Gemeinsame Heimat für GC, FCZ und ZSC
Das Stadion Zürich ist blockiert, das Hallenstadion für die ZSC Lions ein grosses Handicap. Jetzt diskutieren die drei Zürcher Grossklubs eine multisportive Arena in Zürich-West.
Hinter verschlossenen Türen wurde bei den drei Zürcher Grossklubs in den letzten Tagen und Wochen eine verlockende Idee diskutiert. Eine Idee, die eigentlich nahe liegt und trotzdem in jüngerer Vergangenheit nie weiter verfolgt wurde: eine gemeinsame Heimat für die Grasshoppers, den FC Zürich und die ZSC Lions.
Die beiden Fussballklubs spielen seit etwas mehr als zwei Monaten im multifunktionellen Letzigrund, der wegen zahlreicher Mängel (Sicht, Stimmung, Restaurationen, Logen) keine Heimat auf Dauer sein kann. Wegen der Verzögerungen beim Hardturm-Projekt, das ursprünglich auf die EM 2008 realisiert werden sollte, haben sie erst für 2013 oder 2014 ein «reines» Fussballstadion in Aussicht. Der Eishockeyverein verliert im neuen Hallenstadion pro Saison vier bis fünf Millionen Franken und überlebt nur dank Verwaltungsratspräsident Walter Frey.
Angesichts der ähnlich gelagerten Probleme der Klubs warfen die Zürcher Architekten Ernst Meier und Walter Wäschle die Frage auf: Weshalb spannen die Vereine nicht zusammen? Wäschle ist Mitinhaber des Architekturbüros Atelier WW, Ernst Meier von Meier + Steinauer ist einer der Baumeister der ZSC Lions und noch immer Präsident des «alten ZSC». Mit ihrer Vision – sie sprechen vom Durchtrennen eines «Gordischen Knotens» – stiessen sie bei den beteiligten Vereinen auf offene Ohren und sogar Begeisterung. Und so trieben sie die Idee weiter. Heute liegt ein interessantes Projekt vor. Mit Vertretern der Klubs wollen es die Büros nun weiterentwickeln, vor allem bezüglich Kosten- und Ertragsseite.
Eine andere Dimension
Vorgesehen ist ein Fussballstadion für 22'000 Zuschauer und eine Eishockeyhalle mit Ganzjahresbetrieb und 10'000 Plätzen, dazwischen unter einem gemeinsamen Dach ein Mittelbau mit Kabinen, Trainingsräumlichkeiten, Restaurants und VIP-Bereich. Eine wichtige wirtschaftliche Komponente wären zahlreiche Logen in beiden Arenen.
Ein solches Projekt ist grundsätzlich überall denkbar. Angesichts der aktuellen Patt-Situation auf dem Hardturm-Gelände, das der Trägerschaft des Stadions Zürich (Credit Suisse und Stadt Zürich) gehört, wäre jener Standort nahe liegend. Die Frage, ob ein Fussballstadion mit 30'000 Sitzplätzen plus Einkaufszentrum im Westen der Stadt noch Sinn mache, ist nicht neu. Von Fussballseite wurden Stimmen laut, die ein Stadion in realistischerer Grösse mit beschränkter Mantelnutzung als zweckmässiger bezeichnen.
Neu wäre nun, dass man mit einem multisportiven Projekt gleichzeitig die akuten Probleme der ZSC Lions lösen und Synergien kreieren würde. Zudem würde der Verzicht auf ein Shoppingcenter den Vorteil mit sich bringen, dass die Spielfelder ebenerdig angelegt werden könnten, das Dach rund 20 Meter weniger in die Luft ragen würde. Das würde dem Kritikpunkt Schattenwurf Rechnung tragen, über den das Bundesgericht im nächsten Jahr befindet. Bei einem abschlägigen Entscheid müsste sich die Trägerschaft ohnehin neu orientieren.
Auch hier ein weiter Weg
Von konkreten Zeitplänen ist man beim Projekt einer Arena für Fussball und Eishockey in Zürich-West noch weit entfernt. Aber der neue Letzigrund zeigt, wie schnell selbst in Zürich ein Stadion realisiert werden kann, wenn alle Parteien am gleichen Strick ziehen. Die Unterstützung der Zürcher Grossklubs ist ein Anfang. Die grösste Hürde besteht darin, die Stadt – allen voran Stadtpräsident Elmar Ledergerber sowie die Credit Suisse zu motivieren, sich vom ursprünglichen, prestigeträchtigen EM-Projekt zu lösen. Ledergerber will davon aber nichts wissen. Er sagt: «Die Frage, ob die neue Idee gut ist oder nicht, stellt sich für mich nicht. Diese neue Idee kommt als Störung in letzter Minute und fügt dem jetzigen, guten Projekt unnötigen Schaden zu. Die Stadt bietet dazu keine Hand.» Auch für die CS steht momentan das ursprüngliche Projekt des Stadions Zürich im Vordergrund.
Ohne Einvernehmen mit der Stadt und der CS als Grundstücksbesitzern geht es nicht. Und klar ist auch: Ohne potente Geldgeber kann auch ein Stadion nicht realisiert werden, das mit geschätzten 200 Millionen Franken deutlich weniger kosten würde als die vermeintliche EM-Arena (350 Mio. inklusive Einkaufszentrum).
ZSC Lions unter Zeitdruck
Den ZSC Lions, die auch Projekte in Zürich-Nord und ausserhalb der Stadt prüfen (Holberg-Areal, Wallisellen), würde ein Stadion mit GC und dem FCZ eine eigene Heimat bescheren, wo sie spielen, trainieren und wirtschaften könnten. Dass der Beginn ihres sportlichen Kriechgangs mit dem Einzug ins neue Hallenstadion im Herbst 2005 zusammenfällt, ist kein Zufall. Ihr abenteuerlicher Spielplan ist nicht nur finanziell, sondern auch sportlich ein grosser Nachteil. Die ZSC Lions müssen ihr Stadionproblem lösen und stehen unter Zeitdruck. Bei der Variante auf dem Hardturm-Gelände würden sie der Stadt erhalten bleiben, näher an den Kern rücken und vielleicht neue «Kunden» erschliessen.
Eine gemeinsame Spielstätte für die drei Klubs würde neue Möglichkeiten eröffnen. Es würden am gleichen Standort wöchentlich mehrere Sportevents stattfinden. Fussball- und Eishockeyfans könnten die gleichen Parkplätze benutzen, in den gleichen Restaurants essen. Bei Betrieb und Unterhalt könnten Einsparungen gemacht werden. Auch im Marketing würden sich Synergien ergeben, es wären kombinierte Saisonkarten Fussball/Eishockey denkbar. Der Sportfan könnte in den Genuss von Doppelspielen kommen: Zuerst Fussball, dann Eishockey. Dazwischen könnte er sich verpflegen. Die Zürcher Sportszene hätte ein neues Herzstück – und die Stadt ein neues Wahrzeichen in Zürich-West.
Q:
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/di ... 21002.html
Und der Kommentar dazu:
06. Dezember 2007, 23:50 – Von Fredy Wettstein
KOMMENTAR
Mehr als eine Vision
Zürich hat das Hallenstadion. Ein schöner Umbau, architektonisch gelungen, eine Halle für vieles, aber nicht für Eishockey. Mit den ZSC Lions wurde einst geworben, als es darum ging, die Stimmen für die Renovation des veralteten Stadions zu gewinnen, doch inzwischen ist anderes wichtiger geworden. Konzerte, Musicals, Opernaufführungen und verschiedene Events bringen mehr Geld. Eishockey muss dazwischen gespielt werden, an freien Terminen, vor Weihnachten beispielsweise in sechs Tagen viermal. Der Klub kann auch im erneuerten Hallenstadion wirtschaftlich nicht überleben.
Zürich hat den neuen Letzigrund. Ein Stadion, das sich für Designpreise empfiehlt, ästhetisch wunderbar, aber es war nie als Fussballarena gedacht, ist dafür, nicht nur wegen der Bahn rund um den Rasen, auch nicht geeignet. Der Bau in Rekordzeit hat immerhin ermöglicht, dass nächsten Sommer die Fussball-EM auch in Zürich stattfinden kann. Aber für den FCZ und für GC ist dieser Letzigrund keine Lösung.
Zürich hat(te) das Projekt mit dem neuen Fussballstadion im Hardturm. Ein 350-Millionen-Bau, Stadion, Einkaufszentrum und Büros in einem. Die Credit Suisse und die Stadt sollen ihn ermöglichen, aber Bagger sind weiterhin keine im Einsatz. Juristen beschäftigen sich mit dem Bau, im Moment liegt der Ball beim Bundesgericht. Und es bleibt die Frage: Ist eine Rendite von 6,5 Prozent, wie es das Projekt vorsieht, realistisch? Die jüngsten Erfahrungen mit Sihlcity lassen zweifeln.
Zürich und seine Grossklubs, die ZSC Lions, der FCZ und GC, haben ein Stadionproblem, ein grosses.
Ist die Idee von zwei Architekten, in Zürich-West ein multisportives Stadion hinzustellen, Fussball und Eishockey nebeneinander zu ermöglichen, mit einer gemeinsamen Infrastruktur, die Lösung aus einer unbefriedigenden und verzwickten Situation? Natürlich gibt es noch viele Fragen: Keiner weiss, was die CS wirklich denkt, keiner weiss, wie die neue Arena finanziert werden kann, und offen bleibt auch, wie die Bevölkerung im Quartier reagieren wird. Aus sportlich pragmatischer Sicht gibt es nur eine Antwort: Ja. Die Pläne sind mehr als eine Vision, sie sind eine realistische Idee. Eine gute.
Q:
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/di ... 21003.html