Als Familienvater bin ich schon ewig nicht mehr an einem FCZ-Auswärtsspiel gewesen. Am Samstag aber bin ich in Schaffhausen – obwohl man dort die Ticketpreise frecherweise spontan angehoben hat. Beide Anekdoten zeigen: Der FCZ ist so beliebt – fast möchte man sagen: erfolgreich – wie schon lange nicht mehr. Die Zuschauerzahlen im Letzigrund sind besser als letztes Jahr, als der Club noch in der Super League spielte. Mit 10'000 bis 13'000 pro Match hat man doppelt so viele Fans wie Stadtrivale GC. Damit hat nach den vielen Abgesängen keiner gerechnet, und wieso das so ist, weiss auch niemand so recht. Hier zehn Erklärungsversuche aus Fan-Perspektive:
•Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Es fallen wieder mehr Tore zu Gunsten des FCZ. Das gefällt besonders Kindern, was wiederum mehr Familien ins Stadion zieht. Es war letzte Saison nämlich schon ziemlich schwierig, dem 7-Jährigen zu erklären, wieso der FCZ auch nach reihenweise 0:3- und 0:4-Niederlagen und begleitenden Pfeifkonzerten der beste Club der Welt sein solle.
•Die Stimmung im Stadion ist viel entspannter als in den letzten Jahren. Die Verbissenheit gewisser Rituale, wie etwa der Verhöhnung der Gegner, hat abgenommen. Man feiert sich selbst.
•Der sinkende Testosteronspiegel im Publikum führt auch bei der Polizei zu merklich weniger Anspannung, was wiederum einen positiven Effekt auf das Image und die Attraktivität des FCZ in der Bevölkerung hat.
•Apropos Biochemie: Das aktuelle Schützenfest führt zur Ausschüttung des als Glückshormon bezeichneten Dopamins aus dem Zwischenhirn. Dieses regt das Belohnungssystem an. Im Laufe der Zeit reicht allein die Erwartung eines Gewinns aus, um es zu aktivieren. Das erklärt wohl meine Reise nach Schaffhausen.
•Die Tickets sind billiger. Danke, Canepa. Endlich.
•Jahrelang hat man gegen die immer gleichen Teams gespielt. Nun treten andere im Letzi auf, darunter Bekannte aus den Nationalliga-A-Tagen wie Xamax oder Servette. Unterschätze niemals den Nostalgiefaktor!
•Die alten neuen Teams sind auch gute Teams. Mit genügend Selbstvertrauen – und davon ist derzeit viel vorhanden – darf ruhig behauptet werden: Die Challenge League ist nicht so viel schlechter als die Super League.
•Die Fans haben es verstanden, den Spiess umzudrehen. Sie nagen nicht, wie man erwartet hätte, mit heiligem Pathos an ihrem Schicksal. Das Losertum wird stattdessen verhipstert.
•Man muss die Basler und ihre doofen Choreos («Kämpfe Basel», «Mit Rot-Blau ka sich keine mässe») nicht mehr sehen.
•Es gibt keine Hochrisikospiele mehr, sprich: an jedem Spiel Bier.
Fazit: Wie singt die Zürcher Rapperin Big Zis? Es isch total Party! So kanns ewig weitergehen. Na ja, vielleicht nicht ewig. Aber bis Saisonende. Bis zum Aufstieg.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
(Erstellt: 25.08.2016, 15:25 Uhr)
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