aus der heutigen nzz printausgabe:
«Wir hatten keinen Zaubertrank»
Marco Bernet ist als Technischer Direktor am Aufschwung des FCZ beteiligt
Der 54-jährige Bernet war Leiter der FCZ-Juniorenabteilung. Er glaubt, dass die Entlassung von Rolf Fringer nötig war, und begrüsst die neue Vernunft im Klub.
Herr Bernet, der FCZ ist nach einer miserablen Vorrunde das beste Team der Rückrunde. Was haben Sie in der Winterpause mit den Spielern gemacht?
Ich habe sie darauf hingewiesen, dass sie dem Verein Rechenschaft schuldig sind, dass sie in der Schuld der Fans stehen. Das Wesentliche aber ist im Staff passiert, der Trainer Urs Meier hat sofort den Draht gefunden zum Team. Die Trainingsinhalte sind auf einem sehr hohen Niveau. Das wirkt sich im Spiel aus. Wir hatten keinen Zaubertrank. Aber wir haben die Spieler als Menschen angesprochen und behandelt.
Wenn Sie über heute reden, machen Sie auch Aussagen über die Vergangenheit.
Alle haben gesehen, dass es eine Mannschaft war, die keine Lust hatte auf ihre Arbeit. Wo der Grund dafür lag, kann man nur erahnen.
Und wo sehen Sie ihn?
Wahrscheinlich stimmte von Anfang an die Chemie zwischen dem Trainer Rolf Fringer und dem Team nicht. Oder zwischen ihm und einzelnen Spielern, deren Wort in der Mannschaft etwas gilt. Wir haben nicht nur einfache Spieler. Sie können schwierig sein, wenn sie den Sinn einer Philosophie nicht erkennen.
So einleuchtend das tönt: Genügt das als Erklärung für den Umschwung?
Angenommen, es klappt nicht mit Ihrem Chefredaktor; Sie müssen alles umschreiben, sich für alles rechtfertigen. Dann bekommen Sie einen neuen Chefredaktor. Alles ist sofort anders, Sie stehen lieber auf, gehen lieber arbeiten . . .
Das heisst, der Trainerwechsel war nötig.
Ich glaube, er war nötig.
Der FCZ ging in die zweite Saisonhälfte mit dem Ziel, den Ligaerhalt zu schaffen. Muss man die Ziele neu formulieren?
Das Team setzte sich schon im Trainingslager das Ziel, Cup-Sieger zu werden. Und es wollte Fünfter werden. Nach aussen konnten wir das nicht sagen. Es wäre zu optimistisch gewesen, vielleicht sogar arrogant.
Als Sie für den Job angefragt wurden, lag der FCZ darnieder. Es gab Probleme im Verwaltungsrat und im sportlichen Bereich. Hatten Sie keine Angst, sich auf ein Himmelfahrtskommando zu begeben?
Ich habe Alternativen im Leben. Ich muss nicht darüber nachdenken, ob das meine letzte Chance ist. In gewissen Situationen war mir vielleicht nicht klar, wie schwierig die Lage ist.
In welchen?
Etwa in Budgetfragen.
Wie sehr ist Ihre Arbeit tangiert durch die Budgetdiskussion?
Es sind keine Diskussionen, sondern Vorgaben. Wir brauchen sie für einen gesunden FCZ mit Zukunft. Das Budget war strapaziert durch zwei Jahre Misserfolg. Das Kader ist auf Europacup ausgerichtet. Wenn man ihn nicht erreicht, bekommt man schnell Probleme. Ich habe zwar die Zahlen gekannt, aber ich habe die Konsequenzen vielleicht unterschätzt.
Ringen Sie täglich mit dem Präsidenten Ancillo Canepa um die Ausgaben?
Alle haben den Auftrag, den Verein auf einen wirtschaftlich machbaren Weg zu führen. Das Wort Vernunft kennt man im Fussball sonst nicht, aber wir versuchen, vernünftig zu werden. Wir wollen so wenig wie möglich dem Zufall überlassen, gerade bei den Transfers. Darum ist die Nachwuchsarbeit dermassen wichtig. Die Frage ist, ob wir mit diesem Konzept noch den Europacup erreichen können. Ich sage: Ja. Weil alle Vereine ausser dem FC Basel am gleichen Punkt sind. Im Vorteil werden diejenigen sein, die den besten Nachwuchs haben.
Wie kann der FCZ die Leute in Zukunft begeistern?
Mit ehrlichem Fussball, ehrlicher Arbeit. So wie die Leute in Zürich auch arbeiten.
Reicht das? Man war ja auch verwöhnt.
Es wird sich alles nivellieren in der Schweiz. Sportlich wird keine Schere auseinandergehen, weil alle ausser Basel in der gleichen Situation sind.
Bedauern Sie die Entwicklung?
Nein, ich finde sie sehr gut.
Es ist noch nicht lange her, dass der Präsident Ancillo Canepa von der Champions League geschwärmt hat.
Das ist vorbei. Dazu braucht es Glück.
Fredy Bickel war fast zehn Jahre lang Sportchef. Fehlt dem FCZ nicht etwas?
Nein, das war ja das Kernproblem. Es fehlte eine Instanz, die Nachwuchs und Profimannschaft zusammenführte. Bickel konnte das nicht leisten, weil sein Fokus auf der ersten Mannschaft lag.
Also ist es gut, dass Bickel gegangen ist?
Den Menschen Fredy vermissen wir. Aber vielleicht tut es dem FCZ nach zehn Jahren gut, wenn er neu ausgerichtet wird. Ein Wechsel kann belebend wirken, auf allen Stufen. Natürlich hatten wir in letzter Zeit zu viele Trainerwechsel. Aber auch ein Chefcoach kann seinen Job nicht ewig machen.
Das wird Urs Meier nicht gerne hören.
Wenn ein Trainer nur seine persönliche Vorstellung von Fussball umsetzt, kann man nicht von einer Vereins-Philosophie sprechen. Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen. In der Nachwuchsabteilung des FCZ, in der Academy, spielen alle Teams den gleichen Fussball. Jetzt geht es darum, dass dies auch in der ersten Mannschaft geschieht. Mit Urs Meier spielt der FCZ à la Academy.
Das heisst, der Trainer ist austauschbar.
Er muss die Spiel-Philosophie des Vereins mittragen. Wenn sie greifen soll, muss sich der Trainer ihr verpflichtet fühlen und eigene Ideen hintanstellen.
Wer hat diese Spielidee entwickelt?
Sie entstand in der Academy. Das Team des Nachwuchschefs Ernst Graf hat sie erfunden – mit den Juniorentrainern, die schon lange im FCZ arbeiten.
Das tönt wie eine Revolution von unten: Die Profis übernehmen das Konzept, das im Nachwuchs erarbeitet wurde.
Das ist ein Erfolg. Wir haben ja immer gesagt: Man spricht nicht genug von unserem erfolgreichen Nachwuchs. Das ändert sich. Jetzt wird die Academy auch in der ersten Mannschaft sichtbar.
Das Erstaunliche ist, dass so etwas erst geschieht, wenn es einem Verein finanziell nicht mehr so gut geht wie früher.
Das ist so. Es ist verrückt: Der FCZ bildet seine Junioren zehn Jahre lang mit einer einheitlichen Philosophie aus. Dann kommen sie in die erste Mannschaft – und plötzlich erwartet der Trainer dort etwas ganz anderes von ihnen. Das kann nicht funktionieren.
Interview: Christine Steffen,Flurin Clalüna