Die FCZ-Trainerin Inka Grings sagt: «Der Weg ist noch weit. Gerade in der Schweiz. Da gibt es Dinge, die sind super ärgerlich»Am Mittwoch startet das Frauenteam des FCZ gegen Juventus Turin in das Abenteuer Champions League. Die Trainerin Inka Grings sagt, sie traue ihrem Team eine Überraschung zu. Und dass sie bezüglich der Nachfolge des Schweizer Nationaltrainers Nils Nielsen noch keine Gespräche geführt habe.
Interview: Nicola Berger, Dübendorf 18.10.2022, 11.30 Uhr
«Wenn die Leute da draussen dieses Interview lesen, werden manche wahrscheinlich denken: zu hart, zu schroff»: Inka Grings.
Ihr Team trifft in der Champions League auf den Titelhalter Lyon, Juventus Turin und Arsenal. Überwiegt die Freude über die attraktiven Gegnerinnen oder die Furcht vor übermächtigen Widersacherinnen?Natürlich die Freude. Die Champions League war ein erklärtes Ziel von uns. Es gibt nichts Besseres im Fussball. Dafür arbeiten unsere Spielerinnen in ihren Jobs. Und dann auch noch mal mit Vollgas auf dem Platz. Die Spielerinnen sollen die nächsten Wochen bewusst geniessen.
Servette mass sich letztes Jahr mit ähnlich starken Gegnerinnen. Das Torverhältnis nach den sechs Gruppenspielen lautete 0:23.Selbstverständlich haben wir den Anspruch, es besser zu machen. Das wird nicht einfach. Aber wir lassen uns unsere Träume nicht nehmen. Wenn wir unser Potenzial abrufen und mutig in die Spiele gehen, können wir auch solche Teams ärgern.
Apropos Ärger: Sie müssen sämtliche Heimspiele in Schaffhausen austragen . . .Es gab leider keine andere Lösung. Wir werden das Beste daraus machen. Schaffhausen hat ein wunderbares Fussballstadion.
Auf der Gegenseite werden Weltklasse-Fussballerinnen stehen, die von exzellenten Bedingungen profitieren. Wie viele Spielerinnen im FCZ arbeiten daneben in einem 100-Prozent-Pensum?Das sind so 8 oder 9. Für uns ist es schon ein grosser Schritt, dass wir inzwischen mit einer Gruppe von 10 bis 14 Spielerinnen zwei Mal unter der Woche am Vormittag trainieren können. Und dass wir über ein Dutzend Spielerinnen verfügen, die mehr oder weniger den Halbprofistatus haben.
Bei Ihrem Amtsantritt im Februar 2021 war das anders.Ja, davon waren wir weit weg. Wir haben punkto Professionalisierung seither nicht einen Schritt nach vorne gemacht. Sondern drei.
Wäre es anders, würden Sie heute kaum mehr in Zürich arbeiten. Sie gelten als ziemlich fordernd.Das ist schwierig zu sagen, aber ich bin sicherlich jemand, der Fortschritte in den verschiedensten Bereichen vorantreiben will.
Den Frauenteams des FCZ steht in dieser Saison mehr Geld zur Verfügung. War das ein Kampf? Oder haben Sie mit Ihren Begehren offene Türen eingerannt?Kampf würde ich nicht sagen. Wir hatten mit dem Doublegewinn ziemlich gute Argumente. Denn man darf schon nicht vergessen: Wir repräsentieren den FCZ genauso wie das Team der Männer. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Da ergibt es schon Sinn, dass die Bedingungen auch für uns stets verbessert werden.
Der Frauenfussball boomt seit geraumer Zeit. Als der FCZ gegen GC den Cup gewann, kamen über 7900 Zuschauerinnen und Zuschauer. Wie erleben Sie den Aufschwung?Man sieht jetzt immer mehr, dass es einen Markt für den Frauenfussball gibt. Dass es sich lohnt, den Frauenfussball zu fördern. Das ist nicht das gleiche Publikum wie bei den Männern. Es freut mich, wenn ich sehe, was gerade passiert. Die EM war ein enormer Erfolg, die hat viel bewegt. Und jetzt spielt das Schweizer Nationalteam vor fast 8000 Leuten. Noch vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen. Man muss aber auch sehen: Der Weg ist noch weit. Gerade in der Schweiz. Da gibt es Dinge, die sind super ärgerlich.
Was zum Beispiel?Als wir letzte Saison in Luzern gespielt haben, fand die Partie auf einem Nebenplatz statt. Während des Spiels haben Leichtathleten auf der Tartanbahn trainiert, mit aufgedrehter Musikbox. Oder: Der Verband hat unser Spiel gegen YB auf Samstagabend angesetzt, am Donnerstag zuvor spielen wir in der Champions League in London. Das sind nur kleine Dinge, ich will bloss sagen, dass wir noch eine Menge Arbeit vor uns haben. Wir verlangen ja nichts Unverschämtes: Eine Liga mit Spielerinnen im Halbprofistatus, das wäre schon was. Im Moment besteht noch sehr viel Verbesserungspotenzial. Schon nur das Verletzungsrisiko ist viel grösser, als es sein müsste, weil die Spielerinnen aufgrund der Arbeitsbelastung weniger Zeit zur Regeneration haben.
Inka Grings trifft fünfmal in die Torwand des «Aktuellen Sportstudios».
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Sie haben in der Vergangenheit mehrmals gesagt, dass Sie gerne wieder im Profifussball der Männer arbeiten würden. Wie sieht es heute aus, ändern die Fortschritte im Frauenfussball etwas an diesem Wunsch?Na ja, die Unterschiede sind schon nach wie vor gross. Ich sehe das bei uns: Die Leute in meinem Staff arbeiten alle tagsüber. Ich kann da nicht verlangen, dass jeder vier Spiele des Gegners gesehen hat. Auch wenn mir das schwerfällt. Ich fühle mich im FCZ sehr, sehr wohl. Und wir können hier auch einiges bewegen. Aber klar, irgendwann möchte ich in einem Umfeld arbeiten, in dem es zu allen 24 Stunden am Tag nur um Fussball geht.
Haben Sie sich nach der Entlassung Franco Fodas als Coach der Männer beworben?Ich bewerbe mich bestimmt nicht auf eine interne Stelle. Ich kann nur meine Arbeit für sich sprechen lassen. Jedenfalls: Es gab kein Gespräch in dieser Hinsicht.
Hat Sie das geärgert?Diese Frage werde ich nicht beantworten. Nur so viel: Ich traue es mir zu, im Männerfussball einen Verein zu übernehmen. Und sehe nichts, was dagegen sprechen sollte.
Sie sollen eine Kandidatin für die Nachfolge des Schweizer Nationaltrainers Nils Nielsen sein.Auch da hat es keine Gespräche gegeben.
Würde Sie das reizen: ein Nationalteam?Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, hätte ich Nein gesagt. Aber man wird reifer. Heute fände ich so eine Position schon interessant.
Fabienne Humm hat die Schweiz in der vergangenen Woche an die WM geschossen. Sie ist Ihre Captain beim FCZ. Was zeichnet sie aus?Sie ist meine rechte Hand hier. So ein toller Mensch, so ein feiner Charakter. Sie arbeitet sehr hart. Und sie verfügt über diesen Instinkt, wie ihn nicht viele Spielerinnen haben. Das Tor gegen Wales war ein typisches Fabi-Tor. Ich habe mich wahnsinnig für sie gefreut.
Im Sommer sagten Sie in einem TV-Interview, in Ihrer Wahrnehmung werde in der Schweiz zu oft zu klein gedacht. Was haben Sie gemeint?Mich nervt, wenn man sich kleiner macht, als man ist. Und diese Tendenz stelle ich in der Schweiz schon fest. Das gilt auch für das Nationalteam. Da gibt es Weltklasse-Fussballerinnen, die seit vielen Jahren in grossen Ligen spielen. Da darf man schon mit einem gewissen Selbstbewusstsein auftreten. Bei den Männern ist es das Gleiche. Ich finde, man darf schon mal sagen: «Jetzt wollen wir in den Halbfinal.» Ich weiss, es ist ein schmaler Grat zur Arroganz. Wichtig ist, dass man dann auch abliefert. Ich denke, das wandelt sich gerade. Unsere Spielerinnen im Nachwuchs nehmen sich nicht zurück und wollen es nicht allen recht machen. Das wird eine spannende Generation.
Sie scheuen sich selten, eine klare Meinung zu äussern. Kommt es vor, dass Sie mit Ihrer Art in der Schweiz anecken?Klar. Wenn die Leute da draussen dieses Interview lesen, werden manche wahrscheinlich denken: zu hart, zu schroff. Damit kann ich jedoch leben. Ich habe meine Ansichten, aber nicht den Grössenwahn, um zu finden: Das, was ich sage, ist Gesetz.
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