Der Meister auf AbschiedstourneeAuch beim 1:2 in Bern zahlte der FC Zürich für seine fehlende Durchschlagskraft und Entschlossenheit. Der Misserfolg hat bei ihm inzwischen System.
Der FCZ ging in die Saison, um den Meistertitel zu verteidigen, Cupsieger zu werden und die Champions League zu erreichen. Und als er in der Champions League war, reifte die Idee, im Europacup überwintern zu wollen.
Die Champions League erreichte er, was keinen mehr mit Stolz erfüllte als Präsident Ancillo Canepa. Im November war es vorbei mit der vermessenen Hoffnung, im neuen Jahr wenigstens noch in der Europa League vertreten zu sein, ebenso kein Thema mehr war nach einem 2:4 in Basel der Cup. Und in der Super League ist der FCZ seit langem ein Meister auf Abschiedstournee.
Der FCZ blieb ungefährlich
Das 1:2 am Samstag in Bern lieferte besten Anschauungsunterricht, warum das so ist. Das Spiel entwickelte sich wohl für die Zürcher, nach 8 Minuten und Mardassis Notbremsefoul an Alphonse waren sie personell in Überzahl und nach 23 Minuten und Gajic’ Freistosstor auch resultatmässig im Vorteil. Sie brauchten weiter gar nicht übermässig viel zu tun, um den Gegner unter Kontrolle zu halten. Das erledigte der Gastgeber mit seiner spielerischen Unordnung und Fehlerhaftigkeit lange Zeit gleich selbst. Dass er bis in die 84. Minute nur zweimal so richtig gefährlich wurde, bei einem Lattenschuss von Regazzoni und einer vorzüglichen Chance für Hochstrasser, sagte alles über seine Schwierigkeiten an diesem Tag.
Der FCZ spielte in der eigenen Platzhälfte sein Programm ungefährdet herunter. Kaum jedoch hatte er die Mittellinie einmal überschritten, ging ihm jegliche Inspiration und Intensität ab. Mittelfeldspieler Silvan Aegerter umschrieb den Missstand punktgenau: «Wir hatten viel Ballbesitz in der eigenen Platzhälfte, aber da schiesst man keine Tore.»
Alphonse als Sinnbild
Natürlich lässt sich an vielen anderen Spielen trefflich beschreiben, dass der FCZ eigentlich gut genug gewesen wäre, um zu gewinnen oder nicht zu verlieren. Präsident Canepa kann Beispiele von vielen verlorenen Punkten nachliefern. Natürlich mag von unglücklichen Umständen reden, wer wie der FCZ in Bern die entscheidenden Gegentore erst in der 84. und 94. Minute erhält. Aber wenn sich die Geschichte wiederholt und die Erfolglosigkeit zur zweifelhaften Routine wird, dann lässt sich das nicht mit Zufall oder Pech erklären. Dann gibt es grundlegende Mängel im System. Und im Fall des FCZ heissen dieses Mängel fehlende Durchschlagskraft, Effizienz und Abgeklärtheit.
Alexandre Alphonse ist ein Sinnbild dafür: bezeichnend sein Hang, lieber den Fuss zurückzuziehen statt dagegen zu halten, bezeichnend die Verwarnung für sein Fallenlassen im gegnerischen Strafraum. Eric Hassli in der Form der Vorsaison fehlt, ebenso Johan Vonlanthen in der Verfassung des Herbsts. Bernard Challandes muss als Trainer damit fertig werden, dass er für diese Spieler keinen Realersatz hat; dass kein Djuric, Schönbächler, Nikci und Mehmedi - am Samstag alle im Einsatz - den Stellenbeschrieb für einen Torjäger erfüllt.
Die Mannschaft habe in der zweiten Halbzeit Angst gehabt zu gewinnen, beklagte Challandes den Tatbestand der Mutlosigkeit, «das war nicht gut». Er war darüber nicht nur enttäuscht, er war verärgert. Ein Pfostenschuss von Philippe Koch war die ganze Ausbeute. Koch ist Aussenverteidiger.
Es ehrte Challandes, dass er nicht auf das Handspiel verwies, mit dem Seydou Doumbia das Siegtor von Henri Bienvenu vorbereitete. Er unterliess es aber auch, von Ludovic Magnin zu sprechen und dessen Mitschuld am Ausgleich. Unbedrängt und ungelenk verschuldete der Verteidiger am Strafraum den Querschläger, dem der Ausgleich durch Alberto Regazzoni folgte. Challandes verordnete sich selbst Stillschweigen, um nichts Unbedachtes über die Spieler zu sagen: «Es ist wie in einer Familie. Wir reden im Haus, nicht auf der Strasse.»
Mitte September hatte der FCZ in der Meisterschaft noch alle Hoffnungen, den Titel verteidigen zu können. Nach neun Runden und dem 4:3 gegen die Grasshoppers war er Tabellenvierter, sieben Punkte hinter YB. Drei Tage später begann das Eintauchen in die zu anforderungsreiche Welt der Champions League. Dem 2:5 gegen Real Madrid folgte eine Woche später das 0:3 in Bern, als der FCZ spielerisch gar deklassiert wurde.
Erschreckender Rückstand
Seither ist die Statistik trüb wie Novemberwetter. 10 Punkte und 13 Tore aus den letzten 12 Meisterschaftsspielen; 1 Sieg, 5 Remis und 6 Niederlagen in den letzten 12 Pflichtspielen, inklusive Europacup und Schweizer Cup; Rang 8, erschreckende 25 Punkte Rückstand auf die Young Boys.
Was jetzt noch das Ziel sei, wurde Challandes am Samstag gefragt. Sie müssten es besser machen, antwortete er schmallippig. Übersetzt heisst das: endlich einmal effizient sein, mutig sein, leidenschaftlich sein.
Als letzte konkrete Vorgabe für diese Saison ist Platz 3 oder 4 übrig geblieben, ein Platz in der Europa League. Sie ist bescheiden im Vergleich zu den Ansprüchen von einst. Wenigstens ist sie noch erreichbar. Noch.
(Tages-Anzeiger)
http://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/Der-Meister-auf-Abschiedstournee/story/24188216
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