Beitragvon zberg » 16.04.15 @ 11:40
ziemlich trauriger text heute im tagi. das bittere ist, dass er wahrscheinlich recht hat.
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Letzte Woche sassen wir in der Beiz und versuchten zu verstehen, warum der FC Zürich viermal hintereinander verloren hat, als die Tür aufging und ein Kollege hereinkam, anderthalb Monate war er auf Reisen gewesen. «Wieder da?», riefen wir – nur nicht zu viel Emotionen zeigen. «Genau rechtzeitig», antwortete er, «um den FCZ tauchen zu sehen.»
Das war, noch bevor unser Club in Basel auf Grund ging, mit der Roten Karte und den Hooligans. Der Kollege zahlte eine Runde und suchte seinen Platz in der Diskussion, es gab grob gesagt zwei Gruppen. Die einen sagten, mein Gott, es gibt immer ein Auf und Ab mit dem FCZ, wir haben auch schon in der Nati B gespielt. Menschen, die so argumentieren, sind treue Seelen. Ihnen ist wichtig, wo sie hingehören. Von diesem archimedischen Punkt aus sehen sie den Fussball als grosses Theater, es gibt Wichtigeres, denken sie, Ereignisse, die einem tatsächlich den Schlaf rauben, der IS in Syrien oder Boko Haram oder die Wahlen vom letzten Wochenende.
Und dann gibt es andere, ich zähle mich auch zu denen, die sich sagen, mein Gott, warum strafst du uns mit diesem FCZ? Dabei hat die Mannschaft eine gute Vorrunde gespielt. Dann verletzten sich ein paar wichtige Spieler, und Yassine Chikhaoui, der tunesische Star der Mannschaft, kam müde und demoralisiert vom Afrika-Cup zurück. Von da an ging es abwärts. Die grosse Frage war: Ist das jetzt eine momentane Formkrise oder etwas Grundlegendes? Ich habe herumgefragt. Leute getroffen, die Einblick haben. Jetzt weiss ich: Die Lage ist ernst.
Ein Freund mit guten Beziehungen, der gern mit Fussballern essen geht, erzählte, es gebe schon freie Logen im Letzigrund. «In Basel will jeder ein Sponsor sein, es gibt eine Warteliste. Bei uns wird einer, der den FC Zürich unterstützt, komisch angesehen.» Der Club habe kein gutes Image, sagt er. Es gebe zu viel Unruhe, entlassene Trainer, bestrafte Spieler, entmachtete Sportdirektoren. Noch schlimmer: Erfolgreiche Jugendtrainer verlassen den Club, den Präsidenten nimmt niemand richtig ernst, und die Präsidentengattin mischt sich in Belange ein, von denen sie wenig versteht.
Ein langjähriger Sponsor sagte mir etwas traurig, die Führung des FC Zürich habe schlicht zu wenig Klasse und Fussballverstand, um auf die schwierige Lage zu reagieren. Und ein Spieler erzählte meinem Freund, in der Vorrunde sei es gut gelaufen, weil die Spieler auf dem Feld untereinander die Taktik abgemacht hätten. Doch jetzt seien ein paar Führungsspieler verletzt, und vom Trainer kämen keine Ideen.
Kürzlich fuhr ich mit der S-Bahn von Oerlikon in den HB, vorbei an den neuen Überbauungen zwischen Escher Wyss und Hardturm, mit den netten Spielplätzen. Hunderte von Familien werden da einziehen, Hunderte von Kindern werden Fussball spielen, Hunderte von Vätern werden am Wochenende ihre Söhne und Töchter an der Hand nehmen und einen enttäuschenden Match sehen, in einem halb leeren Stadion. Sie tun mir jetzt schon leid.