Frische Energie für den FCZ
Hier bin ich! Bo Henriksen!
Der neue Trainer des Tabellenletzten verströmt einen Optimismus, der den ganzen Verein wiederbeleben soll. Der 47-jährige Däne hat einen Vertrag bis 2024 und verspricht die Rückkehr zum Erfolg.
Thomas Schifferle
Publiziert am 10. Oktober 2022 um 21:18 Uhr
Bo Henriksen ist da, der neue Trainer (47), Däne, dreifacher Familienvater. Und wenn er nicht gleich ein Heilsbringer sein soll, dann zumindest die neue Energiequelle für den ganzen FC Zürich. Darum hat er beim strauchelnden Meister einen Vertrag bis 2024 erhalten.
Als der Club im Sommer einen neuen Trainer suchte, wollte er keine Kopie von André Breitenreiter. Er fand seinen Wunschkandidaten in Franco Foda. Seinen Irrtum musste er sich bald eingestehen, so schwer ihm das auch fiel. Darum suchte er jetzt auch keine Kopie von Foda – und beschenkte sich mit dem kompletten Gegenteil. Wo Foda oftmals griesgrämig daherkam, scheint Henriksen beim Aussenden von «good vibes», von positiver Stimmung, fast zu überborden.
Wer nun denkt, das sei gekünstelt, weil der FCZ in seiner Krise jede Form von Aufmunterung braucht, muss mit Jörn Just Kristensen vom «Herning Folkeblad» reden. Die Zeitung hatte die letzte Saison mit Henriksen zu tun, als er Trainer des dänischen Spitzenvereins FC Midtjylland war. Und Kristensen berichtet: «Henriksen ist fast immer glücklich. Wenn eine Mannschaft am Boden ist, kann er sie mit seiner Energie wieder aufrichten. Er erwartet, dass die Spieler mit der gleichen Freude an der Arbeit sind, wie er das tut.»
Energie! Als Präsident Ancillo Canepa an diesem Montagnachmittag seinen neuen «Wunschtrainer und Wunschkandidaten» im Home of FCZ präsentiert, dreht sich viel darum. Und ganz viel um andere Schlagworte. Zusammenhalt! Team! Miteinander! Um Worte eben, die aufzeigen sollen, wie die Mannschaft den Weg zurück zum Siegen finden kann.
Total von sich überzeugt
Viele Trainer hatten sich nach der Entlassung von Foda am 21. September beim FCZ gemeldet, viele Arbeitslose wie Felix Magath, Alexander Zorniger oder Jens Keller. Der FCZ sagte am Ende allen ab, weil er überzeugt war, in diesem dänischen Positivdenker Bo Henriksen den Besten zu bekommen, den er in seiner Situation bekommen konnte. «Es braucht jetzt jemanden, der die Mannschaft mit seiner Energie aus dem Sumpf holt», beschreibt es Canepa.
Was wollen Sie ändern, Bo Henriksen? «Kurze Antwort», sagt er, «wieder gewinnen.»
Wer so ist wie er, der kommt auch mit viel Selbstvertrauen daher, mit viel Überzeugung in sich und seine Methoden. Und darum redet er ausführlich und immer wieder von dem, was er in Zürich kreieren will. Es soll ein Ort sein, an dem man sich respektiert und sich vertraut, an dem man füreinander da ist und sich aufeinander verlassen kann. Und weil er gleich in Fahrt ist, soll es ein Ort sein, an dem die Spieler «füreinander sterben». Genau so sagt er das. Und: «Dann wird der Rest kommen.»
Henriksen war selbst lange Spieler, der bei vielen Clubs landete, meist kleinen. Er war bei Odense, Herfölge und Frem Kopenhagen, auf Island, kurz auf den Malediven, in England bei Kidderminster und Bristol. In Kidderminster nannten sie ihn «Bomber Bo», das klang gut, «aber das waren Ahnungslose», sagt er mit entwaffnendem Lachen. Er mag ein leidenschaftlicher Fussballer gewesen sein, aber er war kein grosser Stürmer.
Brönshöj war sein letzter Club als Spieler, als er das blonde Haar noch sehr lang und lockig trug. Und es war sein erster Club, an dem er 2006 als Spielertrainer den Übergang zur zweiten Karriere schaffte. Er führte den Boldklub von der 3. in die 2. dänische Division. 2014 zog es ihn weiter, zu Horsens. Hier gelang ihm der Aufstieg in die höchste nationale Liga.
Kristensen, der Journalist, berichtet von klaren Prinzipien, mit denen Henriksen arbeitete, und von sehr simplem Fussball, den er spielen liess. Henriksen sagte den Journalisten: «Ihr macht es einfacher, als es war.» Was stimmte: Er legte Wert auf die Organisation und ein direktes Spiel. Mit hundert Pässen den Erfolg zu suchen, war ihm ein Graus.
«Ich habe immer gewonnen»
Sechs Jahre blieb er bei Horsens. Die nächste Station war die Arbeit bei einem TV-Sender, für den er die Spiele der höchsten dänischen Liga analysierte. Der FC Midtjylland, bekannt geworden als Verein, der sehr datenbasiert arbeitet und so innert weniger Jahre nach seiner Gründung den Aufstieg zur Nummer 2 in Dänemark geschafft hat, verpflichtete ihn im Sommer vergangenen Jahres. Die Saison endete hinter dem grossen FC Kopenhagen auf dem 2. Platz und mit dem Cupsieg.
Die Vereinsverantwortlichen waren trotzdem unzufrieden geworden, weil sie unter Henriksen keine Entwicklung sahen. So berichtet das Jörn Jurt Kristensen. Und als die neue Meisterschaft mit einer Niederlage und einem Remis begann, entschlossen sie sich am 28. Juli zur Trennung.
An Henriksen hat das nicht weiter gekratzt. Als er im Home of FCZ sitzt, eingerahmt von Canepa und Sportchef Marinko Jurendic, sagt er: «Ich bin seit sechzehn Jahren Trainer. Ich habe immer gewonnen. Ich habe mit meinen Mannschaften die Erwartungen mehr als erfüllt.» Er sagt «over achieved», weil er Deutsch zwar versteht, aber lieber Englisch spricht.
In Zürich hat er am Tag nach dem 0:0 gegen Winterthur noch in Jeans auf dem Trainingsplatz gestanden und mehr mit Assistenten geredet, als bei der lockeren Einheit zugeschaut. Er muss mutig sein, in einer solchen Situation eine solche Mannschaft zu übernehmen. Es ist eine Mannschaft, bei der nur die Verunsicherung gross ist und bei der gerade ein Führungsspieler wie Blerim Dzemaili seit dieser Saison mehr gross redet und kritisiert, als dass er selbst noch Leistung bringt.
Henriksen muss allerdings nicht nur Dzemaili dringend wieder in die Spur bringen, sondern viele andere auch, Antonio Marchesano, Mirlind Kryeziu, Fidan Aliti, Adrian Guerrero oder Nikola Boranijasevic, dazu all die Neuen, die im Sommer kamen und ihren Platz noch immer nicht wirklich gefunden haben. Dass einzelne Spieler in diesen Tagen und Wochen selbst von fehlender Einstellung reden, bringt Canepa richtig in Wallung. «Dann bekomme ich Vögel!», ruft er in den Medienraum, «Vögel!»
Nicht nur reden! Leisten
Unerschütterlich wie Canepa ist, glaubt er trotzdem weiter ans Gute und ans Potenzial der Mannschaft. Er wünscht sich halt nur, dass die Spieler auf den richtigen Positionen und im richtigen System eingesetzt werden. Die Feststellung ist als deutlicher Hinweis auf die Fehler von Foda zu begreifen. «Jetzt braucht es Lockerheit, Humor», sagt Canepa, «dann kommt der Befreiungsschlag.» Und Energie braucht es, natürlich.
Darum ist Henriksen hier, der nichts davon wissen will, dass er ein mutiger Trainer sei. «Ich bin total ruhig», sagt er, «wieso soll ich ängstlich sein? Ich bin es nie gewesen. Alles Schlechte passiert, wenn man ängstlich ist. Ich bin überzeugt, dass wir gewinnen werden. Nicht morgen, weil wir morgen nicht spielen, aber auf Dauer. Ich habe Führungsqualitäten. Solange mir die Spieler zuhören, bin ich glücklich. Es ist einfach, Fehler einem anderen zuzuweisen. Darum sage ich: Gebt mir die Schuld! Keinem anderen.»
Am Donnerstag gibt Henriksen seinen Einstand im Europa-League-Rückspiel bei der PSV Eindhoven, eine Woche nach dem 1:5 im Letzigrund. Am Sonntag kann er sehen, wie sich seine Mannschaft gegen Leader YB schlägt. Bevor seine Präsentation zu Ende ist, sagt er noch: «Man kann reden und reden und reden. Sie hören, ich kann reden. Aber das Wichtigste ist, man muss auch umsetzen, was man sagt. Sonst glaubt keiner an irgendetwas.»