Beitragvon Kobayashi » 11.12.06 @ 8:27
NZZ vom Montag, 11. Dezember 2006
Weihnachten für den FCZ
Dem Leader bleibt das Glück treu - nach dem 2:1 gegen Sitten 8 Punkte Vorsprung
Der Anfang des Abends in Zürich West war das Ende einer Epoche im Stadtzürcher Fussball. Sven Hotz, der FCZ-Präsident mit dem unerschütterlichen Optimismus und der nie versiegenden Spendierlaune, sagte im Kreis seiner Grossfamilie Adieu. Zwei Tage vor dem offiziellen Rücktritt nahm der Fussballromantiker die Huldigungen der Südkurve, die Glückwünsche aus zarten Juniorenhänden und die Dankesworte seines Nachfolgers gerührt entgegen. Dass der Boden vor Nässe triefte und die Lautsprecheranlage aus dem Mittelalter zu stammen schien, war nur auf den ersten Blick störend.
Zu einem Mann, der während Jahren von einem sportlichen Fettnäpfchen ins nächste getreten war, der gegen Brüttisellen, Kriens und Delsberg verloren und in Wil fast im Jahresrhythmus das Cup-Schlamassel erlebt hatte, der erst auf der Zielgeraden seiner Funktionärslaufbahn zum Meistertanz ansetzen durfte, passten die ungastlichen Bedingungen ebenso gut wie später die hart erkämpften drei Punkte gegen die Emporkömmlinge aus dem Wallis (nach Toren von Margairaz und Tihinen in der 2. Halbzeit vom 0:1 zum 2:1).
Tausende Zuschauer im Exil
Doch Hotz, der an der GV am Montagabend zum Ehrenpräsidenten ernennt werden dürfte, der seinen Platz im Klub auf ewig behalten wird und das Vetorecht in die (scheinbare) Pension mitnimmt, hinterlässt einen sportlich gesunden FCZ - und einen, der Emotionen zu wecken und die Massen zu bewegen vermag. Dass selbst während des Letzigrund-Neubaus durchschnittlich 10 144 Fans zu den Heimspielen ins Zwangsexil ennet der Geleise kommen würden (über 2000 mehr als bei den Grasshoppers), war vor kurzer Zeit nur schwer vorstellbar. Und die fussballerische Bilanz spricht ohnehin für sich selber: Von 36 Meisterschaftsspielen hat der Klub in diesem Jahr nur 4 verloren. Zuletzt gewann er fünfmal in Serie und distanzierte die Konkurrenz um acht (und mehr) Punkte.
Konstanz und Solidarität
Natürlich profitierten die Zürcher auch davon, dass ihre (vermeintlich) gefährlichsten Herausforderer (Basel und YB) lange mit sich selber beschäftigt waren, dass die innerstädtische Konkurrenz nach dem Outing ihrer neuen Galionsfigur («Wir wollen den Titel») praktisch keinen Fuss mehr vor den anderen brachte und dass die Leistungsdichte im Super-League-Alltag dem Superlativ nur bedingt entspricht. Natürlich klebte ihnen das meisterliche Glück (gegen St. Gallen, GC, Thun) an den Füssen, doch letztlich steht die Leaderposition auch für eine Konstanz, die man dem Favre-Team langfristig kaum zugetraut hätte. Sogar den Abgang von Torschützenkönig Keita steckte die Mannschaft weg, als wäre nichts gewesen. Abgesehen vom europäischen Fehltritt in Salzburg, wo die FCZ-Tänzer statt der Gegner sich selber ausdribbelten, fanden die Zürcher immer wieder auf die Beine - selbst Ende Oktober nach den Niederlagen gegen Schaffhausen und in Bern, als das Herbsttief schon deutliche Konturen anzunehmen schien. Aber genau in diesem Moment kamen die grössten Qualitäten des Meisters zum Ausdruck - die erstaunliche mannschaftliche Solidarität und der Wille aller Beteiligter, sich dem Kollektiv unterzuordnen.
Geradezu exemplarisch war der Auftritt vor Wochenfrist in Thun, als die Verteidigung nach diversen Ausfällen aus drei Nachwuchskräften (Barmettler, Stahel, Kollar) sowie einem fussballerischen Zirkusartisten (Cesar) bestand. Es war eine Situation, in der sich das Zürcher Bekenntnis zur Jugend nachhaltig auszahlte - und eine, an die sich der FCZ-Anhang gewöhnen muss. Denn in einer Branche, in der sich viele Junioren die Schuhe von einem Spielervermittler binden lassen, in der die Begehrlichkeiten oft schneller wachsen als die technischen Fertigkeiten, bleibt die Improvisationsgabe im helvetischen Markt ein unverzichtbares Gut. Die Worte von Favre («Ich gehe davon aus, dass die Equipe im Winter zusammenbleibt und höchstens ein bis zwei Spieler den Klub verlassen, die nur selten gespielt haben») könnten nämlich schon morgen zur Makulatur werden. Dass es am Samstag auf der Hardturm-Haupttribüne zu und her ging wie in einem Gemischtwarenladen und sich Späher zahlreicher Grossklubs (unter ihnen Hertha Berlins Manager Dieter Hoeness) auf den Füssen herumtrampelten, sagt alles. Der Transfer von Margairaz in die Bundesliga etwa soll mehr als ein Gerücht sein. Der Spieler selber dementiert aber noch.
So oder so werden die Zürcher auch künftig noch stärker auf die Jugendkultur setzen (müssen). Der Zuzug des finnischen U-21-Internationalen mit dem vielversprechenden Namen Lampi passt ebenso in diese Strategie wie die Kunde aus der Westschweiz, wo diverse talentierte Nachwuchsspieler auf einen Transfer nach Zürich hoffen. Denn die Tatsache, dass an der Limmat unter Trainer Favre (und Sportchef Bickel) die Juniorenförderung keine Propagandalüge mehr ist, hat sich längst über die Sprach- und Landesgrenzen hinaus herumgesprochen - und wirkt auch auf arrivierte Kräfte anziehend.
Gygax (noch) kein Thema
Daniel Gygax, die Südkurven-Kultfigur mit Tribünenplatz in Lille, würde lieber in Zürich spielen als in Frankreich zuschauen. Doch Bickel winkt (noch) ab: «Solange Lille auf einem Verkauf beharrt, ist das für uns kein Thema. Einen siebenstelligen Betrag können wir nicht aufwerfen.»
Suchtrupp Bruno Manser
Sektion Üetliberg Hell