Beitragvon Soccerlove » 09.07.08 @ 12:28
Stanic: «Ohne Fussball kann ich nicht leben»
Das Verfahren gegen den jungen FCZ-Stürmer steht zwei Jahre nach dessen Autounfall vor dem Abschluss. Nach wie vor leidet er unter gesundheitlichen Problemen.
Übermorgen Freitag gibt der FC Zürich an einer Medienkonferenz vor der neuen Saison das Kader der 1. Mannschaft bekannt. Der Name Kresimir Stanic wird erstmals seit vielen Jahren auf der Liste fehlen. Der 23-jährige Stürmer, einst einer der jungen Hoffnungsträger im Klub, wird in die U-21 zurückversetzt. Er akzeptiert diesen Entscheid: «Ich habe fast zwei Jahre nicht mehr Fussball gespielt. Das ist eine lange Zeit.» Am 17. September 2006 war Stanic nach einer Geburtstagsfeier unter Alkoholeinfluss und mit übersetzter Geschwindigkeit im Zürcher Stadtkreis 6 mit seinem Kia Sorento in einen zwei Tonnen schweren Felsbrocken gerast. Beim Aufprall verletzte er sich derart schwer am linken Unterschenkel und am Fussgelenk, dass gar die Amputation drohte.
Mit drei Operationen innerhalb von 30 Stunden konnte das Bein dann gerettet werden, doch der Spieler leidet bis heute unter den Folgen des Unfalls. Heute gehe es ihm so gut wie lange nicht mehr, sagt Stanic. Die Schmerzen sind erträglich geworden, Fuss und Unterschenkel regenerieren auch nach starken Belastungen viel schneller. Nur: Die für den Spitzenfussball nötige Beweglichkeit im linken Fussgelenk fehlt nach wie vor. «Ich kann nicht sprinten», erklärt Stanic.
Von vielen bereits abgeschrieben
Ans Aufgeben mag er nicht denken, obwohl ihn viele Leute beim FC Zürich längst abgeschrieben haben. Nächsten Samstag reist er erneut zur Pflege nach Kroatien. Bereits zum dritten Mal wird er sich in der Rehabilitationsklinik des Medi- ziners Stanislav Peharec in Pula vier Wochen lang während sechs bis acht Stunden täglich schinden und quälen. Stanic lebt von der Hoffnung, dass ihn Peharec wieder ganz gesund machen kann: «Er hat mir bis heute schon sehr viel geholfen.» Der Stürmer sagt, psychisch habe er die Folgen des Unfalls «mehr oder weniger» verarbeitet: «Ich kann heute mit dem Geschehenen umgehen, aber vergessen kann man einen solchen Unfall wohl nie.» «Ich akzeptiere jede Strafe» Kresimir Stanic hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewählt, ist von den Eltern weg- und mit seiner Freundin in Zürich-Affoltern zusammengezogen. Er arbeitet sporadisch im Fanshop des FCZ beim Hauptbahnhof mit, er unterstützt Projekte der Suchtprävention der Stadt Zürich. Gerade gestern besuchte er eine Zürcher Schulklasse und liess sich zu Alkohol und Drogen befragen. Alkohol, so sagt er, trinke er kaum noch. Den Führerausweis hat er Ende Januar zurückerhalten, ein Auto hat er sich nicht mehr gekauft.
Der Umstand, dass das Verfahren nach seinem Unfall nach wie vor nicht abgeschlossen ist, bedrückt ihn. Kürzlich fand die Schlusseinvernahme durch die Staatsanwaltschaft statt. Details mag Stanic keine preisgeben. Kolportiert werden eine Geschwindigkeit von 140 km/h (in einer 60er-Zone) und ein Alkoholgehalt von knapp unter 2 Promille. Der Spieler sagt dazu nur: «Ich akzeptiere jede Strafe. Ich wünsche mir einzig, dass das Ganze endlich zu einem Abschluss kommt.» Stanic will den Kopf wieder frei haben, sich voll und ganz auf seine Gesundheit und die Fortsetzung der Karriere konzentrieren können. Und wenn es mit der Rückkehr auf den Platz doch nicht mehr klappt? Stanic, der einst eine KV-Lehre in der Autobranche absolvierte, aber die Abschlussprüfung nicht bestand, sagt nach langem Nachdenken: Dann beginne er eine Ausbildung, die ihm dereinst eine Chance auf eine Tätigkeit im Fussball biete. Denn für ihn gelte: «Ohne Fussball kann ich nicht leben.»
Q: Tages-Anzeiger von 9. Juli 2008