Hier noch ein Bericht dazu:
Letzter Pfiff für Anders Frisk
Aufgrund von Morddrohungen beendet der schwedische Fifa-Schiedsrichter seine Karriere Von Gunnar Vogt für ZEIT.de
In der englischen Premier League kommt es nicht selten vor, dass Zuschauer den Gegner selbst nach verlorenen Spielen der eigenen Mannschaft mit Beifall aus dem Stadion verabschieden. Ein anderes Gesicht zeigen die schwarzen Schafe in der englischen Fan-Herde, die nicht die eigene Mannschaft, sondern andere Einflüsse für Niederlagen verantwortlich machen. Der türkische Nationalspieler Alpay Özalan in Diensten von Aston Villa erhielt einst massenweise Drohbriefe, nachdem er im Dress der Türkei Englands Fußball-Heroen David Beckham beleidigte und am Ohr zog – jeder Hobbyfußballer kennt dieses Vergehen. Die Drohungen gegen Alpay, die auch aus dem eigenen Verein kamen, wurden derart vehement, dass Alpay aus Sicherheitsgründen England kurz nach dem Länderspiel fluchtartig verließ.
Für die Niederlage des FC Chelsea im Champions League-Achtelfinale gegen den FC Barcelona vom 23. Februar machen jene schwarzen Schafe den schwedischen Schiedsrichter Anders Frisk verantwortlich. Von Morddrohungen gegen den Unparteiischen ist laut Frisk die Rede, weil er Chelseas Stürmer Didier Drogba mit einer zweifelhaften gelb-roten-Karte des Feldes verwiesen hatte. Der Fifa-Referee, der den Ruf genießt, einer der besten seiner Zunft zu sein, zog daraus die Konsequenzen und erklärte am Wochenende seinen Rücktritt.
„Ich habe meine Tochter aus Angst den Briefkasten nicht mehr öffnen lassen“ schildert Frisk das Ausmaß der Bedrohung, die er zudem per E-Mail und Telefon von Chelsea-Anhängern erhalten habe. „Es ist mit jedem Tag weiter eskaliert und bis jetzt immer schlimmer geworden“ so Frisk, der Rückendeckung aus Schiedsrichterkreisen erhält. Volker Roth, Vorsitzender des DFB-Schiedsrichterausschusses sowie Frisks Kollegen Urs Meier und Kim Milton Nielsen geben Chelseas portugiesischen Trainer José Mourinho die Schuld an der Eskalation. Nach besagtem Spiel in der Champions League soll Mourinho Frisk vorgeworfen haben, er habe Barcelonas Coach Frank Rijkaard in der Halbzeitpause in seiner Kabine empfangen, was Frisk aber dementierte. „In seiner Position muss Mourinho mehr Verantwortungsbewusstsein haben. Er darf keine Aussagen treffen, die Wasser auf den Mühlen der Hooligans sind“ sagte Nielsen gegenüber der schwedischen Zeitung Aftonbladet.
Der 42-jährige Versicherungskaufmann Anders Frisk spricht von den „16 schlimmsten Tagen“ seiner Karriere und begründet seinen gestrigen Rücktritt damit, dass die Sicherheit seiner Familie Priorität habe. Schon im September 2004 sah er sich der Wut von Fußball-Fans ausgesetzt. Beim Champions League-Vorrundenspiel zwischen dem AS Rom und Dynamo Kiew traf ihm eine von der Tribüne aus geworfene Münze am Kopf, woraufhin er blutend zusammenbrach und das Spiel daraufhin abgebrochen wurde. Gut möglich, dass es ein verirrter Tifosi war, der aus dem Versteck der Zuschauermasse heraus Mut zum Wutausbruch mit blutigen Folgen geschöpft hat, doch die Vorwürfe die seitens der Schiedsrichter-Gilde gegen Mourinho erhoben werden, machen ihn zu dem schwarzen Schaf, auf das die ganze Herde hört.
„Es ist nicht in Ordnung, dass ein Trainer so großen Druck ausübt, wie es Mourinho getan hat“ wird der Schweizer Schiedsrichter Urs Meier im Aftonbladet zitiert. Meier weiß, wie es um Frisks Gefühlslage bestimmt ist, wurde er doch selbst mit Morddrohungen von englischen Fans bedacht, nachdem diese ihn bei der Europameisterschaft 2004 für Englands Viertelfinal-Niederlage gegen Gastgeber Portugal verantwortlich gemacht wurde.
Nachdem Italiens Schiedsrichter-Ikone Pierluigi Collina aus Altersgründen nicht für die WM 2006 berufen wurde, wird mit Frisk nun ein weiterer Schiedsrichter fehlen, der dem hohen Niveau einer Weltmeisterschaft entspricht. Dort wird sicherlich wieder großer Druck auf die Unparteiischen ausgeübt, die jetzt das bedrückende Beispiel Frisk vor Augen haben. Doch es wird schon gut gehen, wenn sich die Trainer das alarmierende Verhalten von Mourinho nicht zum Vorbild nehmen, es sei denn, einige Fans meinen nun zu wissen, wie sie die „Schuldigen“ zur Aufgabe zwingen können. Da würde dann auch keine Bestrafung Mourinhos mehr helfen, wie sie Urs Meier fordert.