Ancillo Canepa und Andras Gurovits im Interview
«Das war eine Provokation» – «Cillo, das ist jetzt nicht dein Ernst?»
Der Angriff von FCZ-Chaoten auf den GC-Stand am Züri-Fäscht beschäftigt auch den FCZ-Präsidenten und den GC-Vize. Sie sind sich gar nicht immer einig, aber sie wollen gemeinsam gegen die Gewalt vorgehen.
Andras Gurovits, vor zwei Wochen während des Züri-Fäschts versuchten Sie, Ancillo Canepa anzurufen. Was wollten Sie von ihm hören?
Andras Gurovits: Es gab diese mittlerweile bekannten Vorgänge an unserem GC-Stand. Ich wollte Cillo informieren und hören, was er davon hält. Das klappte nicht. Vielleicht hatte er gerade Besseres zu tun.
Ancillo Canepa: Ich bin nicht 24 Stunden am Telefon erreichbar.
Was hätten Sie sich von ihm erhofft, nachdem Chaoten aus dem FCZ-Umfeld den GC-Stand gleich zweimal angegriffen hatten?
Gurovits: Dass wir einmal auf unserer Ebene darüber reden und das ausdiskutieren.
Das ist seither nicht passiert?
Canepa: Nein, wir sehen uns jetzt das erste Mal.
Was hätten Sie Andras Gurovits geantwortet?
Canepa: Was ich auch in unserem Communiqué schrieb. Dass wir jede Form von Aggression aufs Schärfste verurteilen. Dass wir mit GC seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis haben, dass wir uns gegenseitig respektieren und ein Vertrauensverhältnis da ist. Und dass wir auch die Fans anderer Clubs respektieren. Genau das hätte ich ihm gesagt. Und das weiss er auch. Allerdings hätte ich vielleicht noch eine Frage gestellt.
Welche?
Canepa: Ob es wirklich eine gescheite Idee war, mit einem Club-Stand an ein solches Züri-Fäscht zu gehen. Das ist schon eine Provokation.
Gurovits: Cillo, das ist jetzt nicht dein Ernst?
Canepa: Doch, doch.
Gurovits: Was du wegen des gegenseitigen Respekts gesagt hast, kann ich bestätigen. Wir haben immer ein gutes Verhältnis. Aber bei diesen Vorgängen gehen unsere Ansichten diametral auseinander. Ich meine, das Züri-Fäscht ist ein Züri-Fäscht. Der Stand, den wir hatten, war nicht nur für die Fussballer, sondern für den ganzen Grasshopper-Club, wir haben zwölf verschiedene Sportarten. Und GC ist ein traditioneller Zürcher Club. Und wer, wenn nicht GC, soll an einem solchen Fest einen Stand haben? Die Leute sollen da zusammenkommen können und es gemütlich haben. Das als Provokation zu bezeichnen, das verstehe ich jetzt überhaupt nicht, Cillo. Niemand rechnet doch mit einem Angriff von Kriminellen.
Canepa: Grundsätzlich hast du ja recht. Aber vielleicht hätte man die Situation beurteilen und zum Schluss kommen können, dass eine solche Marketingaktion nicht das Gescheiteste ist. Wir brauchen jetzt nicht lange hin und her zu diskutieren. Ich finde auch primitiv, was passiert ist.
In Ihrem Communiqué schrieben Sie allerdings beschönigend, es sei ja niemand zu Schaden gekommen. Als würde es das besser machen.
Canepa: Wenn ich die ganze Berichterstattung verfolge, wie der Vorfall aufgekocht wurde, könnte man ohne Kenntnis der Fakten zum Eindruck kommen, es habe eine Riesenschlägerei gegeben. So war es ja nicht. Das wurde uns von der Polizei bestätigt, bei der wir uns direkt erkundigt hatten.
Trotzdem: Was geht auf dem Platz Zürich ab, wenn der eine Präsident dem anderen Club rät, allenfalls auf einen Stand an einem Stadtfest zu verzichten?
Canepa: Das ist eine typische Journalistenfrage. Wir zwei gehen persönlich ja auch nie aufeinander los, sicher nicht. Dass es weiterhin gewisse Leute gibt, die die Grenzen nicht kennen, dafür können wir auch nichts. Laufen Sie in Hamburg mit einem St.-Pauli-Leibchen herum! In München mit einem 1860-Leibchen oder in Neapel mit einem Inter-Leibchen! Dass das nicht nur Freude weckt, ist auch klar. Was aber jetzt aus diesem Vorfall am Züri-Fäscht gemacht worden ist, auch medial, das ist einfach übertrieben.
Finden Sie wirklich?
Canepa: Es hat immer eine Rivalität gegeben zwischen GC- und FCZ-Fans. Die Aggression hat zugenommen, seit GC-Fans vor einigen Jahren im FCZ-Fanlokal eingebrochen sind, Fahnen mitgenommen und nachher beim Derby in ihrer Kurve angezündet haben. Das haben viele noch immer nicht vergessen. Das hat leider auch mit unserer gesellschaftlichen Situation zu tun. Ich sage nicht zum ersten Mal: Wir können nicht alle Probleme lösen. Ich frage mich vor allem: Wo sind eigentlich die Eltern dieser Delinquenten? Man soll nicht immer uns Clubs verantwortlich machen. Wir können es nicht verhindern. Aber wer das könnte oder müsste, sind die Eltern, die Erziehungsberechtigten. Das wird nie thematisiert.
Gurovits: Jetzt hast du viele verschiedene Themenbereiche vermischt. Was in Hamburg passiert oder in anderen Städten, die du aufgezählt hast, ist mir gleich. Wir leben in der Schweiz, wir haben ein friedliches Land, wir haben einen Rechtsstaat, wir haben gesellschaftliche Ordnungen, und die gilt es zu respektieren – von den FCZ-Fans und selbstverständlich auch von den GC-Fans. Aber jetzt zu sagen, das sei halt so, das gebe es in anderen Städten auch, ist für mich eine Bankrotterklärung …
Canepa: … das habe ich so nicht gesagt!
Gurovits: Lass mich bitte ausreden. Wenn man das Aufstellen eines Standes als Provokation bezeichnet, ist das für mich ebenfalls eine Bankrotterklärung. Einverstanden bin ich mit dir da, wo es um die Verantwortlichkeit geht. Diskutiert wird immer über die Verantwortlichkeit der Clubs. In einem bestimmten Rahmen haben wir sie: zum Beispiel, indem wir die Gespräche mit den Fans suchen. Wir machen das auch monatlich. Wir haben diverse weitere Programme, um zu verhindern, dass es zu Exzessen kommt. Wir investieren dafür viel Geld und Zeit. Aber es stellt sich schon die Frage: Wie kann es sein, dass Eltern und Familien zulassen, dass ihre Kinder Dinge tun, wie sie zum Beispiel am Züri-Fäscht geschehen sind? Oder dass sie an einem Spieltag oder an einem Mittwoch wahllos GC-Fans verprügeln? Da hast du recht, Cillo.
Was …
Gurovits: Aber du als Präsident des FC Zürich hast eine besondere Verantwortung. Und darfst es nicht verharmlosen, sondern es wäre gut, wenn du auch einmal hinstehen und sagen würdest: «Ihr Kriminellen, so geht es nicht!» Eine solche Message von dir würde helfen.
Canepa: Da bist du schlecht informiert. Was ich in all den Jahren immer und immer wieder kommuniziert habe, sei es über die Medien, über unsere eigenen Kanäle! Was wir schon klare Kante gezeigt haben, ohne dass wir das nach aussen bekannt gemacht haben! Der Grossteil der Fans verhält sich korrekt. Es gibt einfach einen Bodensatz an Leuten, die kriminell veranlagt sind und die man knallhart zur Verantwortung ziehen müsste. Aber dann gibt es die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz, die ein Handeln erschweren. Ich könnte viele Beispiele von Fällen geben, in denen wir vorgehen wollten, aber wieder gebremst wurden. Wir haben keine polizeiliche Gewalt, wir können keinen verhaften. Wir können Stadionverbote aussprechen, und das tun wir. Wir halten den Kontakt zu den Fans wie ihr auch. Wir erreichen bloss die Vernünftigen, die uns keine grossen Probleme verursachen. Ein Problem ist, dass wir so viele neue Fans haben, die noch nicht verstanden haben, was wirkliche Fankultur bedeutet.
Wenn Sie von Bodensatz reden: Wie viele sind das, 300, 400 von vielleicht 7000?
Canepa: Vielleicht 50 bis 100. Und was wir bei Auswärtsspielen eben auch feststellen müssen: Plötzlich sind Leute dabei, die mit dem FCZ nichts zu tun haben, aber in der anonymen Masse das Gefühl haben, sich daneben benehmen zu können.
Die nennt man Krawalltouristen.
Canepa: Genau.
GC wollte einmal, dass sich ein GC- und ein FCZ-Spieler gemeinsam in einem Video gegen Gewalt aussprechen. Am Ende spazierte GC-Captain Amir Abrashi allein durch Zürich. Vom FCZ war offenbar keiner bereit. Wäre nicht jetzt eine gute Gelegenheit für ein gemeinsames Video?
Canepa: Was denken Sie, wie oft wir schon Schulen besucht haben? Ich habe das gemacht, die Spieler haben das im Rahmen unserer Sozialprojekte gemacht. Dort erklären wir ihnen unter anderem, wie sich ein Fan richtig verhält. Aber es gibt diesen Bodensatz, der nicht therapierbar ist. Punkt. Darum sage ich seit Jahren: Zuständig sind Polizei und Justiz. Als wir einmal Fotos von zwei Böllerwerfern an die Polizei übergaben, passierte monatelang nichts. Da sagte ich: Jetzt ist genug, ich publiziere die Fotos auf unserer Website. Nach drei Stunden hatten wir die Namen der Täter. Aber drei Tage später bekam ich einen Verweis des Datenschutzbeauftragten aus Bern. Wenn ich das noch mal mache, würde ich strafrechtlich verfolgt. So ist die Situation in der Schweiz. Sorry!
Gurovits: Ihr habt beim FCZ eine riesige Fanbasis, das ist beeindruckend. 99 Prozent sind friedlich. Die Stimmung beim Derby ist super, die Choreos sind super. Damit das einmal auch von GC-Seite gesagt worden ist. Leider gibt es einen kleinen Prozentsatz, der kriminell ist. Und bei euch sind das viel mehr als bei uns.
Canepa: Das ist Mathematik. Wenn du 7000 Fans hast, trifft das auf mehr zu, als wenn du ein paar Tausend weniger hast.
Gurovits: Das Video, das Sie angesprochen haben, wäre ein gutes Zeichen gewesen für «Fussball ohne Gewalt». Dass das nicht geklappt hat, bedaure ich. Es wäre auch von euch, Cillo, ein starkes Zeichen gewesen. Wir brauchen uns als Fussballclubs. Das Derby ist nach wie vor einer der grössten Sportevents, die wir in Zürich haben und auch im Schweizer Fussball. Natürlich kannst du mir wieder sagen, ich sei ein Romantiker oder weltfremd. Aber es wäre doch schön, wenn sich das in einem sportlichen Rahmen abspielen würde. Darauf müssen wir hinarbeiten.
Canepa: Ich bin zu hundert Prozent gleicher Meinung.
Gurovits: Ich muss einfach ein paar Punkte aufzählen. Wir haben jetzt das Züri-Fäscht gehabt. Wir hören jedoch immer wieder, und das kann man auch nachlesen, dass Kinder angegriffen werden, die in GC-Leibchen zur Schule gehen. Vor Weihnachten gab es eine private Feier von GC-Fans. Sie wurden angegriffen, vier davon landeten auf der Intensivstation. Dann hatten wir den Vorfall nach unserem Cupspiel in Wettswil-Bonstetten, als GC-Fans und Unbeteiligte im Zug angegriffen wurden. Als sie einmal morgens um halb vier Uhr aus Genf zurückkamen, wurden sie auf dem Bahnhof erwartet und mit Eisenstangen attackiert – von 80 bis 100 Hooligans, die wahrscheinlich aus der FCZ-Ecke stammen. Sogar beim Frauenderby auf unserem Campus gab es Angriffe auf GC-Exponenten. Da liess sich das noch abwehren. Aber einer von ihnen wurde bis nach Hause verfolgt und so zusammengeschlagen, dass er einen vierfachen Jochbeinbruch erlitt. Das passiert! Und hört nicht auf!
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wir haben bei GC darum entschieden, dass wir von jetzt an bei jedem Vorfall Strafanzeige stellen werden. Jetzt sind auch die Strafverfolgungsbehörden gefordert, diesen Dingen nachzugehen. Irgendwann stirbt noch jemand. Solche Exzesse muss man verhindern. Darum müssen auch wir als Clubs zusammenarbeiten.
Fans von GC gehen auch nach Winterthur, um da im Fanlokal Fahnen zu stehlen und sie im Letzigrund zu verbrennen. Und in Dübendorf ist es auch nicht ratsam, in FCZ-Leibchen herumzulaufen.
Gurovits: Ich sage nicht, dass wir nur Heilige haben. Bei uns sind es einfach viel weniger.
Dass die schwer zu erreichen sind, die einen Stand überfallen, ist wohl so. Doch wenn es um Mobbing auf dem Pausenplatz geht, könnte eine gemeinsame Aktion der beiden Clubs sicher etwas bewirken.
Gurovits: Eine sehr gute Lösung. Ich bin sofort dafür.
Canepa: Nochmals, ich habe in den letzten Monaten wirklich sehr oft Schulklassen besucht, ich erhalte viele Einladungen für Referate und Talks. Ja, die Zuhörer oder Teilnehmer sind stets in der Mehrheit FCZ-Fans, doch da habe ich nie irgendwelche gegenseitige Aggression erlebt. Im Sinne einer Prävention und Persönlichkeitsentwicklung muss man die 12, 13 Jahre alten Schüler abholen. In diesem Sinn bin ich sofort dabei, gemeinsam mit GC aktiv zu werden. Das habe ich übrigens schon vor einigen Jahren vorgeschlagen.
Eine gemeinsame Aktion kann beiden Clubs nur helfen.
Canepa: Das ist keine Frage. Jede Auseinandersetzung ist schädlich für den Fussball.
Gurovits: Es schadet auch dem grossen gemeinsamen Projekt, das wir haben. Und das ist das neue Stadion.
Canepa: Gibt es auch noch andere Themen? Sportliche? Man könnte den Eindruck erhalten, als sei alles nur noch schlecht, als gäbe es nur noch Hooligans. Das sorgt für ein einseitiges und undifferenziertes Bild.
Gurovits: Das würde ich relativieren. Das Problem ist da, und über das muss man diskutieren – offen und öffentlich. Sonst wird es nie gelöst.
Canepa: Andras, du kannst es nicht lösen und ich auch nicht. Die Eltern und die Justiz können es. Wenn ich mein Auto falsch parkiere, erhalte ich eine unbedingte Busse. Wenn einer aber aggressiv auf jemanden losgeht, geht es jahrelang bis zu einem Urteil. Und wenn es dann vorliegt, ist es lächerlich. Es müsste schnell kommen und abschreckend sein. Das ist für mich weiterhin ein offenes Thema, das nicht gelöst ist.
Was immer wieder auch als Vorwurf kommt: Die Clubs hätten Angst vor den Kurven, weil die Kurven zum einen Tickets kaufen und zum anderen Stimmung machen.
Canepa: Das ist auch wieder …
Gurovits (unterbricht): Lass mich machen. Das ist völlig falsch, zumindest aus unserer Sicht. Und es ist auch bei uns so, dass der Grossteil der Kurve nicht gut findet, wenn Gewalt ausgeübt wird. Leider funktioniert die viel zitierte Selbstregulierung nicht immer lückenlos. Da frage ich mich: Wie soll das gehen? Wer hat den Mut, den Willen und die Möglichkeiten, das wirklich durchzuziehen?
Canepa: Wir haben regelmässigen Kontakt mit den Fans. Aber es ist nicht so, dass wir zu allem Ja und Amen sagen. Wir haben Wünsche und Forderungen, sie haben Wünsche und Vorstellungen. Und wann immer es geht, suchen wir die Schnittmenge. Deshalb haben wir zu den Exponenten der Kurve ein gutes Verhältnis. Die sind ja auch nicht das Problem.
Die Südkurve prägt das Image des Vereins …
Canepa: … gut so! Wir bekommen auch immer wieder positive Feedbacks. Wir waren in London (letzten November fürs Europa-League-Spiel gegen Arsenal), und die Polizei flippte fast aus, wie sich die 3000 Zürcher verhielten. Wow! Super! Wir haben auch in der Schweiz 2500, 3000 bei den Auswärtsspielen. Aber eben, eine solche Menge hundertprozentig zu kontrollieren, ist schwierig.
Wieso hat der FCZ eine viel grössere Anziehungskraft als GC?
Gurovits: Der FCZ hat in den letzten zwanzig Jahren Erfolg gehabt und wir nicht. Erfolg zieht an. Die jungen GC-Fans hören von den grossen Erfolgen nur von ihren Vätern oder Grossvätern. Selbst haben sie die ja nicht erlebt. Wir gratulieren dem FCZ neidlos zu dem, was er erreicht hat. Wir haben es in den letzten Jahren nicht so gut gemacht wie er. Aber wir bleiben dran.
Ist es nur der Erfolg? Geht es nicht auch ums emotionale Drama, das der FCZ regelmässig liefert?
Gurovits: Dramen liefern wir auch. (lacht) Aber sie führen nicht zu solchen Solidaritätsbekundungen wie beim FCZ. Als er abstieg, hatte er 10’000 oder 11’000 Zuschauer im Schnitt. Wir hatten nach unserem Abstieg viel weniger. Das ist die Realität. Und ich habe keine Mühe, das anzuerkennen. Aber ich denke langfristig. Irgendwann kommen wir auch wieder zurück.
Canepa: Das wäre auch meine etwas naive Wunschvorstellung, dass irgendwann die beiden Zürcher Vereine wieder die Liga dominieren könnten.
Gurovits: Und es gibt noch einen Punkt, der für uns ein Problem ist: Wir haben seit bald zwanzig Jahren kein eigenes Stadion mehr. Wir sind heimatlos. Es fehlt das Heimatgefühl. Und heutzutage geht es auch um die Vermarktungsmöglichkeiten, die ein modernes Stadion bietet. Das ist das Gleiche für den FCZ. Im Gegensatz zu anderen Clubs heisst das für uns: Wenn wir zu Saisonbeginn an die Startlinie gehen, liegen wir schon einmal mit 5 Millionen Franken zurück.
Canepa: Das stimmt.
Erleben wir alle dieses neue Stadion überhaupt einmal?
Gurovits: Wenn wir gesund leben, schon.
Canepa: Es gibt nach wie vor viele Hindernisse. Gegen den Gestaltungsplan kann man über drei Instanzen klagen, gegen die Baubewilligung auch. So lässt sich ein Projekt willkürlich immer und immer wieder verschieben. Das ist Schweizer Realität und hat mit Demokratie nichts mehr zu tun. Nach der letzten Abstimmung, die wir klar gewonnen haben, reichte ein Querulant eine chancenlose Stimmrechtsbeschwerde ein und ging damit sogar bis vor das Bundesgericht. Absurd!
Gurovits: Das schadet dem FCZ und GC.
Canepa: Das schadet auch Zürich als sogenannter Sportstadt.
Wann könnte das Stadion frühestens stehen?
Canepa: Im optimalen Fall 2027.
Und jetzt kommen wir zur viel geforderten sportlichen Frage. Unser Basler Kollege wettet, dass Winterthur in der neuen Saison der bestklassierte Zürcher Club ist.
Gurovits: Im Fussball ist alles möglich.
Canepa: Das zeugt von einer grossen fachlichen Kompetenz Ihres Kollegen.
Was spricht denn für eine gute Saison des FCZ?
Canepa: Dass der Cheftrainer (Bo Henriksen) erstmals die ganze Saisonvorbereitung mit der Mannschaft bestreiten konnte. Dass die Mannschaft vom Gerüst her zusammengeblieben ist. Okay, es kann noch punktuelle Anpassungen geben. Wir suchen noch einen Stürmer, der uns im Jahr 40 Tore schiesst. (lacht) Aber es hilft schon, eingespielt zu sein. Spielerisch und taktisch wollen wir den nächsten Schritt machen. Entsprechend ist das trainiert worden. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir zumindest einen attraktiven Fussball sehen werden.
Der FCZ darf sicher nicht mehr im Abstiegskampfmodus agieren wie letzte Saison.
Canepa: Und wenn Sie nach dem Ziel fragen: Wir wollen nach den ersten 33 Runden unter den ersten sechs sein.
Was spricht für eine gute Saison von GC, das zwölf Abgänge hat?
Gurovits: Bei uns ist das schwieriger vorherzusagen. Im Gegensatz zum FCZ ist bei uns der Stamm auseinandergerissen worden. Wir haben zum grossen Teil eine neue Mannschaft. Darum bin ich extrem gespannt, wie Bernt Haas sie zusammengestellt hat. Ich drücke ihm alle Daumen, dass das gut kommt. Sicher haben wir mit Bruno Berner einen super Trainer, den Trainer, den wir nach Giorgio Continis Abgang alle wollten.
Was wünschen Sie dem FCZ für die neue Saison?
Gurovits: Viel Erfolg. Viele friedliche Fans. Und in der Tabelle einen Rang hinter uns, wie letzte Saison.
Das tönt doch versöhnlich, Ancillo Canepa.
Canepa: Ich bin kein GC-Hasser, noch nie gewesen. Ich fieberte mit, wenn es gegen Real Madrid, Ajax und all die grossen Mannschaften ging. Ich habe mit den vielen Exponenten von GC, die ich kennen gelernt habe, seien es Präsidenten, Trainer oder auch Spieler, immer ein respektvolles und kollegiales Verhältnis gehabt. Umgekehrt habe ich auch schon einige GC-Fans getroffen, die mir freundlich gesagt haben: «Ihr macht das gut.» Oder noch ein anderes Erlebnis.
Welches?
Canepa: Einmal war ich mit unserer Hündin Kookï auf der Allmend Brunau spazieren. Da kamen mir vier, fünf junge Männer entgegen. Als sie auf meiner Höhe waren, blieben sie stehen und sagten: «Sali Kookï.» Mich ignorierten sie. Das müssen GCler, aber Hundefreunde gewesen sein. Kookï, mit FCZ-Halsband, freute es auf jeden Fall sehr. So soll es sein. Wissen Sie, am Ende bin ich immer noch ein Fussballfan und -romantiker. Ich akzeptiere doch, dass auch andere Mannschaften gut spielen und Erfolg haben können. Alle diese negativen Begleitumstände kann ich schlicht nicht verstehen.