Ensis hat geschrieben:So, ich habe mir Mühe gegeben einen vernünftigen Text zu schreiben, jetzt könnt ihr mich runterputzen.
Nix da. Ich versuche dir eher eine vernünftige Antwort zu geben.
Unser Staat ist nicht nur Rechtsstaat sondern auch Demokratie und eine der Stärken der Demokratie ist es, dass sich der rechtsstaatliche Apparat durch das Souverän des Mehrs den gesellschaftlichen Bedürfnissen anpasst. Eine solche Anpassung findet natürlich nur statt, wenn die gesellschaftlichen Bedürfnisse nicht deckungsgleich mit den vom Rechtsstaat gewährten Freiheiten ist. Hat der Rechtsstaat jedoch allzu viel Kontrolle, so dreht sich der Spiess um, das System wird statisch und der Rechtsstaat kontrolliert die gesellschaftlichen Bedürfnisse. Um sich jedoch neu aufkommenden Bedürfnissen anzupassen, muss das System dynamisch bleiben - es ist daher im Interesse der Freiheit, dass die Kontrolle des Rechtsstaats eine beschränkte ist. Gerade jedoch das Aufkommen neuer Technologien (ccTV, RFID, Internet, ...) und die durch ökonomische Zwänge bedingte qualitative Verschlechterung der Medien als Kontrollorgan und 4. Macht im Staat, führen zu einer gegenteiligen Entwicklung. Auch die in der Schweiz vorherrschende juristische de-facto-Immunität für Polizisten trägt hierzu bei.
Für eine gesellschaftliche Entwicklung und eine Optimierung der persönlichen Freiheiten eines jeden braucht es also stets Interessensgruppen, deren Bedürfnisse nicht deckungsgleich mit denjenigen des Rechtsstaats sind. Und so braucht es oft eine Kultivierung des Illegalen um das Souverän des Mehrs zu erreichen - um den Rechtsstaat neuen Bedürfnissen anzupassen. Alkohol wäre in den USA noch stets verboten ohne die illegalen Underground-Clubs der golden 20's, ohne Rosa Parks gaebe es keine Gleichberechtigung für Schwarze, ohne eine illegale Subkultur wären die Homosexuellen nicht zu ihren Rechten gekommen und auch was Gandhi machte war nicht legal. Viele gesellschaftlichen Erungenschaften und Freiheiten entsprangen also gerade Bewegungen die sich einem nicht rechtsstaatlichen Instrumentarium bedienten.
Ich möchte hiermit in keinster Weise willkürliche Gewalt gegen Polizisten oder andere willkürlichen Straftaten rechtfertigen. Was ich jedoch sagen will, ist, dass man aber durchaus den Mut haben sollte, seine (Sub-)Kultur und als solche fasse ich das Leben in der Kurve auf, auch gegen die Repression des Staates zu verteidigen. Ich bin nämlich der Auffassung, dass die Kurve mir weitaus mehr Lebensqualtät und Freiheiten gibt, als mein Fernseher oder eine Traumreise nach Sowieso. Gerade die Tatsache, dass unser Leben immer mehr Kontrolle unterliegt, macht das Refugium Kurve so wertvoll: Hier gibt es noch Chaos und Überraschungen, hier kann ich jubeln, fluchen, schreien, singen, Unsinn treiben und vielleicht auch Mal aufs Maul kriegen oder eine Fackel zünden. Daher bin ich gewillt diesen Lebensstil bei dem man vielleicht mal jemandem ans Fahrrad tritt oder selbst einen Tritt ans Fahrrad kriegt zu verteidigen. Ich halte es nämlich für äusserst wichtig eine Gegenkultur zur Kontroll- und Konsumgesellschaft zu zelebrieren - auch wenn dies vielleicht nicht immer legal ist, denn ich bin mir sicher, dass sich Lebensqualität nicht im Besitz sondern im Erlebten findet.
Was in Aarau vorgefallen ist, kann ich nicht beurteilen, da ich leider nicht anwesend war. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass beide Seiten ein wenig überreagiert haben, was bei dem vielen Staub der im Moment rund um das Thema Fussballfans aufgewirbelt wird verständlich wäre. Grundsätzlich bin ich überhaupt kein Freund von Gewalt gegen Polizisten, da diese meist nur Ihren Job (auf den wir alle angewiesen sind) machen und nichts für die Weisungen irgendwelcher verblendeten Politiker können. Gegen unverhältnismässige Methoden gilt es sich jedoch verhältnismässig zu wehren. Viel wichtiger finde ich jedoch, dass vermehrt Aufklärungsarbeit bei den Medien und der Gesellschaft betrieben wird, denn das Bild welches sowohl von Vorfällen als auch von den Personen rund um den Fussball gezeichnet wird, wird zusehends schlechter und hier sehe ich auch die Ursache für die immer öfter angewendeten, unverhältnismässigen Methoden.
Akzeptanz ist der erste Schritt zur Resignation, doch Ignoranz der erste zur Kapitualtion.