Gepflegter Leerlauf
Der FC Zürich verstrickt sich in seiner eigenen Umständlichkeit und hofft auf Besserung am Bosporus
rwe. Eine vielleicht etwas ketzerische Überlegung sei an den Anfang gestellt. Vor zwölf Monaten scheiterte in der Qualifikation zur Champions League die beste FCZ-Mannschaft der letzten Jahre an einer rustikal sowie berechnend auftretenden Equipe Salzburgs. Kann sich also heuer eine weit weniger eingespielte und an Klasse ärmere Zürcher Equipe gegen die technisch und spielerisch den Österreichern klar überlegene Formation von Besiktas Istanbul durchsetzen?
Spontan müsste man einen Erfolg des Schweizer Meisters gegen das türkische Team verneinen. Aber man weiss es längst: Fussball hat mit Mathematik wenig zu tun. Hier ergibt die Addition von zwei und zwei selten vier. Deshalb halten wir uns an Bernard Challandes, den Trainer des FC Zürich: «Mit etwas Glück ist nach dem 1:1 im Hinspiel noch alles möglich.»
Brotloser Firlefanz
Ohne hier auf die FCZ-Chancen eines Vorstosses in die Gruppenphase der Königsklasse einzutreten, sei nochmals kurz der Fokus auf den ersten Vergleich mit Besiktas vom Mittwochabend gerichtet. Es war eine Partie, die lehrreich war – und dennoch viel Bekanntes offenbarte. Der Match zeigte auf, dass ein Spiel der hiesigen Meisterschaft wenig mit einem Auftritt auf internationalem Niveau zu tun hat. Der FCZ musste schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass sich sein mit viel Firlefanz gespicktes Vorgehen, das gegen den FC Luzern oder den FC Thun die Anhänger des Stadtklubs ins Schwärmen geraten lässt, auf höherer Ebene als gepflegter Leerlauf erweist. Der versuchte doppelte Doppelpass endete mit unschöner Regelmässigkeit im raffinierten Abwehrnetz des Gegners. Verheerend wirkte sich zudem das vom Meister bevorzugte «Trichter-System» aus. Je näher die «Eiertänzer» und Dribbelkünstler sich dem gegnerischen Strafraum nähern, desto stärker forcieren sie ihr umständliches Spiel der «tausend» Übersteiger durch die Mitte. Das Ganze war vorhersehbar, für den Gegner sehr leicht auszurechnen. Der türkische Trainer Ertugrul Saglam hatte nicht umsonst gesagt: «Wir haben das Vorgehen des Gegners exakt studiert und wissen, wie wir darauf reagieren müssen.» Will Challandes sich sowie dem Team etwas Gutes tun, schneidet er jene Sequenzen zusammen, in denen der FC Zürich zu klaren Torchancen gekommen ist. Vor dem Rückspiel sollte er die Mannschaft zwingen, diese (wenigen) Bilder bis zum Gehtnichtmehr genaustens zu studieren.
Die Aufnahmen zeigen nämlich eines mit aller Deutlichkeit: Wer gegen Besiktas Gefahr erzeugen will, sollte dies über die Aussenbahnen versuchen oder mittels raschen Umschaltens von Abwehr auf Angriff. So wie Mitte der ersten Halbzeit, als Rochat mit einem weiten Zuspiel Alphonse, den besten Zürcher, lancierte – der Franzose scheiterte nur knapp allein vor dem gegnerischen Keeper. Zur Umsetzung dieser Taktik müssten die Verteidiger aber in der Lage sein, einen ersten, weiten Pass zu schlagen – und zwar präzise. Doch das ist nicht gerade die Stärke von Stahel, Tihinen oder des mit Blumen verabschiedeten von Bergen. Die zweite riesige Torchance erwuchs aus einem Vorstoss von Alphonse über die Seite – seinen Rückpass verpasste Chikhaoui aus kurzer Distanz auf fast peinliche Art und Weise.
Will Challandes das Team weiterbringen, sollte die Spielweise des FCZ ökonomischer, gradliniger werden. Die Positionen müssen besser besetzt sein, Abwehr, Aufbau sowie Angriff zu einer besseren Balance finden. Gegen Besiktas bewachten nicht selten sechs Zürcher Defensivspieler zwei türkische Angreifer. Challandes verteidigte diese Massnahme mit der Angst vor raschen türkischen Konterstössen. Dieses Ungleichgewicht führte jedoch zu Lücken in der Mittelfeldzone – und bis die Angreifer in Fahrt gebracht werden konnten, verstrich viel zu viel Zeit.
Abgänge auch als Chance
Verlassen die abwanderungswilligen Cesar und Raffael den FCZ tatsächlich, besteht die Chance, dem Team ein frisches Gesicht zu verleihen. Einige Youngster stehen bereit. Man sollte ihnen – auch wenn es nicht auf Anhieb klappt – die Gelegenheit zur Bewährung geben und zu Beginn nicht ausschliesslich auf das Resultat schielen.
q: nzz online
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