Quelle: Blick
FCZ-Favre
Der Zerfall eines Trainers
«Dieses 0:2 kann mich den Job kosten»
VON CHRISTOPH GRAF UND UELI ZOSS
ZÜRICH – Zwei Bilder, ein Mann: Lucien Favre (46), FCZ-Trainer. Nur vier Monate liegen die Momentaufnahmen auseinander. Sie zeigen den strahlenden Favre beim Trainingsstart – und den verzweifelten Favre beim 0:2 vom Mittwoch gegen YB.
Nach dem Schlusspfiff gegen die Berner glaubte der Romand bereits: «Diese Niederlage kann mich den Job kosten.» Präsident Sven Hotz aber hält an Favre fest, zumindest bis zum Cupmatch morgen gegen Wangen bei Olten.
Im Fall von Favre geht es lange nicht mehr um die Frage, ob der einstige Supertechniker einen schönen Fussball lehrt, kluge Trainings organisiert und 24 Stunden lang für den Klub am Krampfen ist. Der FCZ ist Letzter, und es geht nur noch um die Frage: Kann sich Favre überhaupt wieder aufrappeln?
Kann er das Gewand des Jammers ablegen? Ein Trainer, der nur noch Mitleid erweckt, gewinnt nicht. Doch wer Favre während einer Partie anschaut, hat Angst um den mageren Mann, der verunsichert und mit gekrümmtem Rücken auf der Bank sitzt oder an der Linie steht, als würde ihn der nächste Windstoss wegblasen.
Als grosser Hoffnungsträger war er im Sommer gekommen, strahlend, voller Eifer und der Vision, den Letzigrund mit technischem Fussball zu verzaubern. Allerdings verbrauchte er das Transferbudget vor allem für zwei Spielmacher, Augustine Simo (25) und Artur Petrosyan (32), obwohl mit Sergio Bastida (24) bereits ein Passeur da war. Suchte Favre bei den Zuzügen zu sehr sein Ebenbild als Spieler und vernachlässigte dabei alles andere?
Sportchef Axel Thoma (39) hat Favre nie übermässig unterstützt und sagt: «Wäre nochmals Sommer, müssten wir andere Transfers tätigen.»
Boss Hotz fordert: «Favre muss das Spiel umstellen. Ich möchte nicht zehn Rück- und Querpässe sehen.»
Alhassane Keita (20), der Stürmer aus Guinea, reklamiert: «Ich bin unzufrieden beim FCZ.»
Vermag Favre in einem Zug das Spiel umzustellen, die Wünsche des Präsidenten und der Spieler zu erfüllen, selbstbewusst an der Linie zu stehen und dazu zu gewinnen? Oder hat ihn der Strudel des Unglücks schon vollständig erfasst, so dass kein Entrinnen mehr möglich ist?