Beitragvon BabyD » 17.03.06 @ 10:22
17. März 2006, :, Neue Zürcher Zeitung
Irritationen im FC Zürich
Konzeptioneller Rückfall in vermeintlich längst vergangene Zeiten
rwe. Nach rund einer halben Stunde hätten die Zuschauer - etwas überspitzt ausgedrückt - den Heimweg antreten können. Im Halbfinal des Swisscom-Cups führten die Young Boys zu diesem Zeitpunkt im Letzigrund 2:0, und nichts deutete auf eine Wende zugunsten des FC Zürich hin. Denn die Berner waren auf vielen Positionen besser besetzt, die meisten Spieler wurden auf jener Position eingesetzt, auf der ihre Stärken zum Ausdruck kamen, und strategisch wie konzeptionell hatte der Gastklub gegenüber dem Kontrahenten klare Vorteile. Der Trainer Gernot Rohr konnte hinterher zu Recht behaupten: «Unsere Kontertaktik ist voll aufgegangen.» Den Zürchern war an diesem Abend eine Lektion effizienten Fussballs erteilt worden.
Gelungenes Transfer-Konzept
Viel war in den vergangenen Wochen über die zahlreichen Mutationen im YB-Haus gesagt und geschrieben worden. Ohne auf Sinn oder Unsinn derart vieler Transfers einzugehen, muss man aufgrund des Eindrucks vom Mittwochabend den Verantwortlichen ein Kränzchen winden. Sie hatten offenbar bei der Auswahl der Spieler ein Konzept vor Augen, und dieses haben sie inzwischen nicht schlecht umgesetzt. Der Zuzug von Gohouri und dessen Einbau als zentraler Verteidiger ergibt einen Sinn, Everson ist dank seiner Routine und Vista eine ideale Ergänzung zum jungen Pirmin Schwegler, über die Aussenbahnen bringen Varela sowie Raimondi enorm viel Zug ins Angriffsspiel, und João Paulo ist derzeit der effizienteste Stürmer des Landes.
Dies alles sind Vorzüge, wie man sie derzeit im FC Zürich vermisst. Was ist nur aus diesem Team geworden, das vor der Winterpause die Fans mit gerissenem Angriffsfussball entzückt hat? Der Rückschritt deutete sich bereits im ersten Auftreten Anfang Februar im Cup-Viertelfinal in Aarau ab. Seit jenem Match ist das spielerische Element fast ganz auf der Strecke geblieben, den Vorstössen geht sowohl die Überzeugung als auch die Kreativität ab, und darum bleiben Tore - dies ganz im Gegensatz zum Herbst - Mangelware. Die zuletzt knappen Siege in der Meisterschaft haben jedoch den Blick für die Realität verstellt. Der Trainer Lucien Favre fiel am Mittwochabend fast aus allen Wolken, als ihn ein Medienvertreter fragte, ob die Schlappe gegen YB die Quittung für die bisher schlechten Leistungen gewesen sei?
Offenbar ist dem Romand entgangen, dass kaum ein Treffer seit Wiederaufnahme des Cup- und des Meisterschaftsbetriebes aus dem Spiel heraus gefallen ist. So standen fast ausnahmslos sogenannte Standardsituationen (Penaltys oder Freistösse) am Ursprung der Tore gegen Aarau, Basel, Yverdon und St. Gallen. Die Equipe ist konzeptionell wieder dort angelangt, wo sie in der ersten Saison unter Favre gewesen war. Damals, als Petrosjan, Simo und Bastida sich vor dem gegnerischen Strafraum die Bälle ohne Tempo und Raumgewinn hin und her gespielt hatten. Exakt so spielt der FCZ in diesen Wochen: mit nutz- und fruchtlosem Ballgeschiebe. Dass damit keine Torchancen zu kreieren sind, liegt auf der Hand.
Die Fehler des Trainers
Den FCZ-Angriffen fehlt neuerdings die Tiefe. Es mangelt die Schnelligkeit über die Flanken, es werden keine überraschenden Pässe aus dem hinteren Mittelfeld in den Rücken der gegnerischen Abwehr geschlagen - das einzige Mittel, um den Sprinter Keita zu lancieren. Doch wie sollen beispielsweise Impulse über die Aussenbahnen kommen, wenn der Trainer - wie gegen St. Gallen - zwei biedere Mitläufer (Nef und Inler) auf diesen Positionen nominiert? Favre ist der Vorwurf zu machen, dass er die Situation derzeit völlig falsch einschätzt. Der Frust ist riesig. Er manifestierte sich gegen YB in einer (ungeahndeten) Tätlichkeit von Rafael sowie einem Platzverweis von Keita. Der Trainer dürfte gut beraten sein, das derzeitige Konzept und die Zusammensetzung des Teams nochmals zu überdenken.
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