Beitragvon Simon Le Bon » 31.07.22 @ 13:54
eine Tore beim FC Zürich
Wieso der Meister leidet
Schon fünf Spiele ohne Sieg, in der Super League nach dem 0:2 in St. Gallen sogar ohne Tor: Franco Foda und seine Spieler sind erfolglos auf dem Weg, mit den Belastungen und Erwartungen umzugehen.
Thomas Schifferle
Thomas Schifferle
Publiziert heute um 13:32 Uhr
Setzt ihm der Trubel zu? Auch das italienische Grosstalent Wilfried Gnonto lässt beim missglückten FCZ-Saisonstart Fragen offen.
Foto: Claudio Thoma (Freshfocus)
Der Match ist kaum vorbei, da ruft Franco Foda seine Spieler zusammen. Bloss keine Zeit verlieren, um ihnen etwas mitzuteilen, was ihm wichtig ist. «Es gibt keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen», sagt er ihnen.
Gerade strahlend stehen die Zürcher nicht um ihren neuen Chef herum, auch nicht erhobenen Hauptes. Sie haben soeben die nächste Enttäuschung einstecken müssen. Das 0:2 in St. Gallen tut vor allem einmal weh, weil es vermeidbar ist. Und es tut weh, weil es das fünfte sieglose Spiel in Folge und innert zwei Wochen ist. Es ist das fünfte unter Foda und einer Mannschaft, von der Präsident Ancillo Canepa denkt, sie sei besser als die alte Ausgabe.
«Solche Phasen gibt es im Fussball», sagt Foda. Und gibt selbst den Rat aus: «Ruhig bleiben, klar bleiben, noch zielstrebiger sein.» Vielleicht hilft auch der Rat, endlich einmal ein Tor zu schiessen, wenn sich die Chance dazu bietet. Null Tore in drei Meisterschaftsspielen sind die Bilanz eines Tabellen-Neunten.
Verloren im Kybunpark: die Zürcher Karol Mets, Becir Omeragic, Jonathan Okita und Bledian Krasniqi (von links) nach dem 0:2 in St. Gallen.
Foto: Claudio Thoma (freshfocus)
Verloren im Kybunpark: die Zürcher Karol Mets, Becir Omeragic, Jonathan Okita und Bledian Krasniqi (von links) nach dem 0:2 in St. Gallen.
Foto: Claudio Thoma (freshfocus)
In St. Gallen ist die Arbeit vor dem gegnerischen Tor das grosse Manko, von Effizienz keine Spur. Reihenweise vergeben die Zürcher Möglichkeiten, allein drei in der ersten Halbzeit, und als Sportchef Marinko Jurendic davon redet, erinnert er sich an die Meistersaison zurück: «Da hätte Assan Ceesay aus drei solcher Chancen vier Tore gemacht.»
Ceesay war der Stürmer, der unter André Breitenreiter auf einmal zum Torjäger wurde. Er ist jetzt bei Serie-A-Aufsteiger Lecce. Ayegun Tosin, Jonathan Okita oder Wilfried Gnonto sollen es vor lauten 17’800 Zuschauern in St. Gallen richten, später kommt noch Antonio Marchesano als Unterstützung auf den Platz. Sie treffen den Goalie, den Pfosten, die Latte, sie treffen alles, nur nicht ins Tor.
So viel ist verloren gegangen
Manchmal ist Pech dabei, manchmal fehlt auch die Qualität, um im entscheidenden Moment besser zu sein als Lawrence Ati Zigi im St. Galler Tor. Und immer wieder zeigt sich, dass das weg ist, was den FCZ letzte Saison so erfolgreich machte: die Klarheit im Spiel und System, das tiefe Vertrauen in den Trainer und seine Anordnungen, das Selbstvertrauen und die Selbstverständnis.
Man müsse sich alles wieder neu erarbeiten, sagt Foda zwei Tage vor dem Saisonstart gesagt und erhält dann in Bern gegen YB gleich die erste Lektion, wie hindernisreich der Weg zur alten Stärke sein kann. Ein verschossener Elfmeter von Marchesano nach einer knappen Stunde reicht, um die Mannschaft hilflos der Wucht der Young Boys auszuliefern. Mit dem 0:4 beginnt die Serie der Dämpfer.
In der Qualifikation zur Champions League scheitert der FCZ mit Karabach an einem Gegner, der spielstark, erfahren und abgebrüht ist. Dazwischen steht das 0:0 gegen Luzern nach einem konzeptlosen Auftritt. Und nun also das 0:2 in St. Gallen, nach zwei Toren von Julian von Moos, an denen die Zürcher, angefangen bei Nikola Boranijasevic und Karol Mets, mit ihrem schlechtem Abwehrverhalten wesentlich beteiligt sind.
Der Trainer rotiert im grossen Stil, der Sportchef versteht das: Franco Foda (rechts) mit Marinko Jurendic.
Der Trainer rotiert im grossen Stil, der Sportchef versteht das: Franco Foda (rechts) mit Marinko Jurendic.
Foto: Michael Buholzer (Keystone)
Die Belastung in diesen Tagen ist ungewohnt für die Spieler. Nur Blerim Dzemaili kennt sie in dieser Form aus seiner langen Karriere, ausgerechnet er ist im Moment angeschlagen. Foda versucht auf die neue Herausforderung zu reagieren, indem er rotiert. Und er tut das im grossen Stil: Einmal sind es sechs Wechsel, dann fünf und in St. Gallen gleich sieben, verbunden immer mit einem anderen System.
Foda geniesst dafür die Rückendeckung von Jurendic. Dafür hätten sie auch ein Kader mit 25 Spielern, sagt der Sportchef. Die Krux ist, dass die vielen Umstellungen genau das verhindern, was er sich auch wünscht: «Das Vertrauen behalten, sich einspielen.»
Im Kybunpark wählt Foda zur Abwechslung ein 4-2-3-1. Es ist seine Art, die Mannschaft weiterentwickeln zu wollen. Wobei die Frage ist, wieso er aufgrund der fehlenden Zeit auf dem Trainingsplatz nicht bei dem bleibt, was ihm Breitenreiter hinterlassen hat. Auch Breitenreiter konnte sich vorstellen, seine Mannschaft anders anzuordnen. Aber er liess die Hände davon, weil er zur Erkenntnis kam, dass das 3-4-1-2 am besten zu den vorhandenen Spielern passt.
Das Problem Gnonto
Gegen St. Gallen bilden Marc Hornschuh und Stephan Seiler das defensive Mittelfeld. Der Qualitätsverlust gegenüber Dzemaili und Doumbia aus der letzten Saison ist eklatant. Boranijasevic und besonders Adrian Guerrero, auch sie Schlüssel auf dem Weg zum Titel, rennen der Form hinterher, Fidan Aliti ist komplett aus dem Tritt geraten, die neuen Spieler sind noch nicht richtig angekommen.
Oder da ist Wilfried Gnonto, der auch am Samstag vornehmlich mit seiner negativen Körpersprache auffällt. Er ist weiterhin erst 18, da bleibt Zeit für Verbesserungen. Aber ganz offensichtlich hat er Mühe, mit den Nachwirkungen eines hektischen Sommers und der Rolle als Stammkraft umgehen zu können. Ein weises Wort des Trainers, wie es Breitenreiter jeweils für seine Spieler hatte, könnte ihm helfen.
«Wir haben gewusst, dass es diese Saison schwierig wird», sagt Marinko Jurendic. «Wir sind nicht mehr der Aussenseiter.» Nein, sie sind der Meister, der selten an einem Ort so gerne besiegt wird wie in der Ostschweiz. Die St. Galler überfahren sie am Anfang und wehren sich danach mit typisch Zeidlerscher Leidenschaft und Willenskraft. Selbst nach dem schwer verständlichen Platzverweis gegen Isaac Schmidt suchen sie ihr Heil in Kontern. Als Mateja Maglica einmal Okita mit einer Grätsche stoppt, jubelt das Publikum wie bei einem Tor. Foda und der FCZ erleben St. Gallen in Reinkultur.
Damit müssen sie umzugehen lernen. Sie müssen lernen, noch mehr zu investieren, noch hartnäckiger zu arbeiten, den Erfolg noch mehr erzwingen zu wollen. Die Zeit drängt. Am Donnerstag wartet in Belfast Nordirlands Rekordmeister Linfield in der 3. Qualifikationsrunde zur Europa League. Linfield ist einer dieser Gegner, die vom schönen Spiel wenig halten. Schönheit ist im Moment auch nicht gefragt beim FCZ. Nur ab und zu mal ein Tor.