15. November 2004, 07:19, Neue Zürcher Zeitung
Der FCZ als Wärmespender
Kämpferische Zürcher gegen Servette erfolgreich - 2:1
kla. Mit einer Sicherheit und Kaltblütigkeit, die in diesem Ausmass nach der Vorstellung vor einer Woche in Aarau nicht unbedingt zu erwarten gewesen war, hat der FC Zürich auch den unbequemen Gegner aus Genf in die Schranken gewiesen. Dabei schien sich lange alles gegen den Platzklub verschworen zu haben. Nach 20 Minuten musste Filipescu, die halbe «Lebensversicherung» in der Abwehr, verletzt vom Platz, nach einer Stunde taxierte der Schiedsrichter eine Intervention von Pallas als Handspiel - Platzverweis, Elfmeter, Ausgleich. Der FC Zürich schien zu zehnt auf die Verliererstrasse gedrängt worden zu sein, doch in einem packenden Finish, der vieles an Dramatik enthielt, was sonst Cup-Treffen auszeichnet, setzte sich der Tüchtige mit einem Quentchen Glück, vor allem aber mit viel Herzblut, durch. Ausgerechnet der Ersatzspieler Ilie schloss einen Entlastungsangriff nach ungenügender Abwehr des Servette-Keepers auf einen harten Ball Tarones eine Viertelstunde vor Ende mit dem Siegtreffer ab. Der Rumäne stand einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort - wie ein Goalgetter.
Goldrichtig verläuft auch die Trendlinie im FCZ - völlig asymptomatisch für die kalten Herbsttage früherer Saisons. Nach den 2:0-Heimsiegen gegen die Young Boys und die Grasshoppers sowie dem torlosen Remis gegen das Meisterteam aus Basel unterstrich der Heimklub auch gegen die heute technisch wohl beste Schweizer Equipe kämpferische Qualitäten, vor allem in kritischen Momenten. Servette, mit mehr Individualisten in den Reihen, war nach der Pause klar spielbestimmend, wurde mit zunehmender Dauer in gleichem Masse stärker, wie der FCZ nachliess, und gab mit Tempoerhöhung und frühem Pressing klar zu erkennen, in welche Richtung der Match zu laufen hatte. Und nach dem aufgrund der TV-Bilder zumindest umstrittenen Platzverweis und dem Handspenalty schien das Kartenhaus der Zürcher ohnehin in sich zusammenzufallen. Es sollte allerdings anders kommen.
Imponierend, und dies ist ein Hinweis auf die Moral dieser Equipe, wie sich der benachteiligte FC Zürich gegen die Dominanz wehrte. Wie die Spieler - beispielsweise Schneider und Stahel im Abwehrzentrum - mit einem verblüffenden Willen selbst gegen den auch läuferisch mit frischen Offensivkräften zunehmend stärkeren Gegner nicht nur dagegenhielten, sondern noch die Entscheidung zu ihren Gunsten zu erzwingen versuchten. Mit viel Kampfgeist verwischten die Zürcher einige Mängel und korrigierten schliesslich den nach der Pause gewonnenen Eindruck einer angeschlagenen Mannschaft. Sie hatten es nämlich schon vor dem Seitenwechsel verpasst, aus einer guten Anzahl Torchancen Profit zu ziehen, so wie es dem Geschehen zu diesem Zeitpunkt durchaus entsprochen hätte.
Ein Prachtstor Tarones aus 18 m nach vorbildlicher Vorarbeit Petrosyans blieb der (bescheidene) Ertrag, nachdem Keita, Gygax, Tarone und Di Jorio zum Teil aus nächster Nähe die Unsicherheit in der Genfer Abwehr nicht resolut genug ausgenutzt hatten. Es waren wärmende Elemente im Eisschrank Letzigrund, wo sich einige der 6400 meist schlotternden Zuschauer fragten, weshalb zu dieser Jahreszeit erst mitten im Nachmittag und zuletzt noch unter Flutlicht und nicht wie andernorts um 14 Uhr 30 gespielt werden muss. Wenigstens machte der Platzklub aber mit seiner Leidenschaft auch im heftigen Biswind Werbung in eigener Sache.
Frostig verlief die zwar intensive, spielerisch aber nur sporadisch überdurchschnittliche, lange zerfahrene und fehlerhafte Partie ohne grosse spielerische Eleganz dagegen für die Grenats. Sie müssen sich die Niederlage wohl zu einem guten Teil selber zuschreiben, denn die vorsichtige Einstellung zu Beginn, das L'art-pour-l'art-Denken herausragender Einzelkönner genügte gegen die Willensleistung des FCZ alleine nicht. Karembeu, erst nach der Pause effizient, Leonardo, Ziani, Diogo oder Valdivia zauberten zwar einige Male mit dem Ball, liessen sich aber durch die zunehmende Zweikampfstärke des Platzklubs zu leicht den Mumm abkaufen. Das Klein-Klein-Spiel mit durchaus intelligenten Ansätzen allein konnte auch an diesem Sonntag nicht das einzige Erfolgsrezept der Romands bzw. von deren multikultureller Gruppe sein. Dennoch: In dieser Mannschaft schlummert noch sehr, sehr viel Potenzial. Auch dies ist nichts Neues.
Quelle: http://www.nzz.ch/2004/11/15/sp/page-article9ZSGQ.html