Beitragvon spitzkicker » 19.01.24 @ 21:31
Der Tagi berichtet wie folgt:
Bo Henriksen beim FCZ: Warum sich Club und Trainer nicht finden
Von Florian Raz
Es ist kurz nach Mittag, als Bo Henriksen an diesem Donnerstag sagt: «Kein Kommentar.» Etwas mehr als sieben Stunden später sitzt Ancillo Canepa im Museum des FC Zürich und hält fest: «Derzeit gibt es nichts zu kommunizieren.»
Gut, etwas fügen die beiden noch hinzu. Laut FCZ-Präsident Canepa sind im Trainingslager «konstruktive Gespräche» geführt worden. Für Trainer Henriksen waren sie sogar «fantastisch».
Mehr wollen sie nicht sagen zur Frage, wo und warum die Verhandlungen um Henriksens Zukunft beim FCZ stecken geblieben sind. Und so könnte alles im Unklaren bleiben, was den Vertrag des Dänen betrifft, der im Sommer ausläuft.
Bloss reden Henriksen und Canepa auch über andere Dinge. Und weil am Abend bei einem Talk vor Fans Sportchef Milos Malenovic ebenfalls anwesend ist, wird plötzlich klar, warum sich der FCZ und sein Coach nicht finden.
Es geht zum Beispiel darum, wie die bisherige Saison zu beurteilen ist. Darum, ob unter Henriksen jener Fussball gespielt wird, der dem FCZ vorschwebt. Und um die Frage, ob er der Richtige ist, um junge Spieler in die erste Mannschaft einzubauen.
«Ein fader Beigeschmack»
Die Diskrepanzen sind nicht zu überhören. Da ist Henriksen, der für sich reklamiert: «Wir liegen zwei Punkte hinter Rang zwei. Das heisst, dass wir nicht ein gutes, sondern ein fantastisches Halbjahr gespielt haben.»
Dort ist Malenovic, der darauf hinweist, einige Ligakonkurrenten hätten unter der Belastung im Europacup gelitten: «Wir müssen darum nicht auf die Rangliste schauen, sondern auf die Leistung.» Und schliesslich meint Canepa, die Vorrunde habe für ihn wegen der letzten drei Spiele – in denen der FCZ acht Punkte verloren hat – «einen faden Beigeschmack».
So geht es immer weiter. Henriksen denkt, «dass wir ein etwas breiteres Kader gebrauchen könnten», und erinnert an die Abgänge im Sommer: «Tosin, Selnaes, Omeragic, Dzemaili, also vier wichtige Spieler. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir ausser Rodrigo Conceição jemanden gekauft hätten.»
Canepa dagegen redet lieber vom eigenen Nachwuchs, aus dem er einigen Talenten in den «nächsten sechs bis 24 Monaten» den Sprung zu den Profis zutraut: «Sollen wir denen andere Spieler vor die Nase setzen?»
Canepas Forderung an den Trainer
Überhaupt scheint der Einbau von Nachwuchsspielern einer der Hauptpunkte zu sein, in denen sich Trainer und Clubführung uneins sind.
Henriksen hat bisher praktisch immer mit derselben Startformation gespielt und erklärt das so: «Ich muss gewinnen. Dazu muss ich das beste Team aufs Feld stellen.» Canepa aber meint: «Ich erwarte, dass auch Junge den Durchbruch schaffen.» Und Malenovic stellt fest: «Bei der individuellen Entwicklung der Spieler haben wir Luft nach oben.»
So hat der FCZ im Winter durchaus in die erste Mannschaft investiert. Nur sind statt Verstärkungen fürs Kader mit Umberto Romano und Gianluca Frontino zwei zusätzliche Assistenztrainer gekommen.
Vielleicht lassen sich die beiden Standpunkte so beschreiben: hier Trainer Henriksen, der daran erinnert, was er aus dem zittrigen Abstiegskandidaten gezimmert hat, den er im vorletzten Herbst übernommen hat: ein selbstbewusstes Team, das an der Spitze der Liga mitmischt. Dem sportlichen Erfolg im Hier und Jetzt ordnet er alles unter. Möglicherweise auch die längerfristigen Ziele des Clubs.
Dort Präsident Canepa und Sportchef Malenovic, die einen Systemverein à la Ajax Amsterdam aufbauen wollen, bei dem von den Pampers bis zu den Profis der gleiche Fussball gespielt wird. Dazu hat Malenovic die Nachwuchsabteilung durchgewirbelt; vier U-Teams haben in der Winterpause einen Trainerwechsel erlebt. Mit Ricardo Moniz und Sascha Milicevic sind zwei Schlüsselposten von ehemaligen Salzburg-Leuten besetzt.
Canepa schwärmt vom «Feuer», das die neuen Leute gebracht hätten. Vom modernen Fussball, der ihm vorschwebt, von Tempo und Dynamik: «Go, go, go!» Malenovic sagt: «Wir wollen jagen, wir wollen offensiv spielen, wir wollen sprinten.»
Und dann sagt Malenovic die vielleicht entscheidenden Worte, als er über die einheitliche Spielphilosophie redet, die der FCZ haben will: «Wann das im ersten Team implementiert wird? Da müssen wir uns etwas gedulden. Wir haben einen Trainer, der sehr erfolgreich spielen lässt. Das müssen wir respektieren.»
Der FCZ nimmt also die guten Resultate gern mit. Er hätte sie aber gern auf andere Art und Weise erspielt. Das klingt sehr nach Abschied im Sommer. Oder wie es Bo Henriksen sagt: «Ich weiss nicht, ob Sie verheiratet sind. Die Dinge können manchmal kompliziert sein.»
Und manchmal ist eine Trennung im Guten die beste Lösung.