Mandingo hat geschrieben:In der Januar-Ausgabe von EUROSOCCER hat es einen mehrseitigen Bericht über Gygax. Er beschreibt, wie es Dani in Lille geht und der Journalist sieht sich zusammen mit Gygax ein Spiel von Lille an - von der Tribüne aus, natürlich. Steht nicht viel neues drin, ist aber trotzdem interessant.
Ich habe diesen Bericht soeben auch gelesen und möchte - als hoffentlich immer noch berüchtigter "Gygianer der ersten Stunde" - einige kritische Anmerkungen dazu machen.
"Etwas provinziell" wirke Lille die Stadt "mit ihren dreigeschossigen Häuserreihen aus rotem Backstein", schreibt der EUROSOCCER-Journalist. Und verrät dadurch, dass er meines Erachtens selber ein Provinzler ist.
Der Fussball wird nun mal nicht in den schicken Metropolen gefeiert. Sondern in Liverpool, Manchester, im Norden Londons, in Newcastle, in Glasgow, in Lyon, in Marseille, in Gelsenkirchen, in Dortmund oder - um ein Schweizer Beispiel anzufügen - in Sion. Gerade die englischen Fussballmetropolen zeichnen sich extrem aus durch die Attribute, die Gygax in Lille angeblich derart auf den Sack gehen: "grauer Himmel, Nieselregen, roter Backstein". - Ich war gerade drei Tage in Manchester, u.a. am Liga-Spiel gegen Reading zusammen mit 76'000 anderen und ich gestehe es: es hat mir extrem gut gefallen!
Ein Fussballer, der wegzieht von den lokalen Erfolgen, die er hierzulande feiert, muss sich auf den Culture Shock gefasst machen. Dass das Essen in Lille "ein Skandal" sei, nehme ich Gygi nicht ab. Wahrscheinlich ist er schlicht falsch beraten worden. Dass er Fondue vermisst, wie er schon anderswo gesagt hatte, nehme ich ihm nicht übel. Falls er mag, schicke ich ihm gerne wöchentlich ein Pfund Fonduemischung vom Chäs-Vreneli an seine Adresse in Lille.
Ich glaube auch, dass das Tischtuch zwischen ihm und Puel zerschnitten ist. Andere haben hier geschrieben: "er hat sich den Arsch aufgerissen, um sich aufzudrängen fürs Team" - ? Das lassen wir besser mal offen.
Denn jene, die Gygis Weg wirklich aus der Nähe und mit Empathie verfolgt hatten, wissen auch: Gygax war bei uns super, wenn es der Mannschaft gut lief. Und, ehrlich gesagt: er war manchmal nicht mehr zu sehen, wenn es der Mannschaft nicht lief. Lichtsteiners Analyse, wonach er (nach dem Gusto Puels) defensiv zuwenig mache, trifft wohl zu. So wars doch auch bei uns, wenn wir damals unter Druck standen. Und wars zuletzt manchmal auch in der Nati.
Gygax hatte das Glück, dass Favre enorm viel Arbeit und Zeit in ihn investiert hatte. . Gygax konnte sich seinerzeit auszeichnen in Spielen, wo Zürichs Offensive den Gegner überforderte (damals in St. Gallen beispielsweise) oder in Länderspielen, wo er einen Lucky Punch hatte (Liechtenstein, Italien... oder Frankreich an der EM in Portugal). Aber auch in der Nati hatte er einen Trainer, der ihn estimierte und gewillt war, in ihn zu investieren. Einem Ligue1-Trainer kann man es nicht übel nehmen, dass er in einem 25-Mann-Kader diesen Spezialeffort nicht leisten kann oder will.
Obwohl Gygianer-der-ersten-Stunde und obwohl ich einmal an geeigneter Stelle eine "Liebeserklärung an Daniel Gygax" veröffentlicht hatte, oder vielleicht gerade deswegen:
ich wünsche mir für Dani nicht, dass er zum FC Zürich zurück kommt. Der Erwartungsdruck wäre derart hoch, dass er fast zwangsläufig scheitern müsste. Zudem: Gygi hat den FCZ verlassen, um seine Karriere im Ausland auf höherem Niveau fortzusetzen. Und das Niveau in der Super League ist in den letzten 12 Monaten offengestanden nicht wirklich gestiegen. Schliesslich: wenn man sich vorstellt, er blicke in 10 Jahren zurück auf seine Karriere, würde Gygi eine Rückkehr nach dem Lille-Engagement zum FCZ wohl selber als persönliche Niederlage empfinden.
Ich wünsche ihm vielmehr, dass er einen Verein findet irgendwo in Spanien, England, Holland oder auch Frankreich, wo er zu regelmässigen Einsätzen kommt. Und dass dabei nicht der "Nieselregen" oder die "Ausgehmöglichkeiten" die entscheidende Rolle spielen. Weil: einem wirklich ambitionierten Fussballer sind die beiden wurscht!
Auf der Tribüne im Old Trafford erzählte mir mein Nachbar, ein in Barcelona lebender Ire, dass sie sich noch immer Hoffnungen machen, dass "this Swiss Forward with the funny name" zu ihnen wechseln werde. Er meinte Espanyol Barcelona. Sie hätten ein paar Stürmer, die langsam zu alt würden, sagte er.
Da gäbe es dann auch weniger Nieselregen und fast keine Backsteinbauten. - Ich würde es Dani von Herzen gönnen.