Hier schon mal vorab ein Text, der vom Referendumskomitee Zürich verfasst wurde und der nächsten Donnerstag im «P.S.», der wöchentlichen Zeitung der Sozialdemokratischen Partei der Stadt Zürich erscheinen wird.
«Hooligan-Gesetz»
Wie das Spiel verloren geht
Am 13. Juli läuft die Referendumsfrist gegen das BWIS («Hooligan-Gesetz») ab. Zürcher Fussballfans nehmen Stellung, weshalb sie dieses Gesetz bekämpfen und was für weitreichende Folgen es haben wird.
Mitte April formierte sich ein nationales Komitee aus zahlreichen Fussball- und Eishockeyfans aus der ganzen Schweiz, um gegen das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) das Referendum zu ergreifen. Mittlerweile erhielten sie Unterstützung von verschiedenen Parteien, Politikern und Juristinnen.
Was finden Politiker wie Fussballfans an diesem Gesetz, das in der Öffentlichkeit als «Hooligan-Gesetz» bekannt wurde, Besorgnis erregend?
- Das BWIS setzt die Unschuldsvermutung ausser Kraft: Für die Aufnahme in eine nationale Datenbank («HOOGAN») reicht bereits die «glaubwürdige» Aussage von privaten Sicherheitskräften im und vor dem Stadion. Es kommt zu keiner Anhörung und keinem strafrechtlichen Verfahren – dieses Vorgehen widerspricht unseren Grundrechten.
- Eine unabhängige Kontrolle der Datenbank ist nicht gewährleistet, eine neue Fichen-Sammlung droht. Bereits Kinder ab 12 Jahren können darin erfasst werden.
- Gegen in «HOOGAN» erfasste Personen können Zwangsmassnahmen wie Rayonverbot, Meldeauflage, Ausreisesperre oder Präventivhaft verhängt werden. Wiederum ohne gerichtlichen Nachweis, sondern auf blossen Verdacht hin.
- Das Gesetz ist verfassungswidrig: Der Bund hat für polizeiliche Zwangsmassnahmen keine Zuständigkeit.
Wir Fussballfans machen seit längerem Erfahrungen mit repressiven Massnahmen. Bereits heute werden Stadionverbote auf blosse Verdachtsmomente hin verhängt. Und bereits heute treffen diese Massnahmen zum Teil die falschen Personen: Im vergangenen Herbst hängte ein FCZ-Fan im Stadion von Aarau nach dem Spiel eine Fahne ab, die neben seiner eigenen am Zaun platziert war. Erst beim Zusammenlegen bemerkte er, dass darauf die dänische Nationalflagge zu einem Hakenkreuz entfremdet worden war (wohl als Kritik an den massiven Polizeiübergriffen gegen FCZ-Fans während des UEFA-Cup-Spiels in Kopenhagen). Beim Ausgang wurde der Fan verhaftet und erhielt umgehend ein Stadionverbot wegen rassistischer Propaganda, obwohl es nicht seine eigene Fahne war und Rassismus in krassem Gegensatz zu den Überzeugungen dieses (uns bekannten) Fans steht.
Dieser Vorfall ist exemplarisch für viele weitere bereits verhängte Stadionverbote in der Schweiz. In Zukunft landen Personen mit Stadionverbot sofort in der nationalen Datenbank. Beispiele aus Deutschland, das eine solche Datenbank schon länger kennt, zeigen, dass aber auch zahlreiche Fans erfasst werden, die nicht einmal ein Stadionverbot haben und nachweislich nicht negativ aufgefallen sind. Ein Verdacht oder die blosse Zugehörigkeit zu einer «Fangruppe» reicht offenbar als Begründung. Wir befürchten, dass mit dem BWIS auch bei uns willkürlich und zahlreich Fans fichiert werden.
Wie dann mit diesen Daten umgegangen wird, zeigt das Beispiel des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV), der letzte Woche eine Liste mit 400 Personen, die in der Schweiz mit Stadionverbot belegt sind, an Deutschland weitergegeben hat. Sie müssen nun mit Problemen bei einem allfälligen Grenzübertritt während der WM rechnen. Der Schweizerische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür kritisierte, dass diese Weitergabe gesetzeswidrig sei. Worauf der SFV erklärte, man «habe nicht gewusst, dass die Datenübermittlung meldepflichtig sei».
Es ist gibt in der Schweiz Leute, die in und um Stadien gewalttätig werden. Dass gegen solche Personen vorgegangen wird, ist im Sinne aller Fans. Doch dafür reichen die bestehenden Gesetze und strafrechtlichen Massnahmen aus. Die BWIS-Befürworter verstehen es nun aber geschickt, aus der Bezeichnung «Hooligan» einen Propaganda-Begriff zu machen, der längst nicht mehr nur diese gewalttätigen Personen meint, sondern eine breitere Fan-Basis mit einschliesst.
Der Fussballverband stellt in seinen neuen Richtlinien das Abbrennen von Feuerwerk (so genannte Pyro) auf die gleiche Stufe wie Gewalt gegen Personen – mit den entsprechend gleichen Konsequenzen. Für zahlreiche Fans gehört Feuerwerk – das bis vor zehn Jahren toleriert wurde – aber zum Bestandteil ihrer Fankultur und dient einzig der Unterstützung des eigenen Teams. Bereits heute wird in den Fankurve darauf geachtet, dass Feuerwerk in einem kontrollierten Rahmen gezündet wird und nicht auf dem Platz oder in den gegnerischen Fans landet (Stichwort: Selbstregulierung). Natürlich gelingt das nicht immer. Aber mit dem neuen Gesetz ist zu befürchten, dass zahlreiche dieser Fans kriminalisiert, in eine gewalttätige Ecke gedrängt – und dadurch eventuell auch radikalisiert werden. Eine solche Radikalisierung kann integrative und präventive Fanarbeit (Fanprojekte) verhindern. Finanzielle Mittel dafür wollen jedoch (ausser in Basel) weder Vereine, Verband noch die Behörden aufbringen.
Hörte man den BWIS-Befürwortern in den letzten Wochen zu, dann sind ihnen diese «Zeusler» genauso ein Dorn im Auge wie Fans, die mal laut fluchen, die lieber stehen als sitzen oder einfach nicht ihrem Bild eines «sauberen» Matchbesuches entsprechen, der brav konsumiert und sein gesponsertes Fähnchen schwingt. Viele Fans wollen aber laut und leidenschaftlich sein. Es ist das Fundament ihrer Fankultur, die sie Woche für Woche friedlich leben und für die sie einen substantiellen Teil ihrer Zeit und ihres Geldes aufwenden. Nur mit einem Ziel: ihre Mannschaft zu unterstützen. Diese Leidenschaft (zum Beispiel in Form von grossen Choreographien) wird von Vereinen, Verband und Wirtschaft für kommerzielle Werbezwecke ausgenutzt. Doch genau sie wird durch rein repressive Massnahmen wie das BWIS und ein Klima der Ausgrenzung zerstört.
Aus diesen Gründen bekämpfen wir Fans dieses Gesetz. Wir tun dies jedoch nicht nur als Sportfans, die direkt davon betroffen sind, sondern auch als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Was bald in und ums Stadion gelten soll, kann auch im Bereich von politischen Aktionen oder gegen Randständige und andere «unliebsame» Gruppen aller Art Anwendung finden. Mit dem BWIS geben wir den Behörden und Polizeiorganen ein griffiges Werkzeug für eine weitere Einschränkung der Grundrechte unter dem Deckmantel der «inneren Sicherheit» in die Hand. Dieses Gesetz betrifft nicht nur Sportfans, sondern uns alle! Unterschreiben deshalb auch Sie das Referendum.
Weitere Informationen, Unterschriftenbögen zum downloaden:
www.referendum-bwis.ch