Stephan Keller, würden Sie den FC Zürich nicht lieber ganz verlassen?
Beim FC Zürich erlitt Stephan Keller (24) in der laufenden Saison einen herben Rückschlag. Als Captain und Abwehrchef in die Meisterschaft gestartet, hat die Klubleitung des Tabellenletzten in dieser Woche entschieden, den Verteidiger für ein halbes Jahr an einen anderen Verein auszuleihen. Dort soll sich dem Fussballer im Sinne einer Denkpause die Gelegenheit bieten, sein Leistungspotenzial wieder auszuschöpfen.
ZO/AvU: Stephan Keller, verstehen Sie die Ihnen vom Klub aufgebrummte halbjährige Denkpause als Rausschmiss?
Stephan Keller: Nicht unbedingt. Ich habe einen Vertrag mit dem FC Zürich bis am 30. Juni 2005. Aber wenn einem der Verein sagt, man dürfe vielleicht in einem halben Jahr wieder bei ihm spielen, dann ist das wenig erbaulich.
Es hiess, die Lösung mit der Denkpause kam in einem Gespräch mit Ihnen, Sportchef Fredy Bickel und Trainer Lucien Favre zustande. Hatten Sie dabei auch etwas zu sagen?
In diesem angeblichen Gespräch bin ich in drei bis vier Minuten über die Lösung mit der Denkpause informiert worden. Dabei hatte ich in keiner Weise das Gefühl, dass die Vereinsleitung mit mir das Gespräch suche. Ich intervenierte aber nicht. Das wäre sinnlos gewesen.
Warum?
Ich merkte, dass meine Argumente nicht ankommen würden. Eine Diskussion war nicht erwünscht. Ich wäre aus einer Position der Schwäche in die Diskussion gestartet. So habe ich beschlossen, diesen Entscheid einfach hinzunehmen.
Und wie beurteilen Sie diesen Entscheid?
Ich bin darüber natürlich sehr enttäuscht. Mehr will ich dazu aber nicht sagen.
Fühlen Sie sich denn als Buhmann für das schwache Abschneiden in der Meisterschaft?
Ich denke, dass ich in dieser Situation stellvertretend für die gesamte Mannschaft stehe. Der FCZ hat entschieden, in einer Phase grossen Misserfolges nicht wie branchenüblich den Trainer zu entlassen, sondern mit mir einen Spieler auszuwechseln. Ob das nun für den Verein gut war, wird sich zeigen.
Der FC Zürich sucht nun einen Leihklub für Sie. Müssen Sie dabei alles akzeptieren? Oder anders gefragt: Wo ist ihre Grenze?
Es ist nicht in erster Linie der FCZ, der einen Leihklub sucht. Sie helfen mir nur dabei, einen zu finden. Entscheiden kann ich am Ende selber, wo ich spielen will. Wenn sich keine gute Lösung finden lässt, muss ich beim FCZ eben auf der Tribüne sitzen. Diesen Umstand will ich und auch der FCZ auf jeden Fall verhindern, denn es würde meiner noch jungen Karriere als Fussballer schaden.
Landen Sie gar in der Challenge League?
Über die Klubsuche mache ich im Moment keine Angaben. Sonst werde ich wieder als arrogant abgestempelt. Das bin ich aber gar nicht.
Würden sie den FC Zürich nicht lieber ganz verlassen?
Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, wie sich das kommende halbe Jahr entwickelt.
Liebäugeln Sie denn mit einer Rückkehr?
Man soll nichts ausschliessen. Die Überlegung ist einfach: Wenn der FCZ in diesem Frühling erfolgreich ist, dann bleibt Trainer Favre im Amt, der mich nicht in seinem Team haben will. Dann kehre ich trotz laufendem Vertrag kaum zum FCZ zurück. Hat der Klub aber weiterhin keinen Erfolg, dann ist es möglich, dass Favre trotzdem entlassen wird und ich zurückkehren kann.
Werden Sie also nie mehr unter Favre spielen?
Ich sage nicht nie. Nach den Ereignissen der letzten Tage ist aber klar zu erkennen, dass Favre mich nicht in seiner Mannschaft haben will. Komisch an der ganzen Sache ist doch die, dass ich zu Beginn der Saison von Favre die Captainbinde bekam, dann eigentlich immer in der Stammformation stand und nun plötzlich abserviert wurde. Diese Vorgänge kann ich nicht nachvollziehen.
Begründete Favre seine Entscheidungen Ihnen gegenüber nicht mit mangelnder Leistung?
Favre hat nie etwas begründet, auch meine Absetzung als Captain nicht. Bei ihm mangelt es an Kommunikationsfähigkeit. Das ist seine grosse Schwäche. Auf diese Art kann man doch keine Mannschaft führen. Als Captain habe ich ihn manchmal darauf hingewiesen, dass er sich gegenüber dem Team besser ausdrücken muss. Als Captain muss ich ihm das doch sagen. Sonst braucht es keinen Captain. Favre hat zwar viel mehr Erfahrung als ich und besuchte in der ganzen Welt Fussballklubs. Das allein macht aber noch keinen guten Trainer aus.
Haben Sie sich damit bei Lucien Favre aufs Abstellgleis begeben?
Vielleicht. Wenn man einen Trainer auf Probleme hinweist, kann dieser das als Kritik auffassen. Wenn dann die eigene Leistung nicht hundertprozentig stimmt, ist es logisch, dass Konflikte auftreten.
Litt darunter die Stimmung im Team?
Die Kommunikation zwischen Trainer und Spielern war meiner Meinung nach immer ungenügend. Über den Teamgeist möchte ich mich hier aber nicht äussern.
Interview: Roger Kündig