«Und jetzt bin ich hier»Als er vor dem Derby erstmals ins Scheinwerferlicht tritt, strahlt er eine Freude und Offenheit aus, die seinen Spielern nur guttun kann – er hofft auf den Befreiungsschlag gegen GC. Thomas Schifferle
Publiziert: 29.09.2022, 19:53

Der Reporter vom Lokalsender hat eine kleine Bitte an den Mann, der auf einmal im Mittelpunkt steht. Ob er nicht zuerst Namen und Funktion in die Kamera sagen könne. Und der Mann im Mittelpunkt antwortet: «Genesio Colatrella. Trainer FCZ.» Einen Moment später schiebt er nach: «Interimistisch. Sonst tönt das arrogant.»
Colatrella hat seinen ersten Auftritt als Trainer ad interim. Ancillo Canepa sitzt an seiner Seite, gibt der Veranstaltung einen präsidialen Anstrich und lobt den FCZ gleich selbst ein wenig dafür, dass der 50-jährige Colatrella überhaupt in seinem Trainerstab ist. «Wir haben ihn ja nicht umsonst für die U-21 engagiert. Wir haben allergrösstes Vertrauen in ihn. Er ist ein Toptrainer.»
Im Sommer vor einem Jahr kam Colatrella aus Luzern nach Zürich. In Luzern war er zuletzt Assistent von Fabio Celestini gewesen, in Zürich übernahm er den Nachwuchs aus der Promotion League. Dass er jetzt «im Scheinwerferlicht» steht, wie er das selbst sagt, hat mit der Entlassung von Franco Foda als Trainer des FCZ am Mittwoch vergangener Woche zu tun.
Seither betreut Colatrella die Mannschaft. Als neuer Cheftrainer kommt er selbst nicht infrage, dafür fehlt ihm (noch) die nötige Uefa-Pro-Lizenz. Darum kann er nur 20 Tage seine Arbeit machen, 20 Tage und die vier Spiele gegen GC am Samstag, den PSV Eindhoven, Winterthur und in der Europa League nochmals gegen Eindhoven.
Wieso der FCZ in der Meisterschaft so tief gefallen, im Cup schon ausgeschieden und in der Europa League noch sieglos geblieben ist, auf diese Fragen findet Colatrella keine schlüssige Antwort. Das sei schwierig, wenn man nicht mittendrin sei, sagt er. Manchmal wisse man nicht, wieso man gewinne, und manchmal nicht, wieso man verliere. Verbindlicher wird er nicht.
Das Sonderlob von FavreColatrella ist, wie ihm gesagt wurde, der erste italienische Trainer des FCZ. Verwurzelt ist er in der Zentralschweiz, als Spieler und Trainer, als Familienvater von vier Kindern, «ich sorge für Nachwuchs», sagt er, «ich war Nachwuchschef beim FC Luzern. Und jetzt bin ich hier.»
Die Region, aus der er kommt, hat er abgegrast. Als Spieler beim Luzerner SC, in Sursee, bei Kriens in der alten Nationalliga A, in Zug, Buochs, bei den Kickers Luzern, wo er vier Saisons auch Spieler-Trainer war wie nachher von 2007 bis 2010 beim SC Goldau.
Mit den Kickers traf er im Cup einmal auf den FCZ, im Herbst 2004 war das. Es gab ein 1:4 und ein Sonderlob vom gegnerischen Trainer Lucien Favre. Colatrella hat das nicht vergessen: «Favre sagte: Der beste Spieler beim Gegner war Colatrella.» Am Ende jener Saison stiegen die Kickers in die 1. Liga auf, und der FCZ gewann den Cup.
Colatrella war eine Nummer 10, technisch stark, offensiv, kreativ, «aber mit einem eher tiefen Schwerpunkt». Selten verliess er die Gegend, wo er geboren ist. Einmal verschlug es ihn nach Locarno und einmal nach Thun, 2001 wurde er von Georges Bregy ins Berner Oberland geholt. Kaum hatte er für zwei Jahre unterschrieben, ging Bregy zum FCZ.
In Thun stellte sich der neue Trainer vor. «Ich bin der Hanspeter Latour», sagte er im ersten Satz. Und im zweiten: «Ich spiele gerne mit grossen Spielern.» Colatrella wusste, woran er nun war. Er ist nur 1,69 m gross. Eines Tages sagte er zu Latour: «Sie ändern Ihre Meinung nicht. Und ich werde nicht mehr grösser.» Nach acht Monaten Thun kehrte er in seine Heimat zurück.
Nach seiner aktiven Zeit war ihm der Nachwuchs lange ein Anliegen. Beim FC Luzern betreute er ab dem Frühjahr 2012 die U-18, in Kriens war er Nachwuchskoordinator, bis er diese Aufgabe fünf Jahre lang beim FCL ausübte. Aber dann zog es ihn zurück auf den Platz, wie er sagt, und er wurde Assistent von Celestini. Höhepunkt der gemeinsamen Arbeit war der Cupsieg 2021.
Eine Trainersuche in RuheAls er als Trainer anfing, fand er Fabio Capello gut. «Allerdings war das ein Diktator», sagt er heute, «seine Art wäre jetzt eher nicht mehr denkbar.» Darum hat er umgeschwenkt und findet speziell Gefallen an Carlo Ancelotti. In ihm sieht er den kompletten Trainer, der alles hat, um erfolgreich zu sein. Frage: Ist er auch so stoisch wie Ancelotti? Antwort: «Manchmal.» Lachen.
Colatrella dagegen hat eine bescheidene Karriere als Spieler und Trainer hinter sich. Stolz macht sie ihn trotzdem. Und zufrieden. Darum sagt er an diesem Donnerstag: «Wenn Cillo vor zwei Tagen gefragt hätte: Übernimmst du die U-16?, hätte ich auch das gemacht.»
Das heisst nun nicht, dass er keine klaren Vorstellungen hätte, was er ab Samstag von seiner Mannschaft verlangt. Klarheit, einfach bleiben und vor allem mit Freude und der gleichen Idee ans Werk gehen. So fasst er das zusammen. «Das Derby ist ein Topspiel, die Chance zum Befreiungsschlag», sagt er. Wenn die Spieler nur ein wenig von der Unbeschwertheit und der Freude ihres neuen Trainers auf den Platz transportieren können, kann dem Erfolg nicht mehr viel im Weg stehen.
Die Lösung mit Colatrella erlaubt es Canepa und seinem Stab, mit Ruhe einen definitiven Nachfolger für Foda zu finden. Dass viele Bewerbungen eingetroffen sind, hat er schon gesagt. Dass über mögliche Kandidaten viel spekuliert werde, schiebt er jetzt nach. Konkreter wird er nicht. Fürs Erste hat er nur einen Wunsch: «Nach acht Spielen mit zwei Punkten möchte ich im Derby die drei Punkte.»
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