Beitragvon Basler » 28.03.07 @ 9:22
Noch ein Nachtrag aus der NZZ vom 28.3.07:
Eigentor mit Folgen
Die beiden Grazer Fussballklubs nach Lizenzvergehen in existenziellen Nöten
w. p. Klagenfurt, 27. März
«Graz darf alles», so der selbstbewusste Leitspruch, den sich die steirische Landeshauptstadt Graz vor nicht allzu langer Zeit nach der Wahl zur Kulturhauptstadt Europas wählte. Von ähnlichem Gedankengut waren wohl auch die Verantwortlichen in den beiden Fussballklubs der Stadt beseelt. SK Sturm Graz glaubte die massive finanzielle Schieflage in Höhe von rund 20 Millionen Franken durch einen Zwangsausgleich ohne grosses Aufsehen begradigen zu können. Der Grazer Athletik Klub (GAK) wollte es dem Stadtrivalen gleichtun und die Überschuldung in ähnlicher Höhe in gleichem Stil elegant beseitigen.
Unmut der Bundesliga-Konkurrenz
Der Unmut der Konkurrenten in der österreichischen Bundesliga über die wettbewerbsverzerrenden Geschäftspraktiken der beiden Grazer Klubs wurde immer lauter, als beide nahezu ungeschoren aus den anhängigen Verfahren hervorzugehen drohten. Zu Saisonbeginn musste Sturm mit 3 Minuspunkten in die Meisterschaft starten. Dem GAK wurden vor zwei Wochen wegen nicht beglichener Schulden gegenüber einem belgischen Spieler 6 Punkte vom bisherigen Punktetotal abgezogen. Für viele schien damit das Thema erledigt, ein Weiterverbleib in der höchsten Spielklasse nach der Entschuldung möglich.
Am Montagvormittag veröffentlichte indessen der für die Lizenzerteilung zuständige unabhängige Senat 5 der Bundesliga ein in der Geschichte des österreichischen Fussballs einmaliges Urteil mit weitreichenden Konsequenzen für die beiden Traditionsklubs. Wegen der abgeschlossenen (Sturm) und laufenden (GAK) Insolvenzverfahren wurden beiden Klubs jeweils 10 Punkte abgezogen. Dem GAK wurden wegen offensichtlicher Lizenzverstösse weitere 12 Punkte gestrichen. Die drakonischen Strafen haben zur Folge, dass der GAK elf Runden vor Schluss mit einem Minuspunkt nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt besitzt, während Sturm mit 19 Punkten an zweitletzter Stelle zumindest in der Bundesliga verbleiben kann, vorausgesetzt, die «Blackies» erhalten überhaupt eine Lizenz für die Spielzeit 2007/2008. Die Leichtfertigkeit im Umgang mit bestehenden Normen der Bundesliga erwies sich letztlich als Eigentor mit fatalen Folgen.
Über den Verhältnissen gelebt
Beide Klubs lebten jahrelang über ihren Verhältnissen, obschon sie in der jüngeren Vergangenheit sportlich durchwegs erfolgreich waren. Der GAK schaffte 2004 unter Trainer Walter Schachner überraschend das Double. Sturm Graz gelang es, mit zwei nationalen Titeln und drei Champions- League-Teilnahmen auch international auf sich aufmerksam zu machen. Unter dem bosnischen Erfolgscoach Ivica Osim gelang dem Provinzklub in der Spielzeit 2001/2002 als Gruppensieger gar der Einzug in die Zwischenrunde der Geld-Liga. Unglaublich wie der Aufstieg vollzog sich zumindest im SK Sturm auch der rasche Niedergang. In nur drei Jahren versickerten Überschüsse in zweistelliger Millionenhöhe. Der illustre Klubpräsident Hannes Kartnig hinterliess beim Rücktritt im Vorjahr einen hoch verschuldeten Verein. Nach der Erteilung der Lizenz gelang es einem Konsortium aus der lokalen Wirtschaft, mit Unterstützung des Landes Steiermark den Klub über einen Zwangsausgleich zu retten.
Während Sturm, retrospektiv betrachtet, ein günstiges Zeitfenster für die Sanierung auf Kosten der Gläubiger öffnete, war die Lizenzbehörde spätestens angesichts des dreisten Nachahmungsversuchs des GAK unter Handlungsdruck. Mit der konsequenten Entscheidung bewies die Bundesliga Mut, da beide Klubs über die Bundesliga- Einspruchsfrist von zehn Tagen hinaus alle möglichen Rechtsmittel ergreifen wollen, um das die Existenz bedrohende Urteil abzuwenden oder zumindest wesentlich zu mildern. Obschon die Bundesliga mit dem Urteil wesentlich in den Verlauf des gegenwärtigen Championats eingreift, kann der richtungsweisende Entscheid mittelfristig für den österreichischen Fussball nur positive Auswirkungen haben. Die Rückbesinnung auf nachhaltiges Wirtschaften und realistische finanzielle Rahmenbedingungen hat schon bei einigen Vereinen zur Konzentration auf die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte geführt.
Anmerkung: Nach diesem Urteil wird man in Österreich bestimmt vorsichtiger wirtschaften. Die Konsequenz des österreichischen Verbandes würde auch Italien gut stehen...
Schuld sind immer nur die Anderen!