2026 zieht Lugano ins neue stadion ein:
Calling Chicago: Was macht ein Klub, wenn er 65 Verbesserungsvorschläge hat, die fast 13 Millionen Franken kosten?
Der FC Lugano erweist sich immer mehr als Sonderfall des Schweizer Fussballs. Mitte 2026 will der Klub als Mieter in ein neues Stadion einziehen – und vom Besitzer und Milliardär Joe Mansueto kommt dazu ein weiteres starkes Bekenntnis.
Der FC Lugano bat in einen Kinosaal am Mittwochvormittag, und es gab Momente, die in der Tat an Filmstoff erinnerten. Am Schluss erschien auf der Leinwand ein grosses Bild von Joe Mansueto, wie er am See inmitten von acht grossen Buchstaben steht. «My Lugano», heisst es. So ist es. Zumindest den FC Lugano besitzt der amerikanische Milliardär, und er wird nicht müde, sich dazu zu bekennen. Auch dieser Tage wieder.
Mitte März reiste Martin Blaser, der CEO des FC Lugano, mit zwei Mitarbeitern zu Mansueto nach Chicago. Im Gepäck hatten sie einen millionenschweren Antrag, der auf monatelanger Arbeit basierte. Im November 2021 hatte das Stimmvolk von Lugano Ja gesagt zu einem neuen Fussballstadion. Blaser fand dieses Projekt gut und recht, war aber der Meinung, im Innenausbau lasse sich das eine oder andere Detail verbessern.
Blaser arbeitete früher für GC und den FC Basel, er ist gut vernetzt in der Schweizer Sportszene. Und so zog er Vertraute und Spezialisten bei, darunter Personen, die früher auch im FCB-Umfeld gearbeitet hatten. Total kaufte Blaser 1742 Arbeitsstunden ein für die Verfeinerung der Stadionpläne, Kostenpunkt: 268 536 Franken, aufgelistet im Kinosaal.
Es entstand ein Projekt, das 65 Verbesserungsvorschläge vorsah. Das Stadion soll zu einem «Boutique-Stadion» werden, so sagt es Blaser. Ähnlich war die Formulierung gewesen, als Mansueto den Klub im August 2021 übernommen hatte. Lugano solle ein «Boutique-Klub» werden, sagte der Schweizer Georg Heitz, der bei Chicago Fire, einem anderen Mansueto-Klub, als Sportdirektor arbeitet und Mansueto den FC Lugano als Chicago-Partnerklub näherbrachte.
Ein «Boutique-Klub», was ist das? «Klein, aber fein, das ist die Idee», sagte Heitz später. Lugano müsse nicht die Absicht haben, YB oder den FCB zu kopieren – «aber was wir machen, wollen wir sorgfältig machen».
Das Stadion soll klein, fein, modern werden, mit US-Touch natürlich
Also berechnete Blaser mit seinen Mitarbeitern sorgfältig, wie teuer die 65 Verbesserungsvorschläge zu stehen kämen: 12,72 Millionen Franken. Dazu: 3,7 Millionen für die digitale Transformation. Summa summarum: 16,42 Millionen. Diesen Antrag stellten sie Mansueto und reisten heim. Am 3. April erteilte Mansueto per E-Mail Kostenfreigabe.
Es sind Investitionen, die das «Boutique-Stadion» zu einem Anziehungspunkt machen sollen, klein, fein, aber auch modern, mit US-Touch natürlich. Es sind Investitionen, die mehr Fans ins Stadion bringen sollen, idealerweise auch aus der Deutschschweiz. Es sind vor allem aber Investitionen, die Mansueto in eine Einrichtung tätigt, die ihm nicht einmal gehört.
Das Stadion ist Eigentum der Stadt; die Stadt verantwortet quasi den Grundausbau – und Mansueto zahlt mehr als ein Dutzend Millionen, damit es dem Mieter, seinem FC Lugano, besser geht. Die Stadt war über die Entwicklung dieses 65-Punkte-Plans informiert, bis Ende Jahr dürfte ein Mietvertrag über mehr als 20 Jahre besiegelt werden. Als Bezugstermin wird Mitte 2026 angestrebt.
Ziel Champions League? «Heute wäre das Risiko zu hoch»
Es hat fast etwas Skurriles: Während der Präsident und Co-Besitzer David Degen am Mittwoch in der «Basler Zeitung» sagt, das Jahr 2023 werde «finanziell das schwierigste in der Geschichte des FCB», wirft Mansueto für Lugano 16 Millionen Franken auf und bezahlt damit nicht einen einzigen Fussballer, keine einzige Ablösesumme.
Letzte Saison betrug Luganos Zuschauerdurchschnitt 2935, in dieser Saison liegt er bei 3360, mühsam ernährt sich das Tessiner Eichhörnchen. Blaser setzt sich eine Verdoppelung zum Ziel – und vielleicht hilft es, wenn sich das Stadion als so etwas wie eine Sehenswürdigkeit verkaufen lässt, als must see für einen Fussballfan, Swiss miniatur im Grossformat.
YB oder den FCB kopieren – nein, wirklich nicht, der FC Lugano hat eine eigene Idee. In den vergangenen Saisons belegte der Klub die Plätze 3, 5, 4, 4, vor einem Jahr gewann er den Cup; derzeit ist er Dritter und steht erneut im Cup-Final. «Was zuletzt geschah, ist das, was wir erwarten können», sagt Blaser. Eine besonders offensive Transferstrategie, damit er am Ende Zweiter werde, ergebe für einen Klub dieser Grösse keinen Sinn; vor zehn Jahren wäre es vielleicht noch anders gewesen, weil die lukrative Champions League allenfalls leichter erreichbar gewesen sei, «heute wäre das Risiko zu hoch».
Und es ist nicht so, dass Mansueto bisher zurückhaltend investiert hätte. In den offiziellen Zahlen der Liga wies der FC Lugano 2022 unter «sonstigen betrieblichen Erträgen» knapp 21 Millionen aus. Dabei handelte es sich schlicht um Zuwendungen von Mansueto – für so viel «Boutique», wie der FC Lugano heute schon ist.
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