mischifcz hat geschrieben:https://www.tagesanzeiger.ch/protest-der-suedkurve-wie-es-zur-eskalation-beim-fcz-gekommen-ist-864402313333
Könnte jemand?
Wie es zur Eskalation beim FCZ gekommen istFans fordern den Rücktritt des Geschäftsführers. Es geht um seinen Umgang mit Mitarbeitenden, Sponsoren, Fans. Und um ein Präsidentenpaar, das den Angegriffenen stützt.Florian Raz, Thomas Schifferle
So sieht Protest beim FCZ aus: Die Botschaft der Südkurve am vergangenen Samstag im Spiel gegen St. Gallen.
Foto: Michael Buholzer (Keystone)
Die Aktion kam aus heiterem Himmel, selbst für regelmässige Kurvengänger des FC Zürich. Sie war ein eigentlicher Angriff aus der Südkurve, und der hatte einen ganz neuen Dreh. Er galt nicht der Mannschaft, dem Trainer oder dem Präsidenten, er galt einem Angestellten des Vereins. Und die Botschaft war unmissverständlich: «Nick Gast: Ziit zum Usenandgah!»
Gast ist der Chief Operations Officer, kurz COO, oder verständlicher: der Geschäftsführer. Seit zwei Jahren ist der Berner das, und er hat sich in dieser Zeit einen Ruf erarbeitet, der nicht bei allen gut ankommt: nicht bei einzelnen Angestellten, nicht beim politischen Teil der Südkurve.
Ancillo Canepa sass in seinem Feriendomizil vor dem Fernseher und freute sich aufs Spiel seiner Mannschaft gegen St. Gallen. Er hoffte auf drei Punkte. Am Ende des Tages war seine Laune aber verhagelt. Dass den Gästen in der vierten Minute der Nachspielzeit der Ausgleich zum 1:1 gelang, kam zu allem noch dazu. Zu diesem Protest ausgerechnet aus der Kurve, die so sehr für das Image des Vereins steht und eine erstaunliche Kraft entwickelt hat.
Gast ist keiner, der öffentlich in Erscheinung tritt. Er hat beim FCZ noch nie ein Interview gegeben, vielleicht auch, weil medial kein Bedarf bestanden hat. Jetzt, da es durchaus etwas zu sagen gäbe, lehnt er alle Anfragen ab. Er tut das mit der Rückendeckung seiner Chefs, von Ancillo und Heliane Canepa. Und die lassen in ihrem Communiqué vom Sonntagabend keinen Zweifel daran, wie sie die Zukunft sehen: Sie würden «voll und ganz hinter Nick Gast stehen» und seien mit seiner Arbeit «äusserst zufrieden».
Das Ziel des Angriffs: Nick Gast. Foto: FCZDie Frage ist nun, was überhaupt passiert ist, damit es zu dieser Eskalation kommen konnte. Gast wurde beauftragt, die «Weichen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft zu stellen», so schreibt das Canepa in seinem ausführlichen Communiqué, und darauf verweist er auch im Gespräch ein paar Tage später, weil es seiner Meinung nichts weiter zum Vorfall zu sagen gebe. Eines will er doch nochmals betonen: «Das Arbeitsklima hat sich nach den Abgängen massiv verbessert.»
In den letzten Monaten hat es viele Abgänge auf der Geschäftsstelle gegeben, teilweise von langjährigen Mitarbeitern im Marketing, im Ticket-Office, in der Medienabteilung. Um die 15 Personen haben gekündigt, weil sie unter Gast nicht weiter arbeiten wollten und darum bereit waren, selbst ihren «Traumjob» aufzugeben, wie das einer von ihnen nennt.
Ein Flugblatt als BrandbriefDie Südkurve listet in ihrem Flugblatt, das auch als Brandbrief zu lesen ist, die Vorwürfe gegen Gast auf. Sie hält ihm wörtlich «Mobbing» vor, das die Geschäftsstelle zu einem «toxischen Arbeitsort» werden lasse. Sie unterstellt ihm «wiederholt anmassendes und arrogantes Auftreten» gegenüber kleineren Vereinen. Ebenso hält sie ihm vor, «keinen Respekt» gegenüber Sponsoren, Geschäftspartnern und Logenbesitzern zu haben. Und noch eines: Gast sehe die Fans «nur als Kostenpunkt».
Der letzte Punkt ist besonders wichtig, weil er halt das Selbstverständnis und den Stolz einer Kurve trifft, weil es um das dauernde Thema geht, wie viel Kommerz darf es denn sein, wie viel Kostenoptimierung. Darum wird das, was für einen Beobachter als Kleinigkeit erscheint, für die Kurve plötzlich gross und bedeutungsvoll: zum Beispiel die 3 Franken, die der FCZ als Bearbeitungsgebühr für den Verkauf von Auswärtstickets in seinem Fan-Shop verlangt.
Canepa hält dagegen, dass für die Tickets, welche die Südkurve selbst in einem Paket von 1000 oder 1500 Stück ordert, insgesamt nur 20 Franken bezahlt werden müssten. Aber er hat erkannt, wie heikel dieses Thema ist. Darum kündigt er ein Treffen mit den Vertretern der Kurve an, sobald er und seine Frau aus den Ferien zurück sind.
Ein Klima der MissgunstWer sich nun aber mit betroffenen Personen über ihre Zeit unter Nick Gast unterhält, hört immer wieder Ähnliches. Die Rede ist von einem Klima der Missgunst und der Unsicherheit. Von Anordnungen, die nur mündlich gegeben werden, damit bei später auftretenden Problemen nicht klar ist, wer die Verantwortung trägt. Von ständigem Lästern über Mitarbeitende hinter deren Rücken.
Der Umgangston wird als unfreundlich, schnoddrig, arrogant oder gar feindselig beschrieben. Und das nicht nur gegen innen, sondern auch mit Personen, die nicht beim FCZ angestellt sind oder waren. Mit Angestellten des Letzigrund-Stadions etwa, mit Amateurclubs oder Geldgebern. Jemand sagt: «Er weiss immer alles – und immer alles besser.» Der eigenen Frauenabteilung gegenüber sei wenig bis gar keine Wertschätzung zu spüren.
Geschildert wird psychischer Stress, der schwere Auswirkungen bis ins Privatleben hat. Und ein Arbeitsumfeld, in dem es keine Stelle gibt, an die sich Angestellte wenden können, die Probleme mit ihrem Vorgesetzten haben. Der FCZ hat keine Abteilung für Human Ressources, also keine Personalabteilung. Über Gast sitzt nur noch das Ehepaar Canepa.
Dieses wurde gemäss den Informationen dieser Zeitung mehrfach auf die Verwerfungen hingewiesen. An Gasts Stellung innerhalb des FCZ hat das nichts geändert. Er buckle halt nach oben und trete nur nach unten, sagen ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu.
Die Enttäuschung bei ihnen ist so gross, dass auch in ihrem Fall Details plötzlich von Bedeutung sind. Dass Gast gerne in einem gelb-schwarzen Pullover die Spiele des FCZ verfolgt, weil er als Berner YB zugetan sei. Dass er gerne Puma-Turnschuhe trage, obschon Nike der Ausrüster sei. Dass bei Heimspielen auf freiwillige Helferinnen verzichtet werden soll, um ihnen als Gegenleistung keine Saisonkarte mehr geben zu müssen. Oder dass die Aktion «vo Züri für Züri» gestrichen worden sei, mit der Schulen, Vereine oder Therapiezentren Gratistickets für ihre Kinder unter 16 Jahren erhalten konnten.
Davon braucht nicht gleich alles zu stimmen. Jedenfalls sagt Michael Fritschi als Kommunikationsdirektor des FCZ: Die aktuellen Helferinnen würden weiterhin eine Saisonkarte erhalten. Und «vo Züri für Züri» sei «nur auf Eis gelegt», werde aber in den nächsten Wochen, allenfalls unter einem anderen Namen, neu lanciert. Man möchte Organisationen und Institutionen gezielt berücksichtigen und ihren Besuch zu einem Erlebnis machen. Überdies habe Ancillo Canepa gerade vor zwei Tagen eine Schulklasse nach dem Motto «vo Züri für Züri» eingeladen.
Im Fan-Forum des FCZ sind die Meinungen gemacht. Wenig überraschend fallen sie negativ aus für Gast, wobei die Vorwürfe vereinzelt mit einem forumsüblichen Zweihänder formuliert sind. Und auch die Canepas finden da nicht nur Freunde, ihnen wird eine «unprofessionelle, beleidigende, fast schon kindisch-trötzelnde Kommunikationsattacke» vorgehalten. Dabei geht es immer wieder um ihre Feststellung, dass das Klima nach den Abgängen so viel besser geworden sei.
Gerade den betroffenen Personen stösst diese Feststellung auf. Sie erkennen darin fehlende Wertschätzung für die über Jahre geleistete Arbeit. Canepa wiederum schreibt dazu im Communiqué von notwendigen betrieblichen Änderungen und strukturellen Anpassungen: «Einige Mitarbeitende, welche diese Entwicklung nicht mittragen konnten oder wollten, haben oder mussten den FC Zürich verlassen.»
Und wie geht es weiter?Der Protest der Kurve hat auch darum Gewicht, weil Gast derzeit ad interim Sicherheitschef des FCZ ist. Dieser Club hat die derzeit am schnellsten wachsende Anhängerschaft der Schweiz. Mit allen Vorzügen, aber auch Problemen, die so ein Wachstum mit sich bringt. Auswärtsspiele sind wegen der enormen Zahl an reisefreudigen Zürcherinnen und Zürchern ein ständiges Thema, das ohne vertrauensvollen Zugang zu den organisierten Fans gar nicht zu bewältigen ist.
Nick Gast, inzwischen 49-jährig, taucht beim FCZ nicht zum ersten Mal im Fussballgeschäft auf. Im Jahr 2000 erscheint er als 26-Jähriger in den Medien, weil er vier Schweizer Fussballerinnen in US-amerikanische Universitätsteams vermittelte.
2005 ist er Projektmanager Champions League beim FC Thun. Gerade einmal für drei Wochen. Dann wird die Zusammenarbeit wieder beendet. In einem Communiqué werden «Differenzen im Managementablauf und in Führungsfragen» als Grund für die Trennung angegeben. Präsident Kurt Weder lässt sich im «Bund» zitieren, wenn etwas nicht zusammenpasse, «dann muss man es korrigieren und es besser machen».
Nach einem offenbar längeren Aufenthalt in den USA und nach Stationen bei der Kantonspolizei Bern und bei der Telekommunikationsfirma Quickline ist Gast von 2016 bis 2019 bei «I Believe in You», einer Schweizer Crowdfunding-Plattform für Sportlerinnen und Sportler. Im August 2021 beginnt er beim FCZ als COO.
In Zürich trifft ihn von vielen der Vorwurf, gerne etwas vorzugeben, was er nicht ist. Canepa dagegen bedauert, dass ein Angestellter des Clubs «öffentlich desavouiert wird». Seine Aussagen lassen keinen Zweifel daran, dass er an Gast festhalten wird. Es würde auch überraschen, wenn er sich von aussen seine Politik und Agenda bestimmen liesse.
Und die Südkurve? Wie sehr bleibt sie am Thema dran? Auch sie ist bekannt dafür, sich in etwas verbeissen zu können.
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