Beitragvon grandezurigo » 09.09.07 @ 16:06
Gemäss NZZaS glaubt Krashimir fest an eine Rückkehr. Ob er in der Suchtprävention arbeiten wird und kann, ist schwierig zu berteilen. Ich fände es eine gute Sache!
«Ich werde wieder Fussball spielen»
Vor einem Jahr raste FCZ-Stürmer Kresimir Stanic alkoholisiert in einen Findling. Nun kämpft er um die Rückkehr aufs Feld – und ist zu präventiver Mitarbeit bereit. Von Benjamin Steffen
Am 27. September 2004 reichte Adrian Amstutz, Nationalrat und Mitglied der SVP, die parlamentarische Motion «Öffentliches Raserregister» ein. Wer mit dem Auto die Geschwindigkeit um 30 km/h überschritten hat, sollte mit Namen und Umständen des Vergehens öffentlich gemacht werden. Rund zwei Monate später beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, am 6. Oktober 2006 wurde sie – da seit gut zwei Jahren hängig – abgeschrieben.
Gäbe es heute ein Raserregister, wäre darin auch «Stanic, Kresimir» zu finden. Die Umstände: nach einem Fest schwerer Autounfall am frühen Morgen des 17. September 2006; Crash gegen Findling; zertrümmerter Fussknochen; klar übersetzte Geschwindigkeit; hoher Promillegehalt. Ein Kollege wurde Zeuge des Crashs und verliess die Unfallstelle, ohne erste Hilfe zu leisten.
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Kresimir Stanic sagt knapp ein Jahr später, in dieser Nacht habe er sein Leben verloren – ehe er korrigiert und ergänzt: «Fast.» Wir wissen nicht, ob sich Stanic – vis-à-vis sitzend – korrigiert, weil er ganz offensichtlich am Leben geblieben ist. Oder ob er das Leben manchmal in der Tat verloren wähnt, weil er es einst dem Fussball verschrieben hat – und nun darum bangt, wie-der auf höchstem Niveau spielen zu können. Stanic, Jahrgang 1985, ist seit Kindsbeinen Mitglied des FC Zürich. Mit 18 Jahren debütierte er im Fanionteam; Lucien Favre, der Trainer mit den scharfen Augen, sagte einmal: «Wer sein Talent nicht sieht, ist blind.»
Einsilbig, verletzt, still
Um dieses Talent, sein wertvolles Gut, kämpft Stanic heute. «Ich werde wieder Fussball spielen», sagt er. Einen Plan B hat er nicht. Stanic absolvierte zwar eine KV-Lehre («in der Autobranche»), bestand aber die Lehrabschlussprüfung nicht, weil er nach einer schweren Knieverletzung im April 2004 keine Lust aufs Lernen verspürte. Fortan zählte nur noch eines: Fussball. Deshalb gibt's nur eine Lösung, eine Losung: Plan A, Fussball – «ich werde wieder spielen». Derzeit erschweren Durchblutungsstörungen im Knochen den Weg zurück. Wie wahrscheinlich das Comeback ist, will Adrianus van den Bergh, der Leiter der medizinischen Abteilung des FCZ, nicht abwägen; er beruft sich auf das Arztgeheimnis. Stanic aber sagt: «Ich werde wieder spielen» – immer wieder, als müsse er es x-mal hören, um daran glauben zu können. Die jüngste Hoffnung keimt in der Heimat. Stanic weilt während zweier Wochen in einer renommierten Rehabilitationsklinik im kroatischen Pula.
«Allen, denen ich geschadet habe, will ich es zurückzahlen», sagt Stanic – und präzisiert: «Ich meine: zurückgeben.» Er will keinesfalls falsch verstanden werden. Antworten kommen oft einsilbig, als wolle oder könne Stanic nicht zu viel preisgeben über das Innenleben im Schneckenhaus. Der FCZ-Sportchef Fredy Bickel sagt, Stanic sei schon immer «eher still und grundsätzlich überlegt» gewesen; er mache sich mehr Gedanken, als man zuerst denke.
Stanic wirkt verletzlich und verletzt. Nicht nur körperlich. Die Medien-Hatz vom Herbst 2006 ist unvergessen. Der Boulevard recherchierte zäh bis unter die Gürtellinie, zu Hause lauerten Reporter auf. Und an Stammtischen symbolisierte der hierzulande geborene Stanic den Typus des rabiaten Jungen vom Balkan, der zu viel trinkt und zu schnell fährt. Nur noch von «rasenden Jugos» war die Rede, man nannte ihn «Rasic», «das verstand ich nicht», sagt Stanic. Verloren, hilflos. In den ersten Wochen und Monaten nach dem Unfall habe er in einer eigenen Welt gelebt, «ohne Gedanken, mit dem Versuch zu verdrängen». Der Unfall präge ihn «für den Rest des Lebens», sagt Stanic. «Fast» ergänzt er an dieser Stelle nicht.
In seinem Gesicht blitzen Funken von Stolz auf, als der junge Mann sagt, professionelle psychologische Hilfe habe er nicht benötigt – «in Familien befinden sich die besten Psychologen». Stimmt das? Das sei die übliche Reaktion für die Altersgruppe und den Kulturkreis Stanics, sagt Jacqueline Bächli-Biétry, promovierte Verkehrspsychologin. Dr. Bächli-Biétry ist die unbarmherzige Räuberin der Illusionen. Konfrontiert mit der Aussage von Stanic, er sei ein einziges Mal alkoholisiert Auto gefahren, meint sie, das heisse es immer. Sie, Jacqueline Bächli-Biétry, arbeite inzwischen seit zehn Jahren als Verkehrspsychologin und kenne ihre Pappenheimer. «Derart schlimme Unfälle sind meist Folgen einer etablierten Fahrweise. Oft geschieht zuvor nichts, weil die Kontrolldichte in der Schweiz verhältnismässig gering ist.» Stanic beteuert, er habe die Lehren gezogen. Im Kleinen versuche er, positiven Einfluss zu nehmen, indem er etwa Kollegen im Ausgang davon abhalte, alkoholisiert ans Steuer zu sitzen. Um Stanics (Mit-)Wirkung im Grösseren bemühen sich unterschiedliche Institutionen. Die Suchtprävention der Stadt Zürich hat mit Stanic Ende Juni Kontakt aufgenommen und strebt eine Zusammenarbeit im Rahmen spezifischer Präventionsprogramme an; derzeit laufe die konzeptuelle Phase, sagt Philipp Egli, Projektleiter des Bereichs Volksschule. Er möchte Stanic noch im laufenden Schuljahr in ein Projekt einbinden, das in Oberstufenklassen die Risiken des Alkoholkonsums thematisiert.
Ebenfalls Interesse an der Kooperation mit Stanic signalisierte Roadcross, die Stiftung für Strassenopfer. Roland Wiederkehr, alt Nationalrat (Landesring) und Roadcross-Co-Gründer, ist mit Bickel in Verbindung getreten; der FCZ-Sportchef sagt, der Klub sei an einer Zusammenarbeit interessiert und werde ihren Umfang prüfen. Wiederkehr will den Präventionsgedanken in Sportvereine tragen, wo die Aufklärung über Verkehrsgefahren nicht genug fortgeschritten sei. Und auch die Schweizer Sporthilfe suchte den Kontakt zu Stanic, der sich bereit erklärt hat, im Rahmen eines Patenschaftprojekts einen jungen Sportler mit 2500 Franken zu unterstützen. Wiederkehr von Roadcross sagt dazu: «Wir wollen keine Spende – wir wollen, dass Stanic etwas gelernt hat und das weitergibt.» Während die Verkehrspsychologin Bächli-Biétry zweifelt, ob Stanic für eine Kampagne reif genug ist, sagt der Betroffene: «Seit dem Unfall bin ich reifer geworden, erwachsener.»
Warten auf das Strafmass
Irgendwann will Stanic auf den Platz zurück. Und irgendwann muss er vielleicht vor Gericht erscheinen. Das Strafverfahren wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln ist hängig, der Fahrausweis auf unbestimmte Zeit entzogen. Der zuständige Staatsanwalt Jürg Boll erwartet diesen Monat das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich, das primär über die vor dem Unfall gefahrene Geschwindigkeit Aufschluss geben soll. Kolportiert wurden vor einem Jahr 140 km/h (in einer 60er-Zone), bei einem Alkoholgehalt von 1,5 Promille.
Ja, «Stanic, Kresimir» hätte Aufnahme gefunden im Raserregister. Doch vergessen ist die Motion. Es herrscht eidgenössischer Wahlkampf, die SVP verfolgt andere Ziele. Sie protestiert gegen staatliche Abzockerei und Senkung der «Geschwindigkeitstoleranz» und kämpft im Internet (zottel-game.ch) gegen zu viele Radarkästen.
Und uns bleibt die Erinnerung daran, wie Stanic auf die Frage antwortete, ob er den Fahrausweis zurückerhalten möchte. «Ja, ja, eigentlich schon.» Diesen Worten folgte der einzige Moment, in dem Stanic einmal leise lächelte.