Jea hat geschrieben:also, ich mach mir grad viele Gedanken, zu dieser Geschichte... die unglaubliche Vergabe damals, sowie was auch bisher bis Heute alles im Zusammenhang der WM passiert ist. Über die vielen toten Gastarbeiter, sowie auch die menschenverachtendene Diktatur und tausende Aussagen oder Verfolgungen, Verhaftungen etc wurde ebenfalls schon zu Hauf diskutiert.
ich habe aber mal ein paar ernsthafte Fragen, und hoffe, nicht gleich den nächsten Shitstorm anzuzetteln. wenn wir die WM boykottieren, schliessen wir dann nicht absichtlich und schneinheilig die Augen, obwohl wir eigentlich erst richtig hin sehen sollte? Kann man in diesem Fall mit einem Boykott wirklich was verändern, oder ist es einfach besser, einfacher, fürs eigene Gewissen? was haben die Bevölkerung, die Gastarbeiter und all die anderen Untergebenen davon, wen wir nicht hinschauen, ausser dass man das Treiben der Reichen weiter missbilligt (unter einem Deckmantel, des Gewissens-Boykotts)? müssen wir nicht UNBEDINGT hinschauen, um Missstände aufzuzeigen und zu sehen?
Nicht falsch verstehen, ich weiss die Antworten auch nicht abschliessend und ich weiss auch noch nicht, was ich genau machen werde, aber ich finde es zu einfach, jetzt einfach nicht hinzusehen (es gibt mir ein mulmiges Gefühl, und auch habe ich das Gefühl, die "normalem" Menschen/Arbeiter dort im Stich zu lassen, auch wenn ich selbst natürlich als kleine Jea alleine nicht viel bewirken kann, indem ich nicht hin sehe) Klar, die Fifa verliert Geld, Zuschauerquoten etc, aber haben die nicht im Vorfeld eh schon genug gescheffelt, als dass das wirklich weh tun könnte?
der Boykott und die Proteste kommen für mich zu spät, es ist wichtig für mich, völlig subjektiv natürlich, dass über all die Probleme und Schicksale berichtet wird, weil ich glaube, wenn es weiter unter den Tisch gekehrt wird, sich gar nichts ändert, vor allem nicht für das kleine Volk, welches auch in Qatar existiert!
ich habe aber selbst immer noch keine Lösung und ob ich Spiele anschaue oder nicht, steht noch völlig in den Sternen...
Ich kann Dir sagen: Du stehst ganz sicher nicht alleine da mit diesen Gedanken.
Bzgl. Boykott stellt sich, so glaube ich, tatsächlich die Frage ob dieser zielführend ist oder eben nicht. Eine klare Antwort darauf dürfte es wohl keine geben. Wie Kiyomasu richtig schreibt, könnte nur mit einem Boykott und seinen Folgen (Ausbleiben der Werbeeinnahmen, Reputationsverlust etc.) für die künftige Entwicklung des Fussballs, der FIFA, der WM, etc. ein Zeichen gesetzt werden. Auf der anderen Seite soll aber auch wahrgenommen werden, was eben genau falsch läuft. Nur glaube ich, dass es dafür bereits zu spät ist, ohne dass ganz grosse Kollateralschäden in Kauf genommen werden müssen. Man hätte bereits nach der unsäglichen Doppelvergabe der WM an Russland und Qatar eingreifen müssen...die Empörung zu dieser Vergabe verschwand aber genauso schnell aus der breiten Öffentlichkeit, wie das konsequente Aufdecken all dieser Missstände. Russland hat die WM dazumal geschickt inszeniert und kritische Stimmen früh unterdrückt. Zumal zu diesem Zeitpunkt niemand richtig wahrhaben wollte, welch menschenverachtende Züge die russische Regierung aufweist. Bei Qatar wurden die Missstände früher ersichtlich...dennoch blieb die ganz grosse Empörung wie sie sich nun zeigt aber lange Zeit aus... und natürlich ist das jetzt viel leichter dahergesagt im Sinne von: "im Nachhinein ist man immer schlauer..." das ist mir auch klar.
Diese WM und die menschenunwürdigen Zustände in Qatar, sowie die kriminellen Machenschaften der FIFA anzuprangern hätte im Vorfeld von ganz anderen Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (auch von uns Fans) und viel vehementer stattfinden sollen. Dass nun aber von Fussballspieler und Landesverbänden ultimativ gefordert wird, nicht am Turnier teilzunehmen um ein Zeichen zu setzen ist m.E. zwar legitim aber halt auch nicht ganz Fair. Diese Verantwortung nun den Fussballspielern zuzuschieben ist nicht richtig und auch nicht deren Job. Einen Boykott trifft sie nämlich genau so hart, hängt doch mitunter auch ihre Karriere zu einem gewissen Teil von dieser WM ab (Teil des Systems und so...). Die einzige Scheinheiligkeit eines Fanboykotts sehe ich deshalb höchstens darin, als dass der Widerstand gegen diese WM nicht früher kam...
Ich für meinen Teil habe entschieden, diese WM nicht zu schauen...dass ich nach dieser verkorksten Vorrunde und der Tatsache, dass ich Glühwein zum Fussball saufen müsste anstelle eines kühlen Bieres sowieso keine Lust auf dieses Turnier habe, macht es mir einiges einfacher.
Eine abschliessende Antwort habe ich aber auch nicht....
„The fundamental cause of the trouble is that in the modern world the stupid are cocksure while the intelligent are full of doubt“
Bertrand Russell