Beitragvon Blerim_Dzemaili » 19.12.07 @ 7:07
METZ – Glamour, Geld und Groupies? Das Leben eines Fussball-Profis ist weniger spektakulär, als gemeinhin angenommen. BLICK begleitete Daniel Gygax (26), Schweizer Internationaler und Profi beim französischen Tabellenletzten FC Metz, an einem ganz normalen Arbeitstag.
9.30 Uhr, Stadion Saint-Symphorien: Tief hängen die Wolken über Lothringen. Wie schon in Zürich üblich, trabt Daniel Gygax als Letzter seines Teams auf die Trainingsplätze unweit des architektonisch reizlosen Stadions. Im Hintergrund rumpeln ununterbrochen LKW über die A31, welche die 125 000-Einwohner-Stadt Metz mit Luxembourg verbindet.
Während Trainer Francis De Taddeo mit den Abwehrspielern Standardsituationen übt, sind die Offensivkräfte auf Platz 2 und betätigen sich mit Schussübungen. Die Qualität des Gezeigten korrespondiert mit der Tabellenlage des FC Metz.
Ein paar Dutzend Zuschauer stehen am Platz, die Hände tief in ihre Jackentaschen gesteckt. «Es läuft schlecht», fasst ein älterer Herr zusammen. Wer immer verliere, der gerate in eine Negativspirale. Aufsteiger Metz ist Tabellenletzter der Ligue 1, hat von 18 Spielen nur eines gewonnen.
Die grossen Zeiten, so man davon überhaupt sprechen kann, des FC Metz liegen in den 80er-Jahren: ein Cupsieg und ein zweiter Platz in der Meisterschaft. Immerhin.
Später baute der jetzige Cheftrainer De Taddeo das «Centre de Formation» auf, aus dem Talente wie Louis Saha, Robert Pires oder Togos Superstar Emmanuel Adebayor hervorgingen.
«Das Problem ist, dass wir die guten Spieler nicht halten können», sagt der ältere Herr und zuckt mit den Schultern, «und was hier ist, das sehen Sie ja selbst …»
Hier ist auch Daniel Gygax. Im Mai noch als bester Spieler der Ligue 2 geehrt, kam der Schweizer in dieser Saison nicht auf Touren. Entsprechend zweigeteilt ist die Antwort seines Trainers, ob er zufrieden sei mit «Schigax»: «Ja, weil er sehr talentiert ist. Nein, weil er sein bestes Niveau nicht abruft.» Aber, so De Taddeo, er habe Verständnis: «Schliesslich war er oft verletzt.»
Drei Muskelfaserrisse in einem Jahr, um genau zu sein. Gygax lakonisch: «Oberschenkel rechts, links, Wade.»
Viel für einen, der noch nie ein Spital von innen gesehen hat. Auch die letzten beiden Runden vor der Weihnachtspause sollte der Söldner verpassen – wieder zwickt es ihn im Oberschenkel.
12.30 Uhr, Thionville, Restaurant Le Concorde. Die Chefin, ein blondiertes Schlachtschiff aus den frühen 60er-Jahren, schürzt ihre aufgespritzten Lippen – «Mon dieu, was für ein schöner Mann!» – und drückt Daniel Gygax an ihren imposanten Busen.
Dieser schmunzelt: «Wenn du hier einer Frau nur die Hand gibst, kommt das fast einer Beleidigung gleich. Die Leute sind unglaublich zutraulich.»
Das Restaurant Concorde ist das beste Haus in Thionville, rund 30 Kilometer nördlich von Metz.
Ein Metz-Fan hat auf der Website ein Treffen mit Daniel Gygax gewonnen. Auch das gehört zum Job eines Berufssportlers. Im Wettbewerb ging es sowohl um den FC Metz als auch um Musik. Und da der Immobilienmakler Oswald Berteaux, so der Name des glücklichen Gewinners, in seiner Freizeit gerne am Mischpult steht, entwickelt sich eine angeregte Diskussion zwischen ihm und Gygax. Bald schon wummern harte Beats durch das edle Ambiente des Concorde.
Das Lokal ist atemberaubend: Es liegt im neunten Stock des einzigen Hochhauses von Thionville. Das Auge des Gastes schweift über eine pittoreske Altstadt und die träge dahinfliessende Mosel, hinauf zu den sanften Hügelzügen Lothringens. An klaren Tagen erkennt man am Horizont sogar die Kühltürme des Atomkraftwerks Cattenom.
17.30 Uhr, Metz Sainte-Ruffine: Daniel Gygax hat sich viel Zeit gelassen mit seinem Fan: «Das war einer der angenehmsten Fan-Termine, die ich je hatte. Der versteht wirklich etwas von Musik.»
Erst gegen halb sechs – nachdem er in einem Supermarkt unterwegs etwas Reis und Pouletfleisch für sein Abendessen eingekauft hat – trifft er in seiner Wohnung in einem Vorort von Metz ein.
1000 Euro bezahlt er für die Junggesellen-Bude. Die Wohnung ist einfach eingerichtet. Kein Luxus, kein Schnickschnack: «Ich brauche keinen Palast.»
«Und keine Uhren für 5000 Franken, weder Boss noch Dolce und Gabbana.» Die einzige Extravaganz, die sich Gygax leistet, ist sein neues Auto: Ein schnittiges Coupé mit einer ganzen Herde von Pferdestärken unter der lang gezogenen Motorhaube.
Gygax weiss, dass er als Fussballer ein privilegiertes Leben führt. Er ist zufrieden, will sich auch nicht
beklagen.
Aber: «Wichtig ist der Charakter eines Menschen. Ich möchte als Person geschätzt werden, nicht als Fussballstar.»
Zu Hause sucht und findet Gygax Entspannung – na klar – in der Musik. Um abzuschalten, schaltet er auch oft die Playstation ein. Fürs Foto schiebt er «Pro Evolution Soccer» in die PS3. «Es war anfangs ziemlich schräg, mit meiner eigenen Figur zu spielen», so Gygax, «aber man gewöhnt sich dran. Vor allem, weil sie mich recht gut hingekriegt haben.»
Vor allem der charakteristische, etwas hüpfende Laufstil des flinken Offensiv-mannes ist erstaunlich naturalistisch. An der Konsole wird der reale Gygax zum Egomanen: Hat sein virtuelles Alter-Ego mal den Ball am Fuss, gibt er ihn so schnell nicht wieder her …
Auf seinem riesigen Bildschirm flimmern nicht nur Spiele. Gygax empfängt in Metz sogar das Schweizer Fernsehen: «Für mich ist das ein bisschen Heimat.» In die Schweiz zurück will er nicht. In Metz hat er einen Vertrag bis 2010. Ob er ihn auch im Falle eines wahrscheinlichen Abstiegs erfüllt, ist allerdings fraglich.
Trotz desperater Tabellenlage fühlt sich Daniel Gygax wohl in Metz, bereut er seinen Wechsel von Liga-Konkurrent Lille keineswegs.
«Die Leute hier sind viel herzlicher als in Lille. Ich habe ehrlich gestaunt, als ich hierher kam.» Nicht nur über die Zutraulichkeit der Patronne des Le Concorde …
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