Beitragvon billy » 30.12.06 @ 9:24
Rom oder Rio als Vorbild zur Lösung von Zürichs Stadionproblem
Endlich hat es einmal jemand aus Fussballkreisen nicht nur am Stammtisch, sondern auch öffentlich auszusprechen gewagt: Das Stadion Zürich, so wie es als 350-Millionen- Franken-Projekt mit umfangreicher Mantelnutzung auf dem Hardturmareal geplant ist, wird wohl kaum je gebaut. Gewagt hat diese Aussage Ancillo Canepa, der neue Präsident des FCZ, der sich bei seinem Amtsantritt zu Themen rund um den Fussball geäussert hat. Das soll nicht heissen, dass das Projekt der Credit Suisse (CS) nicht realisiert werden kann und soll. Gleichwohl darf es erlaubt sein, sich Gedanken zu Alternativen zu machen und diese auf ihre Praktikabilität zu prüfen.
STADION ZÜRICH STECKT FEST
Denn seit feststeht, dass das Stadion Zürich nicht auf die Fussball-Europameisterschaft 2008 hin bereitsteht und die drei Zürcher Vorrundenspiele im neuen Letzigrundstadion angepfiffen werden, ist dem Projekt in Zürich 5 der Schwung abhandengekommen. Das Dossier steckt wegen des Schattenwurfs und Verkehrsfragen auf dem Rechtsweg fest, befindet sich schon zum zweiten Mal auf dem Pfad nach Lausanne ans Bundesgericht. Bei der CS gibt man sich zwar gegen aussen gelassen, doch hinter den dicken Fassaden der Bank dürfte die Stimmung schon besser, die Zuversicht in dieser Frage schon grösser gewesen sein. Projektleiter Ernst Schaufelberger trat auffällig wenig in dieser Sache auf, dass man den Eindruck gewinnen musste, er sei bewusst aus der ersten Reihe abgezogen worden. Böse Zungen behaupten gar, die CS wäre froh, wenn das Projekt definitiv juristischen Schiffbruch erlitte, damit man sich anständig zurückziehen könnte. Immerhin hat die CS das Stadionprojekt nicht mit den Winterthur-Versicherungen, wo es betreut wurde, an die französische Axa-Gruppe weitergereicht, sondern zu sich zurückgeholt. Mit einem neuen Team soll nun der Erfolg angestrebt werden.
ALLE SPIELE IM LETZIGRUND
Bleibt dieser schliesslich doch aus, so dass auf dem Hardturmareal das Projekt Stadion Zürich nicht umgesetzt werden kann, drängen sich zwei Alternativen auf: das Modell Rom und das Modell Rio de Janeiro. In der italienischen Hauptstadt spielen mit der AS Roma und mit Lazio Rom wie in Zürich zwei Mannschaften in der höchsten Liga, und zwar in einem Stadion, das eine bei Fussballfans wegen der grösseren Distanz zum Spielfeld ungeliebte Tartanbahn aufweist. Würde man dieses Modell für Zürich anwenden, bedeutete das, dass der FCZ und GC im neuen Letzigrundstadion alle ihre Heimspiele austrügen. Es gäbe in Zürich nur dieses Stadion, das über den Fussball hinaus auch für das Leichtathletikmeeting und für einige Open-Air-Konzerte genutzt würde. Der Letzigrund wird gegenwärtig für 110 Millionen Franken neu gebaut und im Herbst 2007 fertiggestellt sein. Weitere 11,3 Millionen Franken werden investiert, um das Stadion auf eine Kapazität von 30 000 Zuschauern zu erweitern und damit für die EM tauglich zu machen. Mit dem Modell Rom könnte auf den geplanten Rückbau dieser Erweiterung nach der EM verzichtet werden.
EIN KLEINES NEBENSTADION
Das Modell Rio de Janeiro besteht aus mindestens zwei Stadien, einem grossen, in dem wichtige Spiele mit vielen Zuschauern angesetzt werden, und einem oder mehreren kleinen für Spiele, die wenig Fans anziehen. In Rio dient das Maracanã-Stadion mit seinem Fassungsvermögen von über 100 000 Zuschauern als Spielstätte für wichtige Affichen. Die Grossklubs wie Flamengo, Fluminense, Vasco da Gama und Botafogo besitzen aber noch je ein kleineres Stadion. Für Zürich hiesse dies, dass auf dem Hardturmareal ein schmuckes Fussballstadion mit einer Kapazität von 10 000 bis 12 000 Zuschauern gebaut würde. Dort könnten der FCZ und GC Teams wie Thun, Schaffhausen, Bulle, Chênois, Vevey, Nordstern Basel, Wil oder Delsberg empfangen, alles wenig zugkräftige Mannschaften, die aber in der NLA spielen oder schon einmal gespielt haben. Auch wenn nur 5000 Zuschauer solche Spiele sehen wollen, wäre in einem kleinen reinen Fussballstadion für Stimmung gesorgt. Selbst für Partien gegen Aarau, Luzern und YB dürfte diese Arena ausreichen. Steht aber das Stadtrivalenderby, das Spiel gegen den FC Basel oder ein Spitzenkampf an, käme der Letzigrund als Austragungsort zum Zug. Die Verantwortlichen bei der CS und der Stadt haben sich mit solchen Szenarien zu befassen - es gibt, falls nötig, gute Alternativen zum Stadion Zürich.
Quelle: NZZ