Beitragvon grandezurigo » 21.09.07 @ 9:00
Die Kritik in der NZZ:
Zwischen Chaos und Hoffnung
1:2 in Empoli – der FC Zürich spielt schwach, bleibt dank Alphonse aber im Geschäft
Der FC Zürich überzeugt auch im Uefa-Cup nicht. Gegen das überwiegend mit Ersatzspielern angetretene Empoli unterlag der Leader der Super League auswärts 1:2. Immerhin verbesserte der erste Auswärtstreffer des FCZ im Europacup seit über zwei Jahren die Ausgangslage im Hinblick aufs Rückspiel markant.
tre. Empoli, 20. September
Die Bedeutung einer Fussballpartie ist immer auch eine Frage der Perspektive – und in Empoli endet die offenbar an der Landesgrenze. Denn ausgerechnet im ersten Europacup-Spiel der 87-jährigen Klubgeschichte schickte der Trainer Cagni sein «B-Team» ins Rennen – mit Ersatztorhüter Bassi und acht Feldspielern, die normalerweise nicht zum Stamm gehören. Die beiden grössten Stars, der Regisseur Vannucchi sowie der Goalgetter Saudati, sassen nicht einmal auf der Ersatzbank. Cagnis Schweizer Berufskollege Bernard Challandes hingegen verzichtete auf antizyklische Personalmassnahmen. Nur die Nomination von Kondé, dem neu verpflichteten Mittelfeldspieler, konnte als Überraschung bezeichnet werden.
Challandes begründete Kondés Einsatz mit einem «Bauchentscheid». Und der Trainer dürfte spätestens nach 20 Minuten Bauchweh gehabt haben. Denn sein neuer Hoffnungsträger war im zentralen Mittelfeld die personifizierte Überforderung – und eine denkbar schlechte Ergänzung zum ebenfalls wenig stilsicheren Nigerianer Tico. So verloren die Zürcher Aufbauer in den Startminuten praktisch jeden Zweikampf und entfachten im eigenen Strafraum damit einen permanenten Flächenbrand. Und weil der bewährteste «Feuerwehrmann» (Tihinen) verletzt fehlte, spottete die FCZ-Verteidigung (Stahel, Rochat, Barmettler, Schneider) ihrer Bezeichnung. Ähnlich wie vor drei Wochen in Istanbul stiess der Schweizer Meister gegen einen physisch starken und mit Schwung (über die Seiten) angreifenden Widersacher beängstigend schnell an die Limiten. Gab es aus Zürcher Sicht nach einer halben Stunde etwas Positives zu notieren, war es die Abschlussschwäche des Heimteams: Antonini (4./17.), Pozzi (12.) und Volpato (28.) hatten den Führungstreffer aus optimalen Positionen fahrlässig verpasst. Auf der anderen Spielfeldseite herrschte dagegen die grosse Ruhe. Hätte der enttäuschende Raffael in der 21. Minute nicht (halbherzig) abgezogen, der Empoli-Goalie Bassi wäre vermutlich auf dem Rasen angewachsen.
Das Challandes-Team fand erst aus seinem Vollzugsdefizit, als die Italiener den Fuss vom Gaspedal nahmen. Dann zeigte sich aber schnell, dass auch der Platzklub in der Defensive Angriffsflächen bot. Der FCZ-Tunesier Chikhaoui, mit seiner nachlässigen (bzw. überheblichen) Spielweise über weite Strecken ein Ärgernis, setzte den Ball von der Strafraumgrenze neben das Tor. In der 41. Minute verfehlte Abdi das Ziel aus fast identischer Position ebenfalls nur knapp.
Doch noch vor der Pause verflüchtigten sich die positiven Ansätze im Zürcher Spiel – und die Kräfteverhältnisse kamen auch auf dem Scoreboard zum Ausdruck: Der Zürcher Goalie Leoni, der in der 42. Minute gegen Pozzi noch mirakulös abgewehrt hatte, lenkte einen Kopfball Piccolos (nach Corner von Marchisio) über die eigene Torlinie: 0:1. Dass es aber überhaupt zu dieser Szene gekommen war, hatte Tico mit einem stümperhaften Ballverlust im Mittelfeld eingeleitet.
So fiel die Zwischenanalyse aus Zürcher Sicht höchst ernüchternd aus: Der Drittletzte der Serie A (mit einem Durchschnittsalter von 21,4 Jahren) hatte dem Schweizer Meister mit einfachsten Mitteln den Boden unter den Füssen weggezogen. Und schon in der 48. Minute akzentuierten sich die Verhältnisse. Stahel riss Antonini im Strafraum zu Boden – Penalty. Der Gefoulte futierte sich um die Fussball-Weisheiten und verwertete gleich selber: 2:0.
Jetzt war guter Rat teuer. Aber im Zürcher Team hatte ihn vorerst niemand parat. Weder Challandes, der an der fragwürdigen Aufstellung zu lange festhielt, noch sein Personal. Bezeichnend für die Hilflosigkeit im Angriffspiel war ein Schuss des Franzosen Hassli in der 58. Minute. Er verfehlte das Tor derart deutlich, dass der Ball über die Outlinie kullerte. Aber dann reagierte der FCZ-Trainer doch noch – und brachte für Hassli dessen Landmann Alphonse. Es sollte der (späte) Glücksgriff gewesen sein. Denn Alphonse, der wegen einer Oberschenkelverletzung seit knapp vier Wochen nicht mehr gespielt hatte, schoss die Zürcher in der 73. Minute quasi aus dem Nichts zurück ins europäische Geschäft. Nach einer Vorlage Ticos hämmerte er den Ball durch die Beine Bassis ins Netz. In der 84. Minute verpasste Chikhaoui aus kurzer Distanz sogar das 2:2. Der Ausgleich hätte dem Gebotenen aber nur schlecht entsprochen. Trotzdem: Allein der erste Auswärtstreffer des FCZ im Europacup seit über zwei Jahren verbessert die Ausgangslage im Hinblick aufs Rückspiel markant. Über etwas konnte er aber nicht hinwegtäuschen: Der Auftritt des Schweizer Meisters in Empoli war über weite Strecken ein Kapitel zum Vergessen.