Der Einfachheit zu liebe habe ich mein Post versucht kurz zu halten, doch um die von Sammy erwähnten Ungenauigkeiten zu klären würde ich gerne auf ein paar Puntke genauer eingehen.
Natürlich bin auch ich dankbar für den Rechtsstaat so wie wir ihn gegenwärtig haben und so fordere ich auch keinen Umsturz - viel mehr möchte ich die Richtung kritisieren in welche er sich bewegt und Alternativen aufzeigen. Hierbei glaube ich gilt es zwischen einer inhaltlichen und einer formellen Kritik zu unterscheiden, dass heisst zwischen dem was der Staat macht und dem wie er es macht.
Bei meiner formellen Kritik geht es mir darum, dass der schwindende kritische Journalismus, die technologische Aufrüstung des Staates und die einseitige Rechtssprechung bei Vergehen von Polizisten zu einem gefährlichen Stillstand führen. In einer Demokratie muss es möglich sein sich "falsch" zu verhalten, denn was heute als richtig erachtet wird, kann morgen schon Geschichte sein. Dies versuchte ich an Hand historischer Beispiele zu illustrieren. Ich glaube nicht das wir in einer ähnlichen Situation wie Gandhi sind oder das er mit uns für Pyros in den Stadien gekämpft hätte, doch ich denke das wenn er besser überwacht worden wäre und ihn die Kuscheljustiz nicht so sanft behandelt hätte, Indien heut noch britisch wäre. Die Demokratie ist nämlich nur dann die best mögliche Staatsform, wenn die Meinung den Staat kontrolliert und nicht umgekehrt. Wenn die meinungsbildenden Medien jedoch aus ökonomischen Überlegungen Polizeimeldungen 1:1 übernehmen, kann dies nicht mehr garantiert werden. Auch Datenbanken, Kameras oder Internetfahndungen führen zu einer Schmälerung der Meinungslandschaft, die der Nährboden für unsere Staatsform ist. Was nützen die besten politischen Instrumente, die sich Rosa Parks hätte wünschen können, wenn der Staat dafür sorgt, dass es nur eine Meinung gibt?
Meine inhaltliche Kritik, zielt viel mehr darauf ab, dass es momentan eine regelrechte Diskriminierung der Fussballfans (und natürlich auch Eishockeyfans) gibt, die viele nicht wahr haben wollen. Und ich finde es eine Schande für unser Land, dass ein Fussballfan schlechter behandelt wird als irgend ein anderer Bürger - das fängt bei der Tatsache an, dass es bei Leichtathletikveranstaltungen durchaus möglich ist Stehplätze anzubieten, geht weiter damit, dass gegen Pyros bei Skispringen oder anderen Veranstaltungen nicht vorgegangen wird, über zur Tendenz, dass Fussballfans für die gleichen Vergehen härtere Strafen erhalten, gefolgt von der Schaffung gesonderter Fichen-Datenbanken, hin zur Absurdität, dass die Fotos verurteilter Kindermörder anonymisiert werden - Fussballfans jedoch schon beim Verdacht auf ein marginales Vergehen per Zeitungsbild gesucht werden und mündet darin, dass überdimensionierte Polizeiaufgebote nur darauf warten unverhältnismässig hart durchzugreifen. In Anbetracht solcher Verhältnisse halte ich kollektive Selbstverteidigung (mehr nicht) durchaus für legitim und kann es auch nachvollziehen wenn jemand überreagiert. Ich sehe in der Gewalt jedoch nicht das Mittel um irgendwelche Ziele zu erreichen und gebe dir recht, dass hier auf der politischen Ebene mehr erreicht werden kann.
Meine Alternative besteht in der Akzeptanz der Fankultur durch den Staat und die Medien und deren Kultivierung unsererseits.Ich sehe nicht ein wieso man uns nicht einfach gewähren lässt oder wieso die Fankultur ein gesellschaftlicher Sonderfall sein soll. Ich glaube jedoch, dass es unter anderem das Tabuthema Gewalt und unser schizophrener Umgang damit ist, die erklären wieso Hinz und Kunz glauben, es gehe sie etwas an ob ich im Rahmen meiner Kollegen Feuerwerk abbrennen lasse oder ob ich einem anderen der dies so wünscht aufs Auge gebe. Dieser kollektive Konflikt zwischen der Faszination für Gewalt und ihrer moralischen Verpöhnung führt dazu, dass die Medien oft reich bebildert darüber berichten was mit Hilfe von Repression so zwanghaft zu ersticken versucht wird. Wäre dieses Thema nicht so tabuisiert und würde man akzeptieren, dass sich junge Männer seit jeher gerne physisch messen, gäbe es nämlich kaum Reibungsflächen zwischen der Allgemeinheit und dem bereiten Teil der Fankultur, denn entgegen dem Bild welches allzu oft gezeichnet wird, sind selten bis nie unbeteiligte Personen in Fanauseinandersetzungen involviert. Ich setzte mich hiermit nicht für irgendeinen rechtsfreien Raum ein, in welchem man sich ungestraft prügeln kann - viel mehr plädiere ich für einen unverklemmteren und verständnisvolleren Umgang mit Gewalt unter Gleichgesinnten.
Ich weiss, dass viele meine Ansichten und Vorstellung hierzu nicht teilen, doch glaube ich, dass wir zuerst die oben genannten Entwicklungen und Diskriminierungen stoppen sollten bevor wir uns Sorgen über eine künftige Richtung der Kurve machen, denn wenn es so weiter geht, gibt es bald keine Kurve mehr.