Aus dem Tagi von heute, ist aber wohl kaum eine Anspielung auf uns... ;)
Die CSU feiert heute beim politischen Aschermittwoch in Passau ihren abtretenden Parteichef und brüllte «Pauli raus!». Die Stoiber-Kritikerin brauchte Polizeischutz.
Von Sascha Buchbinder, Passau
Ein Parteifunktionär steht auf der Bank, wiegt die Hüften, schwenkt die Bayernfahne und singt: «Oh wie ist das schön!» Vor ihm steht eine Batterie geleerter Masskrüge. Wir sind beim politischen Aschermittwoch der CSU im bayerischen Passau. Hierhin, in eine Messehalle, lädt die CSU jedes Jahr zum grössten Stammtisch Deutschlands.
Der Glanz der CSU
Eigentlich ist der Aschermittwoch das Ende der ausgelassenen närrischen Karnevalstage. Trotzdem ist der politische Aschermittwoch kein besinnlicher Anlass. 6000 hartgesottene Anhänger lädt die Partei jedes Jahr in die Halle. Sie geben den Resonanzboden, der es dem Vorsitzenden erlaubt, einmal so richtig auf den Putz zu hauen. In Passau erklärt sich, laut CSU, der «besondere Glanz» der Partei.
Fest steht, dass dieser Anlass etwas Besonderes ist. Schon deshalb, weil der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber heute seinen letzten grossen Auftritt hat. Und die Partei ist entschlossen, ihren scheidenden Chef noch einmal richtig zu feiern. Ein Hochamt, ein Fest, hatten Funktionäre schon beim Presseabend tags zuvor angekündigt. Um das wahr zu machen, die Stimmung auf die gewünschte Höhe zu bringen, verfügt die Partei über ein erprobtes Instrument: den Zapfhahn. Die Menge an Biernachschub, den Kellnerinnen in riesigen Krügen in die Halle schleppen, beeinflusst die Atmosphäre sehr direkt.
«Hier ist die Südkurve der CSU», schmeichelt Stoiber die Anwesenden. Tatsächlich erinnert die Menge im Saal je länger je mehr an eine Horde Polit-Hooligans. Viele sind in aller Herrgottsfrühe nach Passau gekommen - etliche waren schon morgens nicht mehr nüchtern. Punkt 9 dann stürmten sie den Saal, überrannten einfach Polizei und Ordner, um sich einen Sitzplatz zu sichern. Und dann wurde weiter gezecht, bis zum Schluss von Stoibers Rede, um 13.30 Uhr, die Gefühle zu entgleisen drohen.
«Pauli raus! Pauli raus!», schreit der Saal. Die Landrätin Gabriele Pauli, die Stoiber wochenlang zu einer Mitgliederbefragung über den Spitzenkandidaten für 2008 aufgefordert hatte, gilt als Königsmörderin. Neun Personenschützer zieht die Polizei zusammen, um zu verhindern, dass der CSU-Politikerin im VIP-Bereich etwas geschieht. Pauli selbst nimmt es gelassen. Mit einem Lächeln als Maske erklärt sie der Presse: «Gut, dass ich hergekommen bin.» Im Saal seien viele Stoiber-Anhänger: «Die können den Wechsel eben noch nicht nachvollziehen. Aber das passt scho.» Zum Teil hat sie den Tumult sogar provoziert: Eigentlich war Pauli schon sehr früh angekommen. Sie hätte also still und leise ihren Platz einnehmen können. Doch sie entschied sich, kurz vor 10 Uhr durch die volle Halle einzuziehen - umringt von Polizisten, die die wütend aufschreiende Menge, nur knapp zurückzuhalten konnte.
«Wo der Teufel seine Macht verspielt hat, schickt er ein Weib», hat ein betagter Stoiber-Fan auf sein Schild gemalt. Die Welt der Menschen hier im Saal ist eine sehr eigene. Stoiber selbst behauptet, dass hier das Volk versammelt sei. «Hier in Passau spricht die Stimme des Volkes», behauptet er. Dieses Volk allerdings besteht überwiegend aus älteren, beleibten Männern und wenn es spricht, dann mit schwerer Zunge und meist nur, um mehr Bier zu verlangen. Wenn es jubelt, dann im Wissen, dass die Bayern besser sind als alle anderen.
Stoiber trägt Lodenjacke und spricht fast drei Stunden. Er hält eine Rede, die die Massstäbe der CSU deutlich machen soll. Im Wesentlichen ist es ein Hochamt des Konservatismus: «Wir sind christlich und konservativ. Wir sind gegen Spätabtreibung», ruft er in den Saal. Als das keinen Applaus einträgt, bringt er einen anderen Evergreen aus dem konservativen Fundus: «Ich sage: Das Kreuz gehört in die deutschen Schulen, Parlamente und Gerichtssäle.» Der Saal tobt, genauso wie beim Slogan: «In Deutschland gilt noch immer das Grundgesetz und nicht die Sharia.» Neu ist eigentlich nur, dass Stoiber den Umweltschutz als ein Thema erkannt hat, das genauso wichtig sei wie Frieden im Nahen Osten oder die Lösung des Irankonflikts.
Das muss er dann doch etwas näher erklären. Denn bisher war das verbale Eindreschen auf grüne Umwelt- und Landwirtschaftsminister ein sicherer Wert gewesen, um die Landwirte im Saal auf Touren zu bringen. Nun erklärt Stoiber, dass das Bewahren der Schöpfung ein zutiefst konservatives Projekt sei und deshalb ein Herzensanliegen der CSU. Zugleich versichert er den Wählern, dass CSU-Umweltpolitik für sie keine Unannehmlichkeiten bedeutet: Weil nämlich der Autoverkehr nur 12 Prozent der CO2-Emissionen verursache, wogegen 40 Prozent allein die Energieversorger zu verantworten hätten.
Für Frau, Kind und Enkel
Und ganz zum Schluss, da wird der Aktenfresser, der als blutleer verschriene Stoiber, unvermittelt persönlich. «Ich gebe zu: Für den Dank an meine Frau blieb mir oft zuwenig Zeit», erklärt er und holt das dann nach. Dankt ihr für die Unterstützung. Wladimir Putin habe ihn gefragt, weshalb er abtrete. Weder Medien noch Geheimdienst hätten ihm die Frage beantworten können, habe Putin geklagt. Stoiber lächelt und erzählt dann seine Version: Weil es ihm nie um Ämter oder Posten gegangen sein. Auf seinem Tisch stünden die Bilder seiner Kinder und Enkel und für die, für die Zukunft habe er gearbeitet, erklärt er, und die Halle rast. «Edmund-Edmund» rufen sie und dann wieder hasserfüllt: «Pauli-raus!»