Er wird irgendwann mal weg sein
Von Thomas Schifferle
Früher hatte der FC Zürich Köbi, Fritz und Rosa, den Wiediker, Glarner und Tessiner. Jeder wusste: Mit Nachnamen hiessen die Idole Kuhn, Künzli und Martinelli. Sie waren Meister, Cupsieger und Halbfinalisten im Meistercup.
Die Internationalität hat auch beim FCZ längst um sich gegriffen, wenn er Mittwochabend gegen Besiktas Istanbul versucht, den ersten Schritt zu frischem europäischem Ruhm zu machen.
Aus dem Meistercup ist die Champions League geworden, und die lokalen Zürcher Helden kommen aus Frankreich, Finnland, Tunesien, Nigeria und Brasilien.
Einer heisst Raffael, ganz besonders Raffael.
Spieler wie er heissen in der Branche: Star. Er strahlt über allen anderen, weil er besser ist als sie und eleganter, er veredelt das Spiel des Meisters mit seiner Kreativität und seiner fussballerischen Intelligenz, er krönt es mit seinen Toren, Raffael ist einer dieser Spieler, die zum Schwärmen verleiten. Dabei steht manchmal auch er eine Stunde lang nur auf dem Platz und bewirkt nichts. Dann jedoch genügt ein Moment, um ein ganzes Spiel zu verändern, ein Dribbling, ein Pass oder ein Tor.
Mit 18 kam Raffael aus São Paulo nach Chiasso. Er war scheu und introvertiert, aber er schoss die Tore, die ihn zwei Jahre später nach Zürich brachten. In seinem ersten Derby gegen GC traf er gleich zweimal. «Ein neuer Prinz im Letzigrund», schrieb der «Ta- ges-Anzeiger» in jenem Juli 2005. Sein Charakter hat sich seither nicht geändert, aber sein Stellenund Marktwert. Er wird viele Millionen kosten, wenn er den FCZ dereinst verlässt. Ein Angebot aus Russland über zehn Millionen Euro hat der Klub im Frühjahr bereits einmal ausgeschlagen.
Der Wegzug des Brasilianers ist absehbar, «in sechs, acht, zwölf Monaten», rechnet Zürichs Sportchef Fredy Bickel vor. Wenn es nach dem Wunsch von Hertha Berlin und Lucien Favre geht, aber noch viel schneller. Favre möchte ihn sofort zu sich holen. Und weil er sich zudem an Verteidiger Steve von Bergen interessiert zeigt, baut sich der FCZ den früheren Trainer zum Feindbild auf und verirrt sich kurz vor der ehrgeizigen Expedition gegen Besiktas in Vorwürfen, die nur eines zeigen: Der Klub ist nervös.
Raffael ist unbeeindruckt von allem. Er geht auf den Platz und seiner Arbeit nach. Nervös kann der Präsident sein, der Trainer, der Sportchef, aber er ist es nicht. Auf dem Platz ist er der leidenschaftliche Spieler, der den Fussball «riecht und lebt», sagt sein Trainer Bernard Challandes.
Am Freitag gegen St. Gallen hat Raffael sein 28.
Tor im 65. Spiel für die Zürcher erzielt.
Auf 200 000 Franken wird sein Grundsalär geschätzt. Das ist normalerweise sehr viel für einen 22-Jährigen. In dem beruflichen Umfeld, in dem sich Raffael bewegt, entspricht das einem für Spitzenkräfte gängig gewordenen Wochenlohn.
Und wenn er die Familie um sich herum hat und sie ihm erzählt, was andere so verdienen, beginnt auch er nachzudenken. Die Zukunft wird auch für ihn kommen. Er hat es im Fuss, mitzubestimmen, wann das sein wird. Denn wie sagt Fredy Bickel: «Es kann sein, dass sich Raffael nach einem 0:2 am Mittwoch fragen würde: Was will ich noch in Zürich?»
Q: TA vom 13.08.07
Wenn das mit den 10 Millionen Euro stimmt, dann frag ich mich, worauf der Vorstand noch wartet.