Offener Brief des Fanprojekts Basel
Saisonstart – und nun?
Ein Neubeginn, ein frischer grüner Rasen, eine neue Basis untereinander wird gefordert nach all den Wochen voller Schimpf und Schande. Zu Recht, aber wie ist dies in der jetzigen emotional geladenen Situation zu bewerkstelligen? In den vergangenen Wochen wurden neue Reibungsflächen zwischen den Fans und zum Verein geschaffen. Enttäuschung, Frust und Resignation liest man aus den verschiedenen Stellungnahmen wie auch aus den beschlossenen Massnahmen.
Nicht einfach ist es so auch für uns, mögliche Lösungswege aufzuzeigen. Den Fans zum Beispiel vorzuschlagen, den Massnahmenkatalog ohne Gegenreaktion zu akzeptieren ist genau so wenig vertrauensbildend und somit Erfolg versprechend, wie zu schweigen und den Dingen zu harren die jetzt kommen – die den FCB und seine Anhänger vor noch grösser Probleme stellen könnten.
Eines ist für uns jedoch klar: Sich weiter voneinander distanzieren und gegenseitig in Frage stellen macht die Situation nicht einfacher. Ein schmerzhafter und langwieriger Weg mit vielen Rückschlägen und Frustrationen steht uns ansonsten bevor!
Dies macht natürlich alles komplexer und jede interessierte und verantwortliche Person wird gezwungen, sich mit dem anderen auseinander zu setzen, zuzuhören und diesen zu verstehen. Gleichzeitig ist es wichtig, dem Anderen Verständnis für seine Position und Befürchtungen entgegen zu bringen um überhaupt in eine offene Diskussion zu gelangen. So erkennen wir aus den vergangenen Gesprächen folgende Positionen:
Viele Fans aus der MK fürchten sich um die kreative und emotionelle Fankultur in der Kurve. Resignation durchmischt sich mit einer Existenzangst für etwas, das man lieb gewonnen hat, für das man seine Emotionen hergibt. Der Fan in der MK ist am „Anschlag“.
Der FCB fürchtet ebenfalls um die kommenden Wochen. Medien und Öffentlichkeit beobachten jeden Schritt und Tritt des Vereins und seinen Fans. Ein noch strengerer Sanktionen- und Busskatalog liege beim Verband bereits in der Schublade. Auch hier geht’s ans Eingemachte.
Basel United diskutiert Anpassungen an der Stadioninfrastruktur und ist zugleich bei jeder Massnahme mit zig dagegen und dafür Argumenten konfrontiert. Jedes Handeln löst ein nächstes aus. Gibt es überhaupt DIE richtigen Massnahmen…?
Das Fanprojekt wird von vielen Seiten mit Erwartungen, Fragen und Forderungen überhäuft, gleichzeitig aber aussen vor gelassen. Wir fragen uns, macht Fanarbeit so überhaupt noch Sinn? Welche Verantwortung haben wir gegenüber den Fans, dem Verein und der Öffentlichkeit?
Auch die Polizei, so denken wir, steht mit Blick auf die EM08 unter enormem Druck und jeder lokale Match wird zum Gradmesser.
Einseitige Forderungen und Massnahmen bringen uns in der jetzigen Situation nicht weiter. Erst das übergeordnete Verständnis, dass wir alle mit dem und für den FC Basel verbunden sind kann ein gemeinsames Handeln ermöglichen.
Dabei ist es unwichtig, ob wir die Schlussfolgerungen und Handlungen bis aufs letzte ausdiskutieren. Aber es ist wichtig, dass sich Fans, Verein, Polizei, Fanprojekt etc. ihren Handlungen und Reaktionen in nächster Zeit bewusst sind und welchen Einfluss sie auf die vorgängig aufgeführten “Mitspieler“ haben. Der FCB funktioniert weder als Verein alleine noch funktioniert eine Fankurve ohne FCB.
Gleichzeitig ist es jedoch notwendig, in Basel als Fussballstadt, eine breit geführte Diskussion über Fankultur zu führen. Fragen stehen in Raum, wie: Wer und was macht die Stimmung an einem Fussballspiel aus; welche Generationen und Typen wirken an einer Fankultur mit; was sollten wir als Realität in einem Fussballumfeld betrachten und welche verschiedenen Facetten lassen wir in einem Fussballstadion zu; kann man DIE ideale Fankultur überhaupt erschaffen?
Diese und weitere Fragen müssen in einem offenen Dialog mit den betroffenen Personen und Parteien angegangen werden. Heute macht es den Anschein, als möchte jeder seine Sicht von Fankultur dem Anderen aufdrängen.
Einfacher macht es uns, wenn wir trotz allem wieder den Mut haben auszusprechen, dass Basel eine der kreativsten und verwurzelsten Fankurven besitzt und dies über die Landesgrenze hinaus. Dass die MK ein interessantes und spannendes „Biotop“ an Jugendkultur und alt eingesessenen Fans ist, welches in seinen Reihen eine einzigartige Energie entwickeln kann. Wir dürfen uns auch über unsere MK freuen und dies ist nicht als Augenwischerei des Fanprojektes zu sehen, sondern entspringt aus unseren vielfältigen Begegnungen und Erfahrung mit Fans der MK und entspricht sicher auch vielen Erfahrungen anderer MatchbesucherInnen.
Das Fanprojekt ist gerne bereit diesen Dialog zu führen und hat diesen anfangs Jahr in einer dafür eingesetzten Plattform (mit Vertretungen des FCB, Basel United, Polizei, off. –und inoff. Fangruppierungen und Fanprojekt) begonnen. Wir möchten aber in den kommenden Wochen auch erkennen, dass eine ernst gemeinte Diskussion erwünscht ist. Prävention ist nicht Schadensbegrenzung. Es kann nicht die Strategie sein, präventive Mittel einzusetzen um repressive Massnahmen zu begründen resp. ihre Folgen aufzufangen. So würde Fanarbeit keinen Sinn machen und könnte als Alibiübung eingestellt werden.
In der Fanarbeit leistet Basel Pionierarbeit in der Schweiz und auch für das Fanprojekt gilt es sich ständig kritisch mit sich selber auseinander zu setzen, sich zu hinterfragen und sich auszutauschen. Es gilt aber auch für die anderen „Player“ rund um den Fussball den Dialog mit uns zu führen und nicht einfach Erwartungen zu formulieren ohne sich mit uns und unserer Arbeit auseinander gesetzt zu haben.
Fanprojekt Basel
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