tehmoc hat geschrieben:Da stimme ich zu. Mit Investoren meine sämtliche juristischen oder privaten Personen, die Mittel für den Fussball aufwenden, um eine möglichst Rendite zu erzielen. Das betrifft alle möglichen Motive und Interessen.
Na ja. Unter "Rendite erzielen" versteht man klar einen finanziellen Gewinn machen, und das ist bei den Klubbesitzern im Fussball nicht der Fall. Einen bekannten Fussballklub zu besitzen, macht halt Spass. Man kann Entscheidungen treffen, die den Fussball beeinflussen, kann ständig um die Stars herum sein und wird von diesen auch noch respektiert. Wenn Du dies ebenfalls als "Rendite" bezeichnen willst, dann ist nach Deiner sehr breiten Definition alles im Leben "Rendite" - Lachen, Freundschaft, Liebe,....
All diese Klubbesitzer sind so reich, dass sie es sich eben leisten können, KEINE Rendite zu erzielen bzw. sogar Verlust zu machen. Jemand mit weniger Geld kann sich das nicht leisten, und muss bei seinen Tätigkeiten mehr auf die Rendite schauen.
tehmoc hat geschrieben:Aber weniger Zuschauer oder einfache Klubmitarbeiter, sondern Akteure wie Medienunternehmen, Sponsoren wie etwa Würth im Schweizer Cup oder die Sponsoren von Namen für Ligen und Stadien.
Woher willst Du wissen, dass Würth wirklich Gewinn aus seinem Sponsoring des Schweizer Cups zieht? Sehr häufig sind Sponsoren zu optimistisch, was den Werbeeffekt ihres Engagements angeht und sie machen stattdessen Verlust mit dem Werbe-Engagement. Manchmal wollen die Manager des Unternehmens auch einfach ihre Kunden in VIP-Logen einladen können und geben zu viel Geld dafür aus - zum Schaden des Unternehmens und der Eigentümer.
Und dass heutzutage die TV-Stationen meist Verlust mit Fussball schreiben, ist allgemein bekannt. Es sind sogar schon grosse Fernsehstationen dadurch Konkurs gegangen. Die TV-Stationen zahlen häufig bewusst zu viel für die Fussball-Rechte, weil sie Angst haben, zu viele Zuschauer zu verlieren, worunter dann auch alle anderen Sendungen auf dem Sender leiden. Es ist ein Tanz auf des Messers Schneide.
tehmoc hat geschrieben:Berater gehören dazu, genauso wie die Werbepartner von Reus oder Messi. Alle wollen ihr Stück vom Milliardenkuchen haben. Diese Erwartungshaltung, die Professionalisierung nahezu aller Bereiche, das Aufkommen von neuen Medien - und damit eine riesige Vergrösserung der Vermarktungsmöglichkeiten - prägen den modernen Fussball. Er ist ein Produkt, dass in den Augen vieler Leute möglichst viel Gewinn abwerfen muss.
Nein, eben nicht. In kaum einem Bereich der Gesellschaft gibt es so viel Freiwilligenarbeit wie im Fussball und Sport im allgemeinen. Weil Fussball fasziniert, und sehr viele Leute bereit sind, ihre Freizeit dafür zu opfern. Es gibt auch viele, die zwar etwas mit Fussball etwas kleines verdienen, aber bedeutend weniger, als wenn sie in der gleichen Zeit etwas anderes arbeiten würden. Und dann gibt es eben die Klubbesitzer, die Millionen oder sogar Milliarden im Fussball verlochen. Sie geben nicht nur ihre Zeit, sondern auch sehr viel von ihrem persönlichen Geld. Weil Fussball total irrational ist.
Wenn Canepa, Heusler, Rihs, Abramovich und Co. wirklich gewinnorientiert denken würden, dann würde alles ganz anders ablaufen. Dann würden sie nicht in der Sommer- oder Winterpause jeweils noch die Stürmerhoffnung verpflichten, welche den Meistertitel bringen oder den Abstieg verhindern soll, der aber auch die Zahlen in den Roten Bereich treibt. Sie würden auch nicht die defizitären FCZ Frauen, LetziKids oder das FCZ Museum ins Leben rufen und betreiben. Sie würden knallhart kalkulieren: "Wie viele Millionen kann ich in der Champions League holen, und wie gross sind die Chancen dorthin zu kommen?". Nur dort gibt es für einen Schweizer Klub wirklich Geld zu verdienen, worüber es sich lohnt, zu diskutieren. Canepa würde zum Schluss kommen: die Investitionen, um das zu schaffen, sind so gross, so dass es sich auf keinen Fall lohnt. Er müsste 100 Millionen investieren (woher nehmen?), und selbst dann wäre die Chance erst bei ungefähr 40%, dass es klappt. Im ersten Jahr würde er so oder so einen Riesenverlust machen. Im Idealfall, aber nur im Idealfall, könnte sich aus so einer Anfangsinvestition eine Dynamik entwickeln, die den FCB langfristig von der Nummer 1 und dem Honigtopf Champions League verdrängen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, grosse Verluste zu schreiben, wäre aber grösser.
Wäre er also gewinnorientiert, dann würde er den Betrieb total herunterfahren, und mit einer Juniorenmannschaft mit Lehrlingslöhnen und einem Minimum an Kosten, aber dafür sehr guten Würsten und gutem Bier ein kleines Stammpublikum von 2'000 - 3'000 aufbauen, welches in der Super League oder Challenge League regelmässig an die Spiele kommt und keine allzu grossen sportlichen Ambitionen hegt. Mit Nüssli-Tribünen in der Buchlern. FCZ Frauen, LetziKids oder FCZ Museum würden alle abgeschafft. Das gäbe insgesamt sicherlich keine allzu grossen Gewinne , aber es wäre wohl die einzige Chance, überhaupt ein klein bisschen Gewinn zu machen. Das wäre gewinnorientiert - heruntergebrochen auf Schweizer Verhältnisse.
tehmoc hat geschrieben:Natürlich wird die Realität nicht all den Träumen vom grossen Geschäft gerecht und der Grad der Kommerzialisierung ist nicht in jeder Liga gleich stark ausgeprägt. Aber jeder Besitzer eines Profiklubs sieht sich damit konfrontiert, ob er nun selber Investor mit Erwartungshaltung ist oder ein Mäzen.
Ja gut. Hier bringst Du den Begriff "Kommerzialisierung". Das ist natürlich etwas ganz anderes, als "Gewinn". Es gibt vieles, was stark kommerzialisiert ist, aber keinen oder nur wenig Gewinn macht. Und vieles, was viel Gewinn macht, aber überhaupt nicht kommerzialisiert ist. Bei der Kommerzialisierung geht es selten um die ganz grossen Summen, sondern um die kleinen Dinge, aber dafür für ein Publikum von Tausenden oder gar Millionen von Fans und "Kunden".