Beitragvon schwizermeischterfcz » 18.09.16 @ 12:00
Freitag 16. September 2016 23:14
Die sonderbare Fussballwelt des FCZ
Die Reise nach Villarreal wird für die Zürcher trotz Niederlage zum Erfolg – weg vom Müssen, hin zum Dürfen
Christian Zürcher
Einen letzten Spagat muss Uli Forte an diesem Abend in Villarreal noch machen. Er steht in der Interviewzone vor den Journalisten und beantwortet Fragen, auf Deutsch und auf Spanisch; er lächelt, er ist zufrieden, seine Mannschaft hat den von ihm ausgerufenen «Spagat» zwischen Challenge und Europa League geschafft, in einem bemerkenswert offenen Spiel verlieren die Zürcher 1:2. Der FCZ-Trainer ist der letzte Verbliebene im Bauch des Stadions, der Mannschaftsbus steht zur Abfahrt bereit. Doch Fortes Tagwerk ist noch nicht vollendet, er hat noch etwas im Sinn.
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Er sieht Pato, diesen wunderbaren Fussballer, und sagt sich, mit dem will ich aufs Foto. Eine reizende Transformation – der Trainer wird zum Fan. Er reicht Taktikplakate und Sakko den Journalisten, um die Hände frei zu haben. Er wartet und lässt dabei die anderen warten. Weil aber dieser Pato so gefragt ist und es so lange dauert, muss Forte schliesslich klein beigeben und verabschiedet sich dann doch noch – ohne Foto. «Buenas noches.»
Mit leuchtenden Augen
Für den FC Zürich wird die Reise nach Villarreal zum Erfolg, es ist ein Trip weg vom Müssen, hin zum Dürfen. Von der fussballerischen Provinz ins mondäne Europageschäft. Für einmal lastet kein Druck von möglichen Punktverlusten auf den Schultern, nein, es bietet sich die Möglichkeit, sich wieder einmal auf grosser Bühne zu zeigen. So wird die Reise nach Spanien auch zu einer Reise der Vorfreude. Wie Armando Sadiku mit grosser Sonnenbrille im Flughafeninnern posiert, hat etwas Jugendliches, wie die Mannschaft mit ihren leuchtenden Augen und schwarzen Taschen aus dem Bus steigt, ebenso.
Die Vorfreude wird dabei nur von den Vorzeichen getrübt, von diesem Spagat über die Fussballklassen hinweg.
«Zweite Liga, oder?»
Am Tag vor dem Spiel malt in Villarreal ein älterer Mann mit winzigem Pinsel die Eisengitter vor seiner Tür an: «Wie das Spiel ausgeht? 4:0.» Er sagt es und verschwindet, ohne ein weiteres Wort, im Haus. In der Bar Gastro Tentacion kellnert Miguel, ein Villarreal-Fan. Den Namen des Gegners kann er nicht auf Anhieb sagen, er sagt nur «segunda division, no?» Selbst Zürcher Fans und Spieler geben sich vorsichtig, und Roberto Rodriguez klingt gar etwas besorgt, als er vor dem Spiel den Satz «das Beste geben und schauen, wie es rauskommt» von sich gibt. Er spricht die Worte aus, als wären Gewehrläufe auf ihn gerichtet. Glauben sie denn überhaupt daran?
Nun, es kommt gut, es ist schön für den FCZ im Rahmen des Möglichen – er verliert und überzeugt doch. Noch schöner für das Zürcher Bewusstsein ist aber, dass selbst gegen einen Primera-Division-Verein sich erstaunlich wenig im Rahmen des Unmöglichen abspielt; ja, dass es nicht zu dem befürchteten Fiasko kommt. Das hat seine Gründe. Da ist einmal der Anhang: Ein Flugzeug und vier Busse voller Fans bringen 350 FCZ-Anhänger nach Spanien. 14 Stunden Busfahrt sind eine lange Zeit, ein Badehalt am Meer verkürzt sie, im Stadion herrscht der Mitgereisten wegen eine prächtige Stimmung.
Auch das Ehepaar Canepa hat seinen Anteil, dass überhaupt ein solches Resultat entstehen kann. Mit der Zielausgabe Aufstieg und Erreichen der nächsten Europa-League-Runde wurde das Kader nur bedingt ausgedünnt und die Lohnrechnung hochgehalten. Es führt dazu, dass ausser dem überzeugenden Cedric Brunner mehr oder weniger alles international erfahrene Spieler auf dem Platz stehen. Der FCZ spielt mit, er kombiniert, er entzückt zuweilen gar mit längeren Passfolgen.
Die Canepas geben sich nach dem Spiel gelöst, das Kichern von Heliane ist auf der ganzen Haupttribüne zu hören, und ihr Ehemann gefällt sich darin, mit Faxen die mitgereisten Menschen zu unterhalten. Vor dem Spiel ist das noch anders, auch der Präsident scheint etwas angespannt. Er stürmt während des Abschlusstrainings auf die Tribüne und beginnt bereits aus zehn Sitzreihen Distanz das Gespräch mit einem Journalisten: «Das hätten Sie auch anders formulieren können!» Es geht um Zitate aus einem Interview, die der Präsident freigeben soll. Aussenstehende würden sich vielleicht wundern über den Umgangston, doch es ist die Art, wie Canepa funktioniert, und wohl auch der Grund, weshalb er immer wieder missverstanden wird beziehungsweise regelmässig öffentliche Kritik erfährt. Am Tag darauf wird in der Zeitung stehen: «Die Canepas haben nicht den Stil verändert, aber die Leute um sich herum ausgewechselt.»
Wieder raus in die Provinz
Einer davon ist Forte, ein anderer Thomas Bickel. Während in der Garderobe nach dem Spiel eine genervte Stimmung herrscht («Es wäre mehr möglich gewesen»), denkt der Sportliche Leiter schon etwas weiter. «Es wird der Mannschaft guttun, zu wissen, dass man bestehen kann.» Diese Erfahrung könne noch wertvoll sein. Wäre man untergegangen, es hätte den eingeschlagenen Prozess empfindlich stören können. Es sind die weisen Worte eines ruhigen Menschen, bei dem man sich immer ein wenig fragt, wie er sich gegen die Leute mit mehr Geltungsdrang im Verein durchsetzen kann.
Nun, noch ist die Woche nicht vorbei, noch der Spagat nicht vollendet. Am Sonntag geht es wieder raus in die Provinz, es warten nicht Villarreal und Pato, sondern Bellinzona und der Cup. Forte weist darauf hin, dass es ein Leichtes sei, seine Spieler auf eine Partie gegen Villarreal zu motivieren, doch Bellinzona sei ein anderes Kaliber.
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