Beitragvon come on züri » 27.07.05 @ 22:57
Lucarelli - Forlan - Frei - Henry - Mintal: Wir werfen einen Blick auf die Topskorer der vergangenen Saison in Italien, Spanien, Frankreich, England und Deutschland und versuchen Tendenzen herauszulesen
Cristiano Lucarelli, Diego Forlan, Alex Frei, Thierry Henry, Marek Mintal: so heissen die Torschützenkönige der fünf bedeutendsten europäischen Ligen. Wer in Italien, Spanien, Frankreich, England und Deutschland die Torschützenkrone gewinnt, hat sich in den Geschichtsbüchern des Fussballs verewigt. Im Folgenden sollen deshalb die fünf "Kanoniere" unter die Lupe genommen werden - mit dem finalen Versuch, gesamtheitliche Tendenzen zu erkennen.
Die beste Trefferquote kann Henry vorweisen (32 Spiele/25 Tore; 0,78%). Auf den weiteren Plätzen folgen Lucarelli (33/24; 0,73 %), Mintal (34/24; 0,71%), Forlan (37/25; 0,68%) und Frei (36/20; 0,56%).
Cristiano Lucarelli - "der Auferstehende". Nach seinem verpatzten Auslandjahr bei Valencia 1998/99 fand der grossgewachsene Stürmer bei Lecce zu seiner Treffsicherheit mit 26 Treffern in 59 Spielen zurück, um allerdings danach im zweiten Jahr bei Torino neuerlich in ein tiefes Loch zu fallen (26 Spiele, 1 Tor). Doch der politsch sich links gerierende Lucarelli sollte ein zweites Mal "auferstehen". Nachdem er eine Millionenofferte von Torino ausgeschlagen hatte und nach Livorno gewechselt war, fand er in seiner Geburtsstadt zur alten Treffsicherheit zurück. In bislang 76 Partien erzielte er 53 Tore. Lucarelli ist ein kompletter Mittelstürmer, der seine Stärken vor allem in der Robustheit, in der Schusshärte und im Kopfballspiel hat.
Diego Forlan - der "Verschmähte". Nach seinen 30 Treffern in 54 Spielen für den argentinischen Verein Independiente wurde Manchester auf den Uruguayer aufmerksam und verpflichtete ihn im Januar 2002 für 10,5 Millionen Euro. Doch bei den "Red Devils" konnte der langhaarige Angreifer nie sein Können unter Beweis stellen (lediglich 10 Tore in 63 Meisterschaftsspielen). Für nur 3 Millionen Euro gaben die Engländer den vermeintlichen Fehleinkauf an Villarreal ab, wo der Nationalspieler förmlich explodierte. Forlan verfügt über einen exzellenten Torriecher, eine solide Technik und ein gutes Dribbling.
Alex Frei - der "Unterschätzte". Seiner guten Zeit bei Servette, wo er in 64 Meisterschaftsspielen 36 Mal ins Schwarze traf, liess Frei ein mühseliges, unbefriedigendes erstes Jahr in Rennes folgen. Erst nach dem Trainerwechsel von Halilhodzic zu Bölöni im Sommer 2003 konnte der Schweizer Nationalspieler seine Torjägerqualitäten voll unter Beweis stellen. 39 Treffer erzielte Frei seither für den nächstjährigen UEFA-Cup-Teilnehmer in 64 Spielen. Freis Stärken liegen in seinem opportunistischen Spielstil (Torriecher) und seiner mentalen Stärke.
Thierry Henry - die "Konstanz". Zwar erzielte der Franzose in seinen jungen Jahren im Dress von Monaco in 110 Meisterschaftsspielen lediglich 20 Tore, doch tat er sich im Fürstentum in erster Linie als Torvorbereiter hervor. Nach dem "Seuchen-Halbjahr" bei Juventus, wo er von Trainer Ancelotti auf die linke Mittelfeldseite verbannt wurde, wechselte Henry zu Arsenal London. Unter Arsène Wenger fand der Nationalspieler zu einer beeindruckenden Konstanz im Toreschiessen. Die sensationelle Gesamtbilanz mit 205 Spielen in der Meisterschaft und 137 Treffern spricht Bände. Henry besticht vor allem durch seine Schnelligkeit (auch und gerade mit dem Ball am Fuss), seine technische Brillanz und seine spielerisch wirkende Leichtigkeit.
Marek Mintal - die "Überraschung". Der "Phantom" genannte Stürmer (wegen seinen aus heiterem Himmel erzielten Toren nach Anzeichen und Phasen von Lethargie innerhalb von 90 Minuten) traf für seinen längjährigen slowakischen Klub Zilina in 217 Spielen 94 Mal, davon allein 59 Mal in den letzten drei Jahren vor seinem Wechsel zu Nürnberg. Für viele erstaunlich war, dass der Nationalspieler in der 1. Bundesliga sogar noch häufiger als im Aufstiegsjahr davor (in der 2. Bundesliga) traf. Mintal ist ein extrem schlitzohriger und unberechenbarer Spieler, der sich durch eine ausgezeichnete Technik, überraschende Dribblings sowie einen platzierten und satten Schuss auszeichnet.
Was fällt nach der Kurzanalyse der fünf Goalgetter gesamthaft betrachtet auf? Vor allem drei Dinge.
Zum Einen befinden sich alle im viel zitierten sogenannten "besten Fussballeralter" (Lucarelli 29, Henry und Mintal 27, Forlan und Frei 26). Ein Indiz dafür, dass vielleicht eine gewisse Reife und Erfahrung unablässig für den totalen Durchbruch ist, besonders wenn man nicht so viel Talent in die Wiege gelegt bekommen hat wie ein Adriano, ein Eto'o, ein Rooney oder ein Podolski.
Zum Anderen spielen die fünf Torschützenkönige alle bei Aussenseiterklubs (Henry als Ausnahme) und waren alles andere als erste Anwärter auf die Torjägerkrone (auch hier Henry und teilweise Frei als Ausnahme). Zusätzlich aufgewertet wird die Performance durch die Tatsache, dass die Goalgetter für ihre insgesamt 118 Tore gerade mal 8 Elfmetertore benötigten (4 Lucarelli, 3 Mintal und 1 Forlan).
Und drittens sticht ins Auge, dass die Torjägerkronen durchwegs von Ausländern gewonnen wurden (Ausnahme Lucarelli). Ein untrügliches Zeichen für den immer globalisierteren Fussball.