Beitragvon realtiger » 13.08.04 @ 8:24
aus der heutigen nzz
Den Traum entführt
Internazionale nimmt aus Basel mehr mit als nur das 1:1
fcl. Basel, 12. August
Als der blauschwarze Mannschaftsbus von Internazionale kurz vor Mitternacht in der schwülen Nacht entschwand und auf die Autobahn in Richtung Mailand einbog, schien es, als hätten die Italiener mehr aus Basel mitgenommen als nur dieses Remis. Irgendwo in ihren Gepäckstücken hatten sie ihn vermutlich fein säuberlich verstaut, den grossen Traum des FCB von der Champions League. Sie liessen stattdessen nur die Desillusionierung zurück. Auf den Strassen vor dem St.-Jakob-Park tropfte die Ernüchterung in dicken Schweissperlen von den Gesichtern der nach Hause strömenden Fans.
Ernüchterung, weil der FC Basel trotz finanziellem Mehraufwand und breiterem Kader an diesem Abend dem Vergleich mit dem Jahrgang 2002 nicht standhielt. Leise Enttäuschung darüber, dass die Mannschaft wie schon in der Meisterschaft physisch keine Wunderdinge zu leisten vermochte, ja sich gegen Ende immer deutlicher mit schwindenden Kräften wehren musste. Und schliesslich setzte sich die Einsicht durch, dass sich der Schweizer Meister mit dem Gebotenen am oberen Rand seiner derzeitigen Leistungsskala bewegt hatte, dass der Auftritt zwar gut, aber nicht gut genug gewesen war. Manchmal waren die Spielzüge attraktiv, gewiss, oft aber zu unpräzis und nicht mit der gleichen Bedingungslosigkeit vorgetragen wie noch vor zwei Jahren. Delgado ist nicht Hakan Yakin.
Internazionale versprühte zwar ab und zu einen Hauch von Genie, deutete da Klasse und dort Brillanz an, erwies sich aber auch als fehleranfällig und spielerisch noch nicht gefestigt. Die Schattierungen der Squadra reichten von Genialität (Adriano) bis hin zu Unvermögen (Veron). Letzterer, ein Freund von Trainer Mancini aus gemeinsamen Tagen bei Lazio, spiegelte die ungenügende Frühform Inters exemplarisch. «Die Weltauswahl», wie FCB-Trainer Gross später sagte, verfügt über beträchtliches Steigerungspotenzial. Das allein muss den Baslern zu denken geben. Dass ein Team, dessen Championat erst in einem Monat beginnt, vor allem mit realistischem Fussball das gewünschte Ziel erreicht hat, lässt für die Revanche für den FCB wenig Gutes ahnen. Physisch wie spielerisch wird sich Inter in elf Tagen der angestrebten Bestform weiter genähert haben. Das Rückspiel werde für seine Equipe nicht einfach werden, sagte Mancini mahnend. Er weiss, dass die Gefahr, den Gegner zu unterschätzen, dannzumal erheblich grösser sein wird als am Mittwochabend.
Das 1:1 ist zweifellos ein leistungsgerechtes Resultat. Dass sich der FCB kein Ergebnis zu erspielen wusste, das ihm mehr Hoffnung lässt als dieses Remis, schrieb Gross dem Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaft zu. «Nicht alle waren so überragend wie Rossi», sagte der Trainer, ohne die Fehlbaren beim Namen zu nennen. Er schilderte sachlich und unaufgeregt die Lage und analysierte präzis. Sein Auftritt nach dem Spiel verriet Klasse. Vielleicht ist Gross der einzige Player im FC Basel, der im Vergleich mit der euphorisch-verklärten Saison 2002 nochmals gewachsen ist und an Stil und Durchsetzungsvermögen dazugewonnen hat.
Und auch wenn die Basler nach dem Hinspiel ihre Träume von der Champions League entschwinden sehen, lässt Gross nicht locker. Der Fussball habe schon so viele wunderbare Geschichten geschrieben, sagt er. Auch in Mailand sei immer noch vieles möglich. Die Aufgabe ist jedoch zweifelsfrei noch schwieriger geworden, als bereits anlässlich der Auslosung in Nyon vermutet werden konnte.