Zum Spiel FCZ : YB vom Sonntag, 14.11.2010
Tagi: Sa. 13.11.10
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Stark gegen Kleine, schwach gegen Grosse
Der FC Zürich tut sich schwer gegen die anderen Klubs aus den Top 5. Morgen trifft er zu Hause auf YB.
Von Peter Bühler
Den 22. August dieses Jahres wird Fredy Bickel, so sagt er jedenfalls, sein Leben lang nicht vergessen. Der FC Zürich hatte bei den Young Boys trotz überlegen geführten Spiels 0:1 verloren. Der Sportchef war darob so verärgert, dass er auf die Rückfahrt im Mannschaftsbus verzichtete. Das hatte er zuvor noch nie getan. Mit seinem Entscheid wollte er sich vor allem vor sich selber schützen. Er denkt, er hätte in seinem damaligen Frust im Car mit Sicherheit die eine oder andere unbedachte Äusserung gemacht und diese später vielleicht bereut.
Heute lacht Bickel über diese Episode. Zur abgesprochenen Abfahrtszeit beim Stade de Suisse hatte er sich damals in einem nahen Bistro mit dem FCZScouting-Chef Bert Theunissen zur Beruhigung ein Glas Weisswein gegönnt. Und nach Hause war er an jenem Sonntagabend auch noch gekommen. Wohlbehalten, im Auto seiner Freundin. Nun sagt Bickel ohne Groll: «Jene Partie im Stade de Suisse konnten wir eigentlich gar nicht verlieren. YB kam einmal richtig in unseren Strafraum und machte das Tor.» Einmal mehr war damit die Chance verpasst, einen Mitkonkurrenten um den Titel zu besiegen. Das ist dem FCZ in dieser Saison überhaupt noch nie gelungen.
Verletzte Verteidiger
Knapp drei Monate sind seit der Niederlage in Bern vergangen, und die Lage des FCZ hat sich klar verbessert. Nach jenem 0:1 bei YB in der 6. Runde lagen die Zürcher auf Rang 6 und fünf Punkte hinter Leader Luzern. Vor dem morgigen Match gegen die Berner im Letzigrund sind 14 Runden gespielt, die Zürcher verbesserten sich auf Platz 3, sie stehen einen Punkt hinter Leader Basel und sind gleichauf mit Luzern. Bickel sagt denn auch: «In Anbetracht unserer Probleme in diesem Herbst sind wir ausgezeichnet klassiert.»
Der Blick in die Statistik zeigt, dass der FCZ in der Defensive mässige Werte erreicht. Er hat 22 Gegentreffer zugelassen und ist damit der viertschlechteste Verein der Super League. Dafür gibt es Gründe: Die Zürcher konnten ab der vierten Runde nie zweimal hintereinander mit der gleichen Verteidigung spielen. Zeitweise waren mit Teixeira, Zouaghi, Stahel, Rodriguez und Barmettler fünf Defensivspieler gleichzeitig verletzt. Die Personalnot in der Abwehr wurde so gross, dass im Auswärtsspiel in Sitten Nachwuchsspieler Dugagjin Dedaj aus der U-21 zum Debüt kam.
1,6 Gegentreffer pro Spiel
Ein weiterer Faktor, der nicht zur Stabilität beitrug, war der Wechsel auf der Torhüterposition von Leoni zu Guatelli. Bickel sagt: «Guatelli macht seine Sache gut, aber es dauert immer seine Zeit, bis die Automatismen zwischen einer ständig veränderten Abwehr und einem neuen Goalie intakt sind.» Auch hier ist die Statistik unbarmherzig: Leoni, der mit dem FCZ dreimal Meister wurde, musste in seiner besten Saison durchschnittlich einen Gegentreffer pro Spiel hinnehmen, bei Guatelli sind es momentan beinahe 1,6.
Mit einem solchen Schnitt kann eine Mannschaft normalerweise nicht Meister werden. Das wissen sie beim FCZ sehr genau, allen voran die Defensivspieler. Ludovic Magnin, der morgen gesperrt ist, sagt: «Wir machen zu viele Fehler, wir machen dem Gegner das Toreschiessen zu leicht, verteilen Geschenke.» Er erinnert an das 1:4 im eigenen Stadion gegen Basel, als sich die Zürcher haarsträubende Schnitzer erlaubten; an das 4:3 in Neuenburg; das 2:2 im Letzigrund gegen Bellinzona.
Sein Abwehrkollege Alain Rochat ergänzt: «Wir sind in der Defensive oft nicht konzentriert genug.» Für ihn ist es deshalb kein Zufall, dass der FCZ nur ein einziges Mal zu null spielte, beim 2:0 gegen GC. Diesem Argument hält Andrea Guatelli entgegen, dass der FCZ mehr als einmal unter fragwürdigen Entscheiden der Spielleiter habe leiden müssen. Insgesamt vier Gegentreffer seien nach klaren Abseitspositionen gefallen. Guatelli scherzt: «Also habe ich nur 18 reguläre Tore gekriegt. So schlecht ist mein Schnitt folglich nicht.»
Urs Fischer studiert die Statistik interessiert. Ausreden sucht er keine, er jammert nicht – weder über verletzte Spieler noch über Entscheidungen der Spielleiter. In seiner ihm eigenen Art sagt er: «Es schleckt keine Geiss weg, dass 22 Gegentreffer zu viel sind.» Die defensive Organisation sei nicht immer perfekt gewesen, und manchmal sei das Team im Abwehrverhalten zu naiv: «Wenn man hart bedrängt wird, muss man den Ball auch einmal über das Tribünendach dreschen.»
Starke Offensive
Dann huscht ein Lächeln über Fischers Gesicht. Mit 28 Plustoren hat der FCZ hinter Luzern und Basel am drittmeisten Treffer erzielt, zwei pro Spiel. «Wie schön! Der frühere Verteidiger Fischer lässt offensiv spielen», sagt er und schmunzelt. Weniger gefällt ihm die Bilanz seiner Mannschaft gegen die anderen vier Spitzenklubs der Super League. Von den bisher sechs Partien gegen Basel, Luzern, YB und Sion hat der FCZ keine gewonnen, dafür drei verloren und dreimal unentschieden gespielt. Leader Basel und Sion dagegen haben gegen die anderen vier Spitzenvereine in sieben Partien 12 Punkte geholt (siehe Statistik).
Diese Ausbeute des FCZ findet Fischer ungenügend. Aber die Meisterschaft sei derart ausgeglichen und die Differenz unter den Spitzenteams derart gering, dass oft Kleinigkeiten entschieden: «Uns fehlte gegen die sogenannten Grossen auch das Wettkampfglück.»
Seine Mannschaft hielt sich dafür gegen die Klubs stark, die auf den Rängen 6 bis 10 liegen. In den bisher 8 Spielen gegen Thun, Xamax, Bellinzona, St. Gallen und GC gewann der FCZ 22 Punkte, er gab einzig beim 2:2 gegen Bellinzona Punkte ab. Fischer sagt, das sei zwar schön und zeuge von einer professionellen Einstellung seiner Mannschaft. Er weiss aber auch: Wer Meister werden will, der muss auch einmal einen Grossen besiegen. Also sagt er: «Am besten, wir beginnen damit am Sonntag gegen YB und nehmen Revanche für den 22. August.»
Voraussichtliche FCZ-Aufstellung: Guatelli; Philippe Koch, Zouaghi, Rochat, Gajic; Aegerter; Schönbächler, Margairaz, Djuric; Chermiti,Alphonse.