C.D.M. hat geschrieben:ein gutes interview zwischen walther (winti trainer) und favre.. im printtagi...
« Lucien, ich hoffe, du gewinnst »
Sie wohnen in Weiningen Tür an Tür, achten sich als Trainer und wollen beide in den Cupfinal: Mathias Walther von Winterthur und Lucien Favre vom FCZ.
Von Peter Bühler und Thomas Schifferle, Weiningen
Mathias Walther, wie heisst der Cupfinal?
Walther:
Winterthur gegen Zürich.
Warum?
Walther:
Weil der FCZ daheim spielt und ich ihn stärker als YB einschätze. Und weil wir gegen Sion ebenfalls daheim spielen und wissen, was wir leisten können.
Favre:
In einem Halbfinal gibt es keinen Favoriten, vor allem nicht gegen eine Mannschaft wie YB, die im Winter mit Everson und Yapi starke Spieler holte. Ich kann nur sagen, dass es besser ist, gegen YB im Halbfinal daheim zu spielen und nicht im Final im Stade de Suisse.
Was wollen Sie damit sagen?
Favre:
Ich spüre, dass viele Leute YB als Cupsieger sehen wollen. Der Cupfinal muss wieder in Bern stattfinden, der Klub braucht unbedingt Erfolg, er hat ein neues Stadion, sein Budget ist hoch, Everson kostet viel, Yapi, Yakin, João Paulo auch.
Bei wem spüren Sie das? Bei den Funktionären im Verband, bei den Schiedsrichtern?
Favre:
Nicht bei den Schiedsrichtern.
Das spüre ich einfach. Mehr kann ich nicht sagen.
Walther:
Auch ich denke, dass YB gewinnen muss. YB hat ein teures und mit vier, fünf hochkarätigen Spielern aufgerüstetes Kader.
Die Höhe des Budgets entscheidet nicht immer über den Erfolg.
Walther:
Genau darum denke ich, dass Zürich gewinnt.
Favre:
Und wissen Sie, warum Winterthur gewinnt? Sion ist sich ganz sicher, schon im Cupfinal zu sein, Sion unterschätzt den Gegner und begeht damit einen ganz grossen Fehler.
Was raten Sie Mathias Walther?
Favre:
Es ist nicht an mir, ihm Ratschläge zu geben.
Aber unter Kollegen und Nachbarn . . .
Favre:
Es braucht Geduld und eine gute Organisation auf dem Platz. Und ich denke, je länger es 0: 0 steht, desto mehr läuft die Zeit für Winterthur.
Walther:
Sion muss in den Cupfinal, ja.
Aber wer hat uns schon auf der Rechnung gehabt? Das ist unser Vorteil.
Favre:
Winterthur hat alles zu gewinnen.
Walther:
Wir haben keinen Druck.
Stimmt das wirklich?
Walther:
Basel in der Champions League, Thun in der Champions League – beide spielten gut, weil sie nichts zu verlieren hatten.
Aber man muss sich doch auch in Winterthur sagen: Wer GC besiegt hat, kann auch Sion besiegen.
Walther:
Das sagen wir ja. In Winterthur denken die Leute normalerweise: Ach, der FCW kann eh nichts . . . Jetzt ist es umgekehrt. In einer Umfrage einer Lokalzeitung antworteten 100 Prozent, dass wir gegen Sion gewinnen. Dieses Selbstvertrauen hat sich auch in der Mannschaft entwickelt. Wir werden hochkonzentriert auf den Platz gehen.
Was bedeutet dieser Halbfinal für Sie?
Walther:
Die Stadt war, fussballerisch gesehen, tot. Auf einmal fuhren 800 Fans im Extrazug nach Genf, zu einem Viertelfinal. Dieser Halbfinal ist ein Highlight, das für Euphorie sorgt. Aber meine Arbeit will ich nicht an diesem einen Spiel festmachen. Ich weiss noch, als Lucien in Zürich begann, sagte er: « Ich arbeite so, wie wenn ich zehn Jahre bleiben würde. » Ich denke genau gleich. Ich renne nicht zu meinem Präsidenten, damit er das Budget verdoppelt. Wir müssen nicht wie Sion oder Vaduz budgetieren. Wofür arbeiten wir sonst mit unseren jungen Spielern?
Wenigstens stimmte Präsident Hannes W. Keller zu, den Vertrag mit Stürmer Patrick Bengondo zu besseren Bedingungen zu verlängern.
Walther:
( Schmunzelt.) Für 5000 statt bisher 2500 Franken monatlich. Das ist noch immer kein Traumsalär, aber wichtig ist, dass die Spieler glauben, sich in Winterthur weiterentwickeln zu können.
Wie erleben Sie Ihren Präsidenten, der den Ruf eines Querdenkers hat?
Walther:
Sie sollten das zwar nicht so schreiben, sonst glaubt er noch, ich wolle ihm Honig ums Maul schmieren. Aber er ist der beste Präsident, den man sich vorstellen kann. Er hat eine klare Lebensphilosophie und ist berechenbar, er ist weise – aber er kann auch arrogant sein. Er will sich mit Leuten umgeben, die er ernst nehmen kann. Mir vertraut er, und er gibt mir die volle Verantwortung.
Sie müssen einfach die Vorgaben einhalten.
Walther:
Voilà. Wenn ich ihm sagen müsste: Präsident, ich habe 50 000 Franken zu viel ausgegeben, dann hätte ich ein Problem mit ihm. Dann gäbe er mir eins auf den Deckel. Er weiss, dass er nichts von Fussball versteht. Das hat er im Gegensatz zu anderen Präsidenten kapiert.
Lucien Favre, wie lebt es sich für Sie mit Sven Hotz?
Favre:
Gut. Ich kann immer mit ihm sprechen, wenn ich das will. Ansonsten sehe ich ihn nur bei den Spielen.
Wenn er mit der Mannschaft unzufrieden ist, geht er direkt nach Hause.
Favre:
Und wenn er zufrieden ist, kommt er in die Kabine.
Walther:
Ist das so? Als ich bei GC noch Sportchef war, rückte ich in kritischen Momenten immer demonstrativ nahe an den Trainer.
Als Sportchef waren Sie Meister . . .
Walther:
. . . also wollen Sie, dass ich ihm für die Meisterschaft einen Rat gebe?
Favre:
Haben Sie meine Erfolgsbilanz gesehen?
Als Trainer waren Sie nie Meister.
Favre:
Aber als Spieler.
Walther:
Ich habe grossen Respekt vor dir, Lucien. Ob bei Yverdon, Servette oder jetzt in Zürich – man sieht die Fortschritte deiner Arbeit. Du willst nicht mit Glück gewinnen, sondern weil du besser bist als der Gegner. Nur schon deshalb hoffe ich, dass du im Halbfinal gewinnst. Ich mache hier und jetzt die offizielle Anfrage an dich, ob ich mein Praktikum für die Uefa- Pro- Lizenz bei dir machen darf.
Favre:
Dafür müssen wir den besten Zeitpunkt finden. Wir spielen nur noch englische Wochen.
Mathias Walther ist ein netter Nachbar.
Favre:
Ich zahle das Essen ( lacht).
Walther:
Es gibt Trainer, die motivieren können, aber sie pressen die Zitrone aus. Es gibt ganz wenige, welche die Zitrone grösser und gelber machen, und zu diesen Trainern gehört Lucien. Der Fussball ist ein spezielles Geschäft, meist hat man einen speziellen Präsidenten, der nach drei Spielen unruhig wird, und nur wenige Trainer können so arbeiten, wie Lucien das jetzt kann . . .
Favre:
. . . ja, ja . . .
Walther:
. . . du hast dieses Privileg, weil dein Präsident dazugelernt hat und nicht mehr so schnell nervös wird, wenn es einmal nicht läuft.
Favre:
Man muss einen Präsidenten immer von seiner Arbeit überzeugen. Ich sprach mit Rafael Benitez. Er war bei Extremadura, er war bei Teneriffa, jedes Mal musste er nach einem Jahr oder einem halben gehen. Mit Valencia gewann er Meisterschaft und Uefa- Cup, mit Liverpool die Champions League. Er sagte mir: « Um Erfolg zu haben, musst du eine gute Mannschaft haben. » Und was ist in Zürich?
Ja? Was ist hier?
Favre:
Hier hat man seit 1981 keinen Meistertitel mehr gewonnen.
Walther:
Zürich ist in den letzten 20 Jahren nie mehr so weit gewesen wie jetzt.
Dennoch überlegte sich der Klub, ob er den Vertrag mit Lucien Favre um ein oder zwei Jahre verlängern soll.
Favre:
Der Präsident hat die Regel aufgestellt, den Vertrag mit einem Trainer nur um ein Jahr zu verlängern.
Walther:
Vielleicht hat er jetzt gemerkt, dass er einen Trainer hat, der nicht nur für sich schaut, sondern versucht, Substanz aufzubauen.
Favre:
Man will, dass die Jungen ausgebildet werden. Aber man will auch Erfolg. Das Ziel bleibt, dereinst um den Meistertitel zu spielen.
Was fehlt, um Basel herausfordern zu können?
Favre:
Zwei, drei Spieler mit Erfahrung.
Aber mit Basel können wir uns nicht vergleichen. Der Klub hat Geld, und jetzt drängen die Jungen nach. Das Tor von Kuzmanovic gegen Strasbourg ist ein Signal für mich. Er ist Topklasse. Bei uns wäre er schon seit zwei Jahren Stammspieler.
Walther:
Die Differenz zwischen Basel und Zürich ist nicht mehr so gross: zumindest nicht von der Qualität des Spiels.
Favre:
Wichtig für mich ist die Transferperiode im Sommer. Dann entscheidet sich zu 75 oder 80 Prozent, ob die Saison gut wird oder nicht.
Mit dem Geld von Sven Hotz sollte es nicht zu schwierig sein, die richtigen Transfers zu machen.
Favre:
Analysieren Sie das! Ich kann nur die letzten Transfers aufzählen: Margairaz, Von Bergen, Rafael, Alphonse, sie alle sind gut.
Walther:
Ich beobachte das aus der Ferne: Du hast in den letzten zwei Jahren rund zwölf Junge von einem schwächeren Klub geholt, jetzt sind die meisten im Kader der ersten Mannschaft oder sogar Stammspieler. Cesar, Dzemaili, Stucki, Alphonse, Stahel, Leoni, Rafael – vor zwei Jahren kannte sie noch keiner.
Favre:
Wir dürfen bei den Transfers keine Fehler machen. Fehler gehen ins Geld, vor allem bei Ausländern. Der Zufall darf deshalb keine Rolle spielen.
Der FCZ hat GC diese Saison distanziert. Was denken Sie als früherer GC- Sportchef darüber, Mathias Walther?
Walther:
GC hatte den Vorteil, dass es in der Führung sportliche Kompetenz gab.
Auf einmal brach man mit dieser Tradition. Es war niemand mehr da, der weiss, was es braucht, um an der Spitze mitzuhalten. Der FC Zürich hat einen Präsidenten, der Fortschritte gemacht hat, er hat Bickel als Sportchef, der bei GC und YB gelernt hat, er hat Lucien. Er hat eine sportliche Kompetenz, die den Grasshoppers fehlt.
Das tönt nach Verbitterung, weil Sie im Herbst 2003 entlassen worden sind.
Walther:
Gar nicht. Schauen wir uns doch einmal den Fall von Vladimir Peralta an. Er spielt fünf Minuten in der ersten Mannschaft, holt sich eine gelbe Karte und scheidet mit einem Kreuzbandriss aus.
Das ist passiert, weil ein Junger in seiner Entwicklung drei, vier Schritte gleichzeitig machen musste.
Sie denken, der Spieler war überfordert.
Walther:
Bei GC kommen die Einflüsse von überall her, die Linie fehlt. Ich frage: Wer beurteilt die Arbeit von Balakov als Trainer?
Karl- Heinz Riedle als Sportchef im Verwaltungsrat.
Walther:
Der ist ja nie da. Ein anderes Problem: Wer sorgt dafür, dass Hamberg als Nachwuchschef und Balakov gut zusammenarbeiten? Ich weiss, wie schwierig es ist, das zu koordinieren. Man kriegt graue Haare.
GC hat das Ziel, ab Sommer 2007 sechs bis acht Nachwuchsspieler ins Profikader einzubauen. Ist so etwas realistisch?
Walther:
Das kann es sein, aber dann muss man die Ziele revidieren und klar sagen: Wir fangen wieder unten an.
Favre:
Mathias hat Recht.
Walther:
Was war denn mein grösstes Problem bei GC? Man wollte zum einen, dass ich so viele junge Spieler wie möglich in die erste Mannschaft bringe, zum anderen wollte man immer Meister werden.
Ich musste 5 Millionen Franken einsparen.
Irgendwann ging die Rechnung nicht mehr auf, und ich zahlte mit meiner Entlassung dafür.
In Winterthur haben Sie zumindest dieses Problem nicht mehr, aber Sie haben auch keine breite Öffentlichkeit mehr.
Walther:
Ich kann langfristig und nachhaltig arbeiten. Das macht mich zufrieden.
Der Präsident will den Vertrag mit mir bis 2009 verlängern.
Quelle: tagi