Beitragvon BigKahuna » 10.08.07 @ 8:15
Und hier der Artikel aus dem Print-Tagi von heute:
Favre als Feind und Bickels Wahrheit
Geht Von Bergen? Und Abdi?
Und Cesar? Oder geht doch nur Raffael? Die Aufregung beim FCZ ist gross vor den BesiktasSpielen. An allem soll nur der frühere Coach Favre schuld sein.
Von Thomas Schifferle Nach einer Stunde steht Bernard Challandes unvermittelt auf. Er ist in Form gewesen, engagiert und eloquent, ausführlich bis ausufernd in seinen Erklärungen. Vielleicht drängt er auf einmal zum Aufbruch, weil er spürt, dass er diesmal zu offen gewesen ist. Er sagt: «Ich habe zu viel gesagt – wie immer.» Der Anfang ist unverfänglich gewesen. Besiktas Istanbul, am 15. und 29. August der Gegner in der Champions-LeagueQualifikation, ist der Ausgangspunkt des Gesprächs, nachdem Challandes am Abend zuvor die Türken beim 3:0 in Tiraspol beobachtet hat. Er lobt sie für ihre spielerischen Qualitäten, redet von Spielern wie Bobo («ein Monster»), Koray, Delgado, Cissé, Ricardinho und Nobre. Und sagt: «Sie sind Favorit.» St. Gallen ist das zweite Thema. Das ist Challandes lieber, weil es das nächste Spiel ist. Er formuliert Worte des Respekts für den punktelosen Tabellenletzten («wir wissen, dass diese Mannschaft mehr kann») und ist sich sicher, dass seine Spieler ihn nicht unterschätzen. Als Problem sieht er eher die Gefahr, dass der eine oder andere schon an den kommenden Mittwoch und Besiktas denkt. Challandes hält sich bei Details auf, dass Okonkwo für Abdi spielen könnte, dass Chikhaoui ein kleines Problem am Knie hat, dass Hassli Fortschritte macht im Training, aber weiter Ersatz ist. Dann ist er bei Raffael. Er sagt: «Dieses Thema hängt wie ein Damoklesschwert über dem FCZ.» Jetzt beginnt er sich ins Feuer zu reden und beklagt die planerischen Unsicherheiten im Fussball, weil es zur Gewohnheit geworden ist, dass Verträge nicht mehr so bindend sind wie früher. Dass er die Müdigkeit nach nur drei Stunden Schlaf vor der Rückreise aus Moldawien spürt, scheint wie ein Brandbeschleuniger zu wirken.
Lucien Favre will Raffael nach Berlin holen. Das weiss man, und Herthas Manager Dieter Hoeness hat FCZ-Präsident Ancillo Canepa am Mittwoch ein offizielles Angebot vorgelegt, angeblich über vier Millionen Euro. Favre hat weitere ehemalige Spieler im Kopf: Steve von Bergen zum Beispiel. «Es gibt noch einen dritten Spieler», behauptet Challandes. «Es sind vier», sagt Fredy Bickel, der Sportchef. «Ich weiss nur von zwei», kürzt Canepa die Liste der Vermutungen.
Auch der FCZ ist nervös
Wo beim FCZ der Name Favre fällt, kochen die Emotionen hoch. Canepa wirft dem alten Meistertrainer «ganz schlechten Stil und Intrigenspiele» vor, Bickel behauptet, Favre sei «in Panik», weil er bei Hertha keine gute Mannschaft habe. Challandes fragt sich: «Wie wäre Favres Reaktion, wenn man das bei ihm machen würde, was er bei uns macht?» Der Freund von einst ist zum Feind geworden. Favre wird vorgeworfen, Spieler regelmässig und ohne Erlaubnis im Widerspruch zu geltenden Transferreglementen zu kontaktieren, um sie nach Berlin zu lotsen. In Berlin äussert sich Favre zu diesen Vorwürfen ausweichend und bemüht seine aktuellen Lieblingsfloskeln: «Kein Kommentar. Ich weiss nicht.» Raffaels Berater Dino Lamberti kann die Vorwürfe des FCZ nicht bestätigen. «Raffael wird mit Anrufen nicht bombardiert», sagt er. Das Gleiche gelte für Almen Abdi. Auch er, ein weiterer Lamberti-Klient, wird mit Hertha in Verbindung gebracht. In einer solchen Stimmungslage werden unbestrittene Tatsachen schnell einmal mit Gerüchten angereichert, um ihnen noch mehr Gewicht zu geben. Beim FCZ besteht durchaus die Gefahr, das Feindbild Favre übergross darzustellen. Der Verdacht liegt nahe, dass nicht nur Favre nervös ist, sondern auch sein alter Verein. Der grosse Tag der Qualifikation rückt für den FCZ immer näher. In einem solchen Moment ist man angreifbar und verwundbar, schon beim kleinsten Vorfall. Da kann sich ein Telefon zu viel schon zum Skandal auswachsen. «Lucien macht alle verrückt», behauptet Bickel. In diesem Satz liegt vielleicht mehr an Wahrheit, als dem Sportchef selbst bewusst ist.
Besiktas als Wegweiser
Aus Favres Umfeld heisst es: Er rede vielleicht mit ehemaligen Spielern, aber nicht zwingend über einen Transfer. Canepa entgegnet: «Favre soll sich nur nach dem Wohlergehen unserer Spieler erkundigen? Was für ein völliger Unsinn.» Es ist Challandes, der sagt: «Bei Von Bergen kann es sehr schnell gehen. Die Gefahr, dass er geht, ist bei ihm grösser als bei Raffael.» Aber gegen Besiktas ist er noch da? «Ich weiss nicht.» Und gegen St. Gallen? «Da spielt er sicher.» Kaum hat er das gesagt, zieht es Challandes fort. Später versucht Bickel, den Trainer zu beruhigen. Für ihn stehe noch lange nicht fest, dass Von Bergen Zürich verlasse.
Die Resultate gegen Besiktas werden auf jedem Fall von grossem Einfluss auf die Planungen beim FCZ sein. Beim Verpassen der Champions League wird es ihm schwer fallen, Spieler trotz bis 2010 oder gar 2011 laufender Verträge zu halten, wenn ihnen wirklich gute Offerten vorliegen.
Wie sagt Raffaels Berater Lamberti: «Bis zu den Partien gegen Besiktas werden wir nichts unternehmen.» Dieser Satz gilt ebenso für Cesar. Auch für ihn sollen Angebote auf Lambertis Tisch liegen, «aber nicht von Hertha», sagt der Berater. Wenigstens er hat momentan keinen Grund, aufgeregt zu reagieren.
FCZ. Mögliche Aufstellung: Leoni; Stahel, Tihinen, Von Bergen, Rochat; Chikhaoui, Okonkwo, Aegerter, Cesar; Alphonse Raffael.
Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger. Kurt Tucholsky