Der Letzigrund hat keine Chance
Der Letzigrund muss im Sommer 2007 gebaut sein, sagt die Uefa. Dies ist frühestens im März 2008 möglich, sagt der Stadtrat. Das heisst: keine EM in Zürich.
Von Marc Zollinger
Die Stadtregierung will sich mit dem Schweizerischen (SFV) und dem Europäischen (Uefa) Fussballverband treffen. Das Ziel: den Letzigrund für die EM 2008 retten. Sie wird sich ein anderes Gesprächsthema suchen müssen - da ist nichts mehr zu retten. Denn das Zürcher Stadion kann «unter keinen Umständen» schneller als bis März 2008 gebaut werden, wie Urs Spinner sagt, Sprecher des Hochbaudepartements. Für den SFV und die Uefa wiederum steht «klipp und klar» fest, dass der Letzigrund im Sommer, spätestens am 30. September 2007, gebaut sein muss.
Sprachen sie überhaupt miteinander?
«Wenn das Stadion erst im Frühjahr 2008 bereitsteht, ist es definitiv keine Alternative für uns», sagt Uefa-Projektleiter Jürgen Müller. Zwei Monate würden schlicht nicht reichen, um die Arena auf den Grossanlass zu trimmen. Testspiele, Sicherheit, Ticketverkauf - ein «ganzer Rattenschwanz» an Vorbereitungsmassnahmen. Gerade die diesbezüglich schlechten Erfahrungen in Portugal habe sie das gelehrt. Das letzte Stadion stand damals im November 2003 bereit.
Warum nur hat der Zürcher Stadtrat am Mittwoch den Letzigrund als Alternative zum Hardturm ins Spiel gebracht, wenn die Daten der beiden Parteien so unverrückbar sind und so weit auseinander liegen? Haben die beiden Parteien vorher nicht miteinander gesprochen?
«Doch, doch, wir standen stets in Kontakt», heisst es auf beiden Seiten. Der Schweizer Turnierdirektor Christian Mutschler beteuert, dass er an den vielen Sitzungen regelmässig betont hat, das EM-Stadion müsse spätestens im Sommer 2007 gebaut sein. Der Stadtrat will allerdings erst diesen Dienstagmorgen bei einer Sitzung mit dem SFV von diesem ultimativen Termin gehört haben. «Wenn wir gewusst hätten, dass die Deadline so früh angesetzt ist, hätten wir uns nie an den Letzigrund gewagt - wir hätten die ganze EM-Übung bereits diesen Juni abbrechen können», hält Spinner fest.
Er meint damit nicht nur den provisorischen Ausbau des Leichtathletikstadions, sondern auch den Neubau des Hardturms. Denn zu dieser Zeit sei schon klar gewesen, dass das Fussballstadion wegen der Gerichtsverfahren nicht vor dem Frühjahr 2008 würde eröffnet werden können. Der SFV hat das laut Spinner gewusst, jedoch nicht die rote Karte gezeigt. «Wir können nicht verstehen, warum der späte Termin für den Hardturm möglich ist, für den Letzigrund aber nicht.» Und dies sei auch der Grund gewesen, weshalb die Stadtregierung am Mittwoch den Letzigrund trotz des Gesprächs am Vortag als mögliches EM-Stadion lanciert habe.
Fazit: Die Stadträte und die Vertreter der beiden Fussballverbände haben zwar miteinander gesprochen, aber aneinander vorbei. Gestern waren weder Stadtpräsident Elmar Ledergerber noch die zuständige Stadträtin Kathrin Martelli für eine Stellungnahme erreichbar.
Gebeten, mit Absage zu warten
Zur schiefen Kommunikation gesellt sich eine weiteres Element, das diesmal allein den Schweizerischen Fussballverband in ein schlechtes Licht rückt. Gemäss SFV-Präsident Ralph Zloczower wollte die Credit Suisse (CS) bereits Anfang Juni das Hardturm-Projekt sistieren und bekannt geben, dass die Europameisterschaften nicht im Hardturm stattfinden können. Der Grossbank war schon damals klar, dass sich die Probleme mit dem Fahrtenmodell nicht so schnell auf dem Gerichtsweg lösen lassen. CS-Projektleiter Reinhard Giger teilte dies damals an einer Sitzung dem Vertreter des Schweizerischen Fussballverbands mit.
Zloczower bat Giger darauf, mit der Veröffentlichung des Entscheids noch zu warten. «Es war dafür ein schlechter Zeitpunkt, die EM in Portugal hatte gerade begonnen, wir waren anderweitig beschäftigt», sagt Zloczower. Er wünschte sich darum von der CS, «noch ein wenig weiterzumachen».
Es war allerdings nicht allein der schlechte Zeitpunkt im umtriebigen Portugal, der den Präsidenten diese Bitte aussprechen liess. Zloczower befürchtete, dass das Aus Zürichs die bei der Kandidatur für die EM 2008 unterlegenen Länder auf den Plan rufen könnte. Schliesslich hielten sich damals alle Verbände in Portugal auf. Die Verlierer hätten gemeinsam Stimmung gegen die Schweiz machen können. «Wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen», sagt er heute. Das heisst: Weil die Schweiz und Österreich nur sieben statt acht Stadien vorweisen können, kann ihnen Vertragsbruch vorgeworfen werden; die ganze EM ginge bachab.
Diese wohl nur sehr geringe Gefahr scheint inzwischen gebannt: Die Uefa hat am Mittwoch in einem Communiqué mitgeteilt, dass die Europameisterschaften auch mit sieben Stadien durchgeführt werden können. Allerdings steht dafür der Entscheid des Uefa-Exekutivkomitees noch aus. Das Gremium wird in zwei Wochen in Bratislava zusammenkommen und unter anderem über dieses Thema diskutieren.
QUELLE: Tagi