heisst das nun für die anderen Sportarten, fallen auch hier die Beschränkungen, ist gar mit einer Ausländerschwemme zu rechnen? Das wohl nicht, denn diese Gentlemen’s Agreements sind keineswegs umstritten oder ohne Basis, sie sind breit abgestützt bei den Klubs. In der Swiss Football League zum Beispiel wurde das bestehende Reglement einstimmig angenommen.
Warnung an die Verbände
Man darf das Urteil für Basel Magic aber nicht unterschätzen, die Folgen werden mittel- oder langfristig zu spüren sein. Denn klar ist: Sobald sich nur ein Klub nicht an die Abmachungen hält, bricht das bewährte Schweizer Modell zusammen. Das könnte passieren, wenn ein Verein kurz vor Saisonende in Abstiegsgefahr gerät, wenn ein Trainer plötzlich sechs, sieben verletzte Stammspieler hat.
Natürlich: Der jeweilige Verband oder die Liga kann Forfait-Niederlagen aussprechen, der betreffende Verein wird deshalb möglicherweise absteigen. Der Verband kann den Verein sogar von der Meisterschaft ausschliessen.
Aber der Klub erhält irgendwann vor einem Zivilgericht gegenüber den Massnahmen des Verbandes Recht, davon ist zumindest der Basler Jurist Marco Balmelli überzeugt: «Das Urteil im Fall Basel Magic ist hieb- und stichfest ausgearbeitet.» Balmelli, der den Unihockeyklub vor Gericht vertreten hat, ist deshalb überzeugt: «Sollte in einer anderen Sportart ein Klub mit mehr Ausländern spielen, als die jeweilige Liga erlaubt, wäre der Verband nicht gut beraten, wenn er einen Prozess anstrengt.» Ausschluss und Abstieg wären dann nichtig, Regressansprüche eine Folge, eigentlich abgeschlossene Meisterschaften könnten für ungültig erklärt werden.
Beim Fussballverband hat man bereits reagiert. An der Generalversammlung im November werde man den Klubs Vorschläge für eine erneuerte Regelung unterbreiten, sagt Edmond Isoz, Direktor der Swiss Football League. Es sei allerdings wünschenswert, wenn man die aktuelle Saison gemäss bestehendem Reglement beenden könnte. In Zukunft dürfte also die bestehende Beschränkung auf sieben Ausländer im Kader fallen.
Eishockey-Verband bleibt gelassen
Franz A. Zölch, Nationalliga-Präsident im Schweizer Eishockey sieht momentan keinen Bedarf zu Veränderungen, er beruft sich aufs Gentlemen’s Agreement, das bereits seit sechs Jahren funktioniere: «Wir sehen der Entwicklung gelassen entgegen.» Das Reglement sei von den Klubs für die Klubs gemacht, wer dies ändern wolle, müsse den gesamten Instanzenweg innerhalb des Verbandes zurücklegen, und der sei wesentlich detaillierter als etwa im Unihockey-Verband.
Zudem ist für Zölch ungewiss, ob Sportorganisationen überhaupt dem «normalen EU-Recht unterstellt sind, oder ob spezielle Lösungen aus sportpolitischen Interessen möglich sind». Dem entgegnet Balmelli: «Dann hätten die Sportorganisationen bei den Verhandlungen über die bilateralen Verträge offiziell ihre Vorbehalte einbringen müssen, das ist nicht geschehen.» Allerdings bezweifelt Balmelli stark, dass sich die EU darauf eingelassen hätte: «Aber man wäre im Schweizer Sport vielleicht eher für das Problem sensibilisiert worden.»
GC mit elf Ausländern im Derby . . .
Bei so vielen Unwägbarkeiten ist offen, wie die Auswirkungen konkret sein würden, wenn einer oder mehrere Klubs das Gentlemen’s Agreement brechen. Droht eine Invasion kanadischer Hockeyspieler oder südamerikanischer Fussballer, die sich plötzlich auf ihre europäischen Wurzeln besinnen, und als Nachkommen von englischen, italienischen oder spanischen Auswanderern einen EU-Pass erhalten? Verlieren die Fans letztlich ihren Bezug zum Klub, wenn etwa bei GC elf Ausländer das Derby gegen den FCZ beginnen?
Die Entwicklung hängt entscheidend davon ab, wie sich die Klubverantwortlichen verhalten. Wer wirft den ersten Stein? Dass er geworfen wird, ist nicht zwingend, aber auch keineswegs ausgeschlossen. Oder denkt jemand, dass einer wie Christian Constantin, der zu vielem bereit war, um «seinen» FC Sion zu retten, viel Wert auf ein Gentlemen’s Agreement legt?
Der Schweizer Stand der Dinge
In der höchsten Liga von sechs Team-Sportarten gelten momentan folgende Reglemente betreffs Einsatzes von ausländischen Spielern und Spielerinnen:
Eishockey: Pro Saison dürfen fünf Ausländer lizenziert sein, davon dürfen gleichzeitig drei spielen.
Fussball: Sieben Ausländer dürfen auf dem Matchblatt stehen, davon dürfen jeweils fünf gleichzeitig spielen. Dieses Reglement gilt noch bis Saisonende 2003/2004.
Handball: Seit Juni 2002 keine Einschränkungen betreffend Spieler aus EU- und Efta-Ländern. Verbandspräsident Tobler sagt, man wollte mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen mit Klubs vermeiden.
Volleyball: Keine Einschränkungen, egal, aus welchen Ländern die Ausländer stammen.
Basketball: Drei Ausländer dürfen lizenziert sein, mindestens einer muss aus der EU stammen.
Unihockey: Noch ist offen, ob das Reglement nach dem Urteil pro Basel Magic geändert und die Beschränkung auf einen Ausländer pro Klub beibehalten wird. Die Öffnung sei auf die Saison 2004/2005 ohnehin geplant gewesen, sagt Verbandspräsident Renato Orlando.