Beitragvon spitzkicker » 12.11.14 @ 16:30
Erlaube mir folgende Bermerkungen zu verschiedenen Artikeln zum Fall Yapi.
- Der Kommentar des Blick-Sportchefs kann man nicht ernst nehmen, da er ein Spezi von Fringer ist, dieser mit Canepa im Clinch liegt und somit der im Aargau wohnende Blick-Sportchef bei jeder Gelegenheit gegen Canepa oder den FCZ schiesst.
- Schifferle vom Tagi gefällt sich nur, wenn er kritisieren und verurteilen kann, egal welches Fussball-Thema gerade aktuell ist. Fehlte noch, dass er seine Zeilen mit einem "Amen" abgeschlossen hätte.
- Da lob ich mir halt, auch wenn es nicht meine Hauszeitung ist, einmal mehr die deutlichen, aber ausgewogenen Worte in der NZZ:
Gilles Yapi ist ein 32-jähriger Fussballer, er steht wenige Jahre vor dem Karrierenende, und vielleicht muss er mit dem Profisport nun früher aufhören, als er erwartet hat. Yapi ist am Sonntag schwer verletzt worden, sein Knie ist zertrümmert; das Foulspiel, das seine Laufbahn als Fussballer zu beenden droht, gehört zu den grössten Unsportlichkeiten, die man seit langem gesehen hat. Das Foul geht um die Welt, in den USA berichtet «ABC News» in einem mehrminütigen Beitrag darüber. Der FC Zürich, Yapis Arbeitgeber, sieht in der Aktion viel mehr als eine Unsportlichkeit, er nennt das Foul eine «Attacke», einen Anschlag auf Yapis Gesundheit, und hat angekündigt, Strafanzeige gegen Sandro Wieser einzureichen. Der Spieler des FC Aarau hat das Foul begangen und sich entschuldigt, aber dadurch lässt man sich beim FCZ nicht besänftigen.
Im Grenzbereich
Wenn der FCZ-Präsident Ancillo Canepa seine Drohung wahr macht, wird sich ein Zivilgericht um den Fall kümmern müssen. Es geht Canepa um eine Prinzipienfrage und darum, den Foul-Spieler an den Pranger zu stellen, um die grösstmögliche Abschreckung zu erzielen. Ob er den Fall gewinnt oder verliert, ist dem Zürcher Präsidenten gleichgültig, zumindest hat er das in der Öffentlichkeit so gesagt.
Klar ist: Canepas Gerechtigkeitsgefühl scheint von einem Sportgericht nicht befriedigt werden zu können. Sonst würde er auf die Mechanismen der Sportjustiz vertrauen und darauf, dass diese eine angemessene Sanktion ausspricht. Aber welche Bestrafung ist in einem solchen Fall richtig? Fünf Spielsperren, zehn, zwanzig? Eine Disqualifikation für eine ganze Saison? Oder soll es zusätzlich eine Geldbusse sein, die nur ein Zivilrichter aussprechen kann, damit das Gerechtigkeitsempfinden erfüllt ist? Man wünscht sich Wiedergutmachung und kann sie trotzdem nie erreichen, vor allem, wenn Yapis Karriere tatsächlich beendet sein sollte; die Verantwortlichen im FCZ sinnen nach Vergeltung, und man kann sie und ihre Emotionen verstehen, weil ein menschliches Schicksal und erhebliche sportliche Interessen betroffen sind.
Aber die Verhandlung eines solchen Fouls gehört nicht vor ein ziviles Tribunal, selbst wenn es brutal war und auch in einem Kampfspiel nicht vorkommen soll. Ob Wieser mit Vorsatz gehandelt hat oder nicht, wird sich nie belegen oder entkräften lassen. Zu seinen Gunsten ist anzunehmen, dass er es ohne Absicht tat. Und in solchen Fällen müssen die Straf-Instrumente der Sportgerichtsbarkeit genügen, sonst werden Sanktionen für Foulspiele immer häufiger vor Gerichtsschranken entschieden. Jeder Fussballer, jeder Eishockeyspieler könnte theoretisch jederzeit nach Attacken gegen ihn Gegenspieler anzeigen und ein Zivilgericht anrufen. Es wird deshalb nicht getan, weil im Sport generell darauf vertraut wird, von der eigenen Justiz genügend geschützt zu werden. Der Gang vor ein Zivilgericht ist im Sport immer der letzte Schritt, und er ist nur dann angemessen, wenn sich herausstellen sollte, dass die eigenen Instanzen versagen. Der Sport und der Fussball beharren sonst immer auf ihrer Autonomie, in dieser Parallelwelt werden Probleme nach den eigenen Regeln gelöst. Das sollte auch in diesem Fall so gehandhabt werden.
Denn die Sportjustiz reklamiert die Kompetenz für sich, beurteilen zu können, wie Vergehen während eines Fussballspiels zu ahnden sind. Ein Zivilrichter ohne spezifische Kenntnisse des Sports sei dazu weit weniger gut in der Lage, weil er die Umstände des Spiels schlechter einschätzen könne. Das ist die gängige Argumentation, und sie gilt auch für diesen Fall.
Nur wenn die Verbandsjustiz an ihre Grenzen stösst, sollte der Sport Hilfe beim Staat suchen: Wenn sie es mit Fällen von krimineller Energie zu tun hat, so wie bei Sportbetrug wie Doping, dem nur mit Polizeirazzien begegnet werden kann; oder wenn es um Korruption geht, die eine staatliche Gesetzgebung nötig macht. Der «Fall Yapi» gehört in einen Grenzbereich, aber kriminelle Absicht kann man dem Foul-Spieler Wieser nicht unterstellen, nur Rücksichtslosigkeit, allenfalls Fahrlässigkeit.
Hemmschwellen sinken
Knapp zwanzig Jahre nach dem schweren Foul gegen den früheren Schweizer Internationalen Lucien Favre wird wieder öffentlich darüber diskutiert, wo die Grenzen des Tolerierbaren auf Fussballplätzen liegen und wie Inakzeptables bestraft werden soll. Das ist eine sinnvolle Diskussion, und es ist gut, hat sie der FC Zürich angestossen.
Aber sie sollte vor allem auch dann geführt werden, wenn Trainer immer noch mehr Aggressivität verlangen, Hemmschwellen sinken und Risiken im Zweikampfverhalten steigen. Fussballspiele finden immer öfter in Grenzbereichen statt, Sekundenbruchteile entscheiden, ob ein Zweikampf sauber geführt wird oder ob sich ein Gegenspieler verletzt. Im Fall von Favre hatte man seinerzeit von «Berufsrisiko» gesprochen. Der Beruf Fussballer ist seither mit noch mehr Risiko verbunden.